BERLIN. Zehn Jahre nach einer Studie zu Bildungschancen von Sinti und Roma scheint sich bei deren Akzeptanz wenig getan zu haben. Das ist eines der Ergebnisse der aktuellen Untersuchung. „Die Studie offenbart die großen Defizite bei der Bildungsteilhabe deutscher Sinti und Roma. Trotz aller Fortschritte erreichen immer noch viele Sinti und Roma keinen Bildungsabschluss. Auch der Übergang von Schulabschluss in eine Ausbildung gelingt häufig nicht“, sagt Jens Brandenburg, Bildungspolitiker der FDP-Bundestagsfraktion.

Bei der schulischen und gesellschaftlichen Integration der Sinti und Roma liegt in Deutschland liegt laut einer Befragung noch vieles im Argen. Trotzdem weigere sich die Bundesregierung, den Minderheiten mit gezielten Förderprogrammen zu helfen, teilten die Autoren der RomnoKher-Bildungsstudie 2021 mit. Die RomnoKher gGmbH ist eine Selbstorganisation der Sinti und Roma.
Für die Studie wurden 614 deutschlandweit geführte Interviews ausgewertet. 40 Prozent der Befragten mit Kindern gaben an, dass diese benachteiligt worden seien. Die Fälle seien zu 40 Prozent im Unterricht vorgekommen, zu einem Drittel durch Lehrkräfte. Im Vergleich zu einer Untersuchung aus dem Jahr 2011 habe sich nicht viel verändert, hieß es am Mittwoch bei der Online-Vorstellung der Studie.
Bei den Schulabschlüssen habe sich die Lage verbessert. Aber unter den 30-Jährigen liege der Anteil derjenigen ohne Schulabschluss immer noch bei 15 Prozent; der Wert beträgt in der Gesamtbevölkerung knapp fünf Prozent. Auch bei der akademischen Laufbahn ist die Minderheit unterrepräsentiert: Über vier Prozent erlangen einen Hochschulabschluss – obwohl mehr als zehn Prozent ein Abitur haben.
“Erzieher, Lehrer und Eltern sollten sensibilisiert werden für den Umgang mit Menschen unterschiedlicher Kulturen”
Die Sprache der Minderheit, Romanes, wird von 85 Prozent der Befragten gesprochen und gepflegt. Fast 80 Prozent bringen sie ihren Kindern bei. Knapp ein Viertel spricht mindestens drei Sprachen. Die Minderheiten müssen laut Studie dabei unterstützt werden, eine «Gegenöffentlichkeit» zu dominanten Stereotypen zu entwickeln. In den Bildungseinrichtungen sollten Mitarbeiter und Eltern sensibilisiert werden für den Umgang mit Menschen unterschiedlicher Kulturen. Die Geschichte der Sinti und Roma gehöre in die Lehrpläne.
Kürzlich war das Thema Antiziganismus im Südwesten virulent, nachdem vier junge Männer versucht hatten, mit einer brennenden Fackel Roma-Familien aus ihrer Kleinstadt zu vertreiben. In einem anderen Fall hatte die Staatsanwaltschaft Konstanz Ermittlungen eingeleitet nach Vorwürfen des Landesverbandes der Sinti und Roma, die Polizei habe ein Kind in Singen in Handschellen abgeführt.
“Unter mangelnden Bildungschancen früherer Generationen leiden also auch Kinder und Jugendliche heute”
„Sinti und Roma waren im deutschen Bildungssystem jahrzehntelang benachteiligt“, sagt Jens Brandenburg, Bildungspolitiker der FDP-Bundestagsfraktion. „Die schlechteren Startchancen setzen sich fort: Der Bildungserfolg hängt in Deutschland überdurchschnittlich stark vom Bildungsgrad der Eltern ab. Unter mangelnden Bildungschancen früherer Generationen leiden also auch Kinder und Jugendliche heute. Sie brauchen mehr Unterstützung. Spezifische Beratungsangebote, Stipendien und Mentorenprogramme wären gute Ansätze.“ Aber die fehlten.
Brandenburg betont: „Wir brauchen eine engagierte Debatte über die Bildungschancen junger Sinti und Roma. Ohne die Bereitschaft zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme wird das nicht gelingen. Die neue Studie bietet dazu eine gute Möglichkeit.” News4teachers / mit Material der dpa
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