HANNOVER. Flächendeckende Selbsttests an den Schulen sollen die Corona-Gefahr im Unterricht senken. Doch die Umsetzung läuft holprig an. Beispiel Niedersachsen: Vor allem die Schulleiter üben Kritik am Verfahren. Sie fühlen sich vom Ministerium mit den absehbaren Problemen alleingelassen. «Wenn ich mehrere positiv getestete Schüler habe, sollen die in einem Raum zusammen warten» – und wer soll die dann beaufsichtigen?
Die Vorgaben der Landesregierung für die Corona-Selbsttests bei Schülern und Lehrern stoßen an Niedersachsens Schulen auf Widerstand. Schulleiter und Beschäftigte forderten, dass die Tests zu Hause statt in den Schulräumen stattfinden müssten. «Ich bin nicht geimpft, ich trage keine Schutzkleidung, soll aber im Klassenraum dabei sein, wenn sich 20, 25 Kinder selbst testen. Das kann doch nicht wahr sein», sagte ein Lehrer dem NDR.
Seit Montag sollen die Schulen den Umgang mit den Selbsttests eine Woche lang üben, bevor die Tests nach den Osterferien regelmäßig stattfinden. So hatte es Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) angekündigt. Das Land stellt dafür Hunderttausende Testkits zur Verfügung. Allerdings hatten mehrere Schulen, beispielsweise in Oldenburg, am Montag noch gar keine Tests erhalten. Zudem sind viele Fragen ungeklärt: Was etwa passiert, wenn sich ein Schüler mit dem Test-Wattestäbchen verletzt?
Schulleitung schreibt ans Ministerium, dass die Umsetzung der Selbsttests jetzt nicht möglich ist
In einem Schreiben einer Schulleitung aus der Region Hannover an Schüler und Eltern vom Freitag heißt es zudem, die Selbsttests könnten an dieser Schule erst beginnen, wenn die Bedenken bezüglich der Umsetzung ausgeräumt seien. Dazu gehöre, dass es in den Unterrichtsräumen kein fließend Wasser für die Erste Hilfe gebe und für die Betreuung von Schülern nach einem Positivtest das Personal fehle. Der Wunsch der Schulleitung sei es, den Schülern die Selbsttests mitzugeben, damit sie sich schon zu Hause testen.
Die Gewerkschaft GEW monierte, dass Lehrer für die Organisation und Beaufsichtigung der Tests zuständig seien und keine Fachkräfte. Einzelne Schulen könnten sich der Anordnung des Landes zwar nicht widersetzen. Die verbeamteten Lehrer könnten aber Bedenken gegenüber der Rechtmäßigkeit dienstlicher Anweisungen geltend machen, indem sie etwa auf fehlende Schutzkleidung oder mangelnde Belüftung hinweisen.
«Die Ängste meines Kollegiums muss ich ernst nehmen.»
Der Vorsitzende der Direktorenvereinigung (NDV), Wolfgang Schimpf, warnte in der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» (Montag), ohne Schutzkleidung und die Unterstützung medizinischer Fachkräfte seien die Lehrer einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt. «Die Ängste meines Kollegiums muss ich ernst nehmen», sagte der Leiter eines Gymnasiums in Göttingen.
Wenn die Lehrkräfte die Testergebnisse der Schüler ablesen, kämen sie diesen sehr nahe. Außerdem sei der Umgang mit positiven Tests ungeklärt. «Wenn ich mehrere positiv getestete Schüler habe, sollen die in einem Raum zusammen warten? Was, wenn richtig positiv und falsch positiv getestete Schüler darunter sind, dann sind am Ende alle infiziert», sagte Schimpf der Zeitung.
Der Präsenzunterricht wurde trotz des Hickhacks um die Selbsttests am Montag deutlich ausgeweitet. Alle noch fehlenden Jahrgänge und Schulformen kehrten ins Wechselmodell zurück, bei dem die Klassen in Gruppen abwechselnd zu Hause und im Klassenraum unterrichtet werden – jedenfalls dort, wo die Corona-Inzidenz unter 100 liegt. Mittlerweile übertrifft jede dritte Region in Niedersachsen die Marke von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche, darunter die bevölkerungsreiche Region Hannover. News4teachers / mit Material der dpa
Selbsttests an Schulen: Wie umgehen mit dem möglicherweise kontaminierten Abfall?
