BERLIN. Die Menschen in weiten Teilen Deutschlands müssen sich auf Ausgangsbeschränkungen und geschlossene Läden nach bundesweit verbindlichen Vorgaben einstellen – für Kitas und Schulen soll eine Notbremse gelten. Entsprechende Änderungen des Infektionsschutzgesetzes hat die Bundesregierung am Dienstag beschlossen, wie die Deutschen Presse-Agentur erfuhr. Noch muss allerdings der Bundestag zustimmen. Der VBE zeigt sich über die geplante Regelung für die Bildungseinrichtungen irritiert. Die Kultusminister laufen dagegen Sturm.
Ziel der Gesetzesänderung ist die bessere Eindämmung der Corona-Pandemie. Vorgesehen sind unter anderem Ausgangsbeschränkungen. So soll von 21.00 bis 5.00 Uhr der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung oder eines dazugehörigen Gartens im Grundsatz nicht erlaubt sein. Dies soll nicht gelten, wenn der Aufenthalt etwa der Versorgung von Tieren oder der Berufsausübung dient. Gelten sollen diese und andere Beschränkungen, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die 7-Tage-Inzidenz über 100 liegt. Das bedeutet, dass binnen einer Woche mehr als 100 Neuinfizierte auf 100.000 Einwohner kommen.
„Es ist höchst schwierig, dass der Bund gerade im Schulbereich eingreift, wo wir vor Ort Lösungen suchen“
An Schulen soll Präsenzunterricht nur mit zwei Coronatests pro Woche gestattet werden. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die 7-Tage-Inzidenz 200, soll Präsenzunterricht untersagt werden. In Kitas ist dann nur noch eine Notbetreuung erlaubt. Einige Landesregierungen lehnen diese Notbremse ab. „Es ist höchst schwierig, dass der Bund gerade im Schulbereich eingreift, wo wir vor Ort Lösungen suchen“, sagte etwa Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) gegenüber der „Bild“ – der Freistaat hatte angekündigt, die Kitas und Schulen unabhängig von jeglichen Inzidenzwerten offenlassen zu wollen. Piwarz: „Der Bund schlägt uns die Maßnahmen aus der Hand!“
Auch aus anderen Bundesländern kam Kritik. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sprach im Deutschlandfunk von „willkürlichen Entscheidungen“. Sie sagte: „Ich verstehe das Bedürfnis nach mehr Einheitlichkeit, das ist ja ein bisschen so wie das Bedürfnis nach einfachen Lösungen, aber die Wahrheit ist, dass man nur Gleiches gleich behandeln kann und Ungleiches eben ungleich behandeln muss, auch aus verfassungsrechtlichen Gründen.“ Was das mit einer Notbremse für den Schulbetrieb bei einem festgelegten Inzidenzwert zu tun hat, die ja nur die Länder betrifft, die den Schwellenwert erreichen? Prien: „Es ist Entscheidung etwa der Sachsen, zu sagen, wir treffen Maßnahmen, insbesondere in Bereichen außerhalb von Schule, weil der Bereich Schule für uns so eine herausragende Bedeutung hat.“
„Bisher hat die Bundesregierung gegen Kinder und Jugendliche immer große Härte gezeigt“
Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) erklärte gegenüber „Bild“: „Bisher hat die Bundesregierung gegen Kinder und Jugendliche immer große Härte gezeigt und Schulen geschlossen, dafür aber Betriebe und Wirtschaft mit Samthandschuhen angefasst und geschont. Das muss ein Ende haben.“ Fakt ist: Sämtliche Schulschließungen haben die Länder beschlossen.
Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des VBE, wundert sich ebenfalls über die geplante Regelung – allerdings aus anderen Gründen als die Kultusminister: „Für alle anderen Bereiche gilt die Notbremse ab 100, im Bildungsbereich kann bis zur doppelten Inzidenz Unterricht vor Ort stattfinden“, sagt er. „Für diese Abweichung fordern wir eine wissenschaftlich belegbare Begründung und die Festlegung von Maßnahmen, die zusätzlich bei Inzidenzen zwischen 100 und 200 zu ergriffen sind.“
Er kritisiert: „Die Deutungshoheit der Länderchefs führt zu einem bunten Sammelsurium an Infektionsschutz-Unterlassung: Dort gibt es vollen Präsenzunterricht, woanders kann doch nur einmal getestet werden, hier soll es eine Testpflicht geben, dort reicht es aber, wenn die Eltern für den negativen Test bürgen.“
„Wer Unterricht stattfinden lassen möchte, muss für Infektionsschutz sorgen“
Und er betont: „Wer Unterricht stattfinden lassen möchte, muss für den Infektionsschutz der Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und deren aller Familien sorgen. Das geht nur mit dem Dreiklang des Infektionsschutzes: Impfangebote unterbreiten, mindestens zweimalig pro Woche testen und die Einhaltung der Hygieneregeln sicherstellen. Deshalb muss festgeschrieben werden, dass ab einer Inzidenz von 50 Wechselunterricht stattfindet. So kann Unterricht gewährleistet werden – aber unter möglichst sicheren Bedingungen. Zeitgleich müssen die begonnenen Anstrengungen, Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte priorisiert zu impfen, intensiviert werden.“ News4teachers / mit Material der dpa
Debatte um neue Notbremse für Schulen: Reicht ein Grenzwert von 200?
