BERLIN. Die Bundesregierung hat ein Programm angekündigt, aus dem Lüftungsanlagen in Schulen finanziert werden sollen – zu spät? Eltern machen Druck, dass die Schulträger und die Landesregierungen endlich in den Gesundheitsschutz in Schulen investieren. Darüber berichtet News4teachers aktuell. Leserin „Viva“ nimmt den Beitrag zum Anlass für einen überaus lesenswerten Kommentar, in dem sie die nordrhein-westfälische Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) kritisiert, der aber so wohl auch jeden anderen Kultusminister in Deutschland hätte treffen können. Wir dokumentieren den Post hier noch einmal, um ihn einem größeren Publikum vorzustellen.
Viva, 04.06.2021 um 22:50 Uhr
Ich habe echt immer mehr das Gefühl, dass der Bund die äußerste Schmerzgrenze … ich definiere sie mal als Grenze, wo das defizitäre Handeln der Länder für alle sichtbar unethisch wird, auffängt. Die Bundesregierung sucht wohl für die Kinder unter 12 Jahren, für die es vorerst überhaupt kein Impfangebot geben wird, eine Lösung.
Niemand wird ernst- und glaubhaft darstellen wollen, dass Luftfilteranlagen – mobil oder fest verbaut – unnütz wären und das Lüften nicht hervorragend ergänzen würden. Sonst würden sie gesamtgesellschaftlich auch nicht so massenhaft eingesetzt werden (in Betrieben, öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern…).
Ohne die Bundesnotbremse wären Lehrer(innen), Eltern und Schüler(innen) bereits vermutlich komplett durchgeseucht
Aber wie z. B. Frau Gebauer einst sagte, Luftfilter für die Schulen seien zu teuer, sie würden „Unsummen“ verschlingen. 1,5 Milliarden deutschlandweit? Sie macht da gar keinen Hehl draus, dass sie die Schulen nicht sicherer machen möchte und dass die Kinder, ihre Eltern und die Lehrer(innen) Investitionen in dieser Höhe es (ihr?) nicht wert sind. Sie lässt daran gar keine Zweifel, gesteht aber dann doch ein, dass für Räume, die nicht ausreichend gelüftet werden können, Luftfilteranlagen auf Kosten des Landes angeschafft werden können. Häh? Räume, die nicht gelüftet werden können, dienen noch nicht einmal gut als Abstellraum … da nützt auch eine Luftfilteranlage nichts. Sie sollten auch mit Luftfilteranlage nicht als Klassenraum dienen, denke ich.
Ich kann so gar nicht mehr sehen, dass vom Schulministerium irgendetwas Gutes kommen könnte. Wenn wir die Bundesnotbremse nicht gehabt hätten, wären Lehrer(innen), Eltern und Schüler(innen) in NRW bereits vermutlich komplett durchgeseucht. Unsere Kultus-„Hoheiten“ hätten aus eigenem Antrieb wahrscheinlich zu keiner Zeit Kontaktbeschränkungen und Abstand in den Schulen erlaubt. Ihr permanentes Motto „Bildungsgerechtigkeit“, alleinig durch Vollpräsenzunterricht bei überfüllten Intensivstationen und Warn- und Hilferufen aus allen Richtungen war schon nicht mehr grenzwertig. Sonst hätte die Bundesregierung auch nicht eingreifen müssen.
Es wäre so einfach, eine positive Trendwende herbeizuführen, der Bund hilft mit, die Länder ergänzen, die zukünftige Entwicklung wird bedacht (denn unser Corona-Problem wird den Experten zufolge NICHT nach dem Sommer vorbei sein) … aber dazu müsste Frau Gebauer ja das Eingeständnis machen, dass die Schulen auch aus ihrer Sicht eben nicht sicher sind. Wird sie nicht tun.
Manchmal – nein, eigentlich die ganze Zeit – frage ich mich, wie weit diese Ignoranz und das „Eine-gegen-fast-alle“ noch praktiziert werden kann. Wie lange müssen wir Bürger(innen) uns diese ganzen Fehlentscheidungen und Anordnungen, die sogar den Gesundheitsschutz der Kinder, Eltern und Lehrer(innen) in vollem Bewusstsein gefährden, noch gefallen lassen? Und ist Frau Gebauer mal weg, kommt vielleicht ebenbürtiger Ersatz…und wir vom Regen in die Traufe.
Irgendwie müsste da ein anderer Ansatz her. Es ist ja nicht nur die „Geiz-ist-geil-Mentalität“. Es ist auch das „Schulimperium“ an sich… sitzt da einer, der es nicht gut mit einem meinen will oder einfach nur inkompetent und nicht engagiert ist, hat man es folglich im Schulwesen auch nicht gut.
Die Schulen sind nicht sicher. Für die noch Ungeimpften hat sich bis heute nichts geändert
Bis auf die Elternklientel, die die Schulen in Vollpräsenz dringend benötigen, um ihre Kinder ein paar Stunden am Tag außer Haus sicher untergebracht zu wissen, hat Frau Gebauer sich mit ihrer „Bildungsgerechtigkeit“, für die sie gerne stehen würde, keine Freunde in NRW gemacht. Ihr Handeln gegen den Strom ist sogar selbst Leuten übel aufgestoßen, die mit Schule nichts – rein gar nichts – zu tun haben. Denn auch die konnten niemals glauben, dass die Schulen „sicher“ seien und sahen in den Schulen im Gesamtinfektionsgeschehen „undichte Stellen“, die sie indirekt mitbetrafen. Für die noch Ungeimpften hat sich auch heute noch nichts daran geändert.
Im Moment passt leider nichts. Ich sehe den Bildungsauftrag – gerade auch die Ehrfurcht vor Mitmenschen und den Bereich der Wertevermittlung – durch das Schulministerium in NRW nicht erfüllt und das „Schulrecht“ erscheint mir seit der Pandemie gar nicht mehr vertrauenswürdig, wenn man bedenkt, dass es offensichtlich deckelt, dass Kinder, ihre Eltern und die Lehrer(innen) ihre Gesundheit im Zweifelsfall opfern müssen, damit die allgemeinen Pflichten prioritär eingehalten werden können. Irgendwie ist das Recht für mein Empfinden hier in NRW rückblickend während der Pandemie auf nur ein Recht zusammengeschrumpft: das Recht der Frau Gebauer.
Der ganze Schulbereich schreit förmlich nach einer Umgestaltung. Es ist doch Wahlkampf, kommt da noch was an Bewegung rein? Vorab wäre ein „Wir machen die Schulen sicherer“ toll! Offensichtlich hätten die meisten Eltern noch nicht einmal etwas gegen eine Kostenbeteiligung bei den Luftfilteranlagen, um den Schulbesuch ihrer Kinder sicherer zu machen. Sie spenden, machen, tun. Alleingelassen von ihren Volksvertreter(innen) bleibt ihnen keine andere Wahl. Das ist echt zum Schämen…und leider zum Verzweifeln. Oh du heiliges Ressort!
Die vierte Welle bei im Turnus weit aufgerissenen Fenstern im Winter in den Schulen nach dann fast zwei Jahren Pandemie … im Klassenraum frierende Kinder. Das ist Schule 2021/2022 mitten in Deutschland. Und das Schulministerium findet es völlig passend so. Genau so. Handlungsbedarf sei nicht vorhanden. Wow! News4teachers
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„Die Kinder brauchen jetzt menschliche Kontakte. Und was bekommen sie? Lernstress!“