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Inzidenz sinkt weiter – Virologin Brinkmann sieht Schulöffnungen trotzdem „mit Bauchschmerzen“

BERLIN. Der Inzidenzwert für Deutschland sinkt weiter – immer mehr Schüler kehren in voller Klassenstärke in die Schulen zurück. Die renommierte Virologin Prof. Melanie Brinkmann sieht mit Sorge, dass immer mehr gleichzeitig gelockert wird, ohne die Wirkung abzuwarten. Unverständnis zeigt sie auch darüber, dass die Bundesnotbremse Ende Juni auslaufen soll. Dann wäre der Bildungsbetrieb, in dem nach wie vor die Schüler und viele Lehrkräfte nicht geimpft sind, wieder weitgehend schutzlos.

Das Coronavirus ist nicht aus der Welt. Foto: Shutterstock

„Die 7-Tages-Inzidenz sinkt für ganz Deutschland seit Anfang der Kalenderwoche 17 deutlich“, so heißt es im aktuellen Corona-Lagebericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 4. Juni. „Seit der KW 21 hat sich diese Abnahme etwas verlangsamt. Die Gesamtinzidenz in Deutschland liegt bei 30/100.000 Einwohner. Der 7-Tage-R-Wert liegt unter 1. In den letzten Wochen sank die 7-Tage-Inzidenz in allen Altersgruppen. Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt. COVID-19-bedingte Ausbrüche betreffen private Haushalte, aber auch das berufliche Umfeld sowie Kitas und Schulen…“

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Unterdessen werden in immer mehr Bundesländern die Kitas und Schulen weit geöffnet.

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Die Virologin Melanie Brinkmann, Professorin an der Technischen Universität Braunschweig und Beiratsmitglied der Gesellschaft für Virologie, teilt diese Freude nur bedingt. Die Wissenschaftlerin, die zum Beraterstab der Bundesregierung gehört, zeigt sich besorgt über größere Menschenansammlungen in geschlossenen Räumen, etwa in Fitnessstudios, beim Hallensport oder in der Innengastronomie. „Mir wird dabei ganz anders“, sagt sie in einem aktuellen Interview mit der „Rheinischen Post“.

„Ich habe auch Bauchschmerzen, wenn nun alle Kinder wieder in die Schule gehen und fast zeitgleich in manchen Regionen sogar die Maskenpflicht im Unterricht aufgehoben wird.“ Auf die Frage, ob eine vierte Welle noch in diesem Sommer komme, sagte sie: „Wenn es richtig schlecht läuft, dann schon.“

So trüge der Eindruck, dass Deutschland beim Impfen schon auf der sicheren Seite sei. Sie sei ohnehin skeptisch, ob das Versprechen der Regierung, bis Ende des Sommers allen Bürgerinnen und Bürgern ein Impfangebot zu machen, zu halten sei. Sieben-Tages-Inzidenzen von 100 Neuinfektionen je 100.000 Menschen halte sie für möglich. „Ich befürchte, das kann ganz schnell gehen, auch im Sommer.“

Das große Problem sei, dass viele Bereiche gleichzeitig wieder geöffnet würden. „Ich fürchte, die Zahlen werden über kurz oder lang wieder steigen.“ Wenig Verständnis zeigte die renommierte Virologin auch darüber, dass Ende Juni die Bundesnotbremse, die unter anderem Wechselunterricht ab einer Inzidenz von 100 und Distanzunterricht ab einer Inzidenz von 165 vorschreibt, ausläuft – und nicht verlängert werden soll. Damit falle ein wichtiger Notfallmechanismus weg, so Brinkmann. „Man hat das mit so viel Mühe durchgesetzt, und jetzt lässt man es einfach auslaufen. Das kann ich nicht nachvollziehen.“

Tatsächlich hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bereits angekündigt, nach den Sommerferien die Schulen unabhängig von allen Inzidenzen offenhalten zu wollen. „Das Recht der Kinder auf Bildung war durch die überzogene Bundesnotbremse unter die Räder gekommen. Das darf nicht wieder passieren“, so zitiert ihn „Bild“. Sachsen ist das Bundesland mit den bundesweit meisten Corona-Toten bezogen auf 100.000 Einwohner: 240 nämlich. Der Durchschnitt in Deutschland liegt bei 107. Sachsen musste durch die Notbremse der Bundesregierung gezwungen werden, Schulen für den Präsenzunterricht zu schließen. Seitdem sinken auch dort die Infektionszahlen stetig.

„Auch hier wird sich die Variante Delta wahrscheinlich ausbreiten, solange wir Infektionsgeschehen auf hohem Niveau zulassen“

Bleibt der Trend? Die Virologin Brinkmann zeigt sich skeptisch – auch wegen des Auftretens von Corona-Mutationen: „Die Variante Delta, die vor allem in Indien aufgetreten ist, macht mir Sorgen. Sie ist in einigen Ländern weit auf dem Vormarsch. In Deutschland gibt es erste Fälle, und auch hier wird sie sich wahrscheinlich durchsetzen und ausbreiten, solange wir Infektionsgeschehen auf hohem Niveau zulassen“, sagt sie.

Gestern wurde ein möglicher Fall mit der „Variante Delta“ aus Sachsen bekannt: In Dresden steht ein Studentenwohnheim nahe der Universität seit dem frühen Donnerstagabend unter Quarantäne. Sämtliche Bewohner des Hochhauses wurden auf das Coronavirus getestet; die Ergebnisse stehen noch aus. Hintergrund ist der Tod eines Studenten nach einer Covid-19-Erkrankung. Der junge Mann war bereits Ende April aus Indien zurückgekehrt und hatte sich vorsorglich bis zum 9. Mai in Quarantäne begeben, auch ein Schnelltest vor der Einreise war negativ. Am 25. Mai wurde er in ein Krankenhaus gebracht, sein Gesundheitszustand hatte sich trotz guten Allgemeinzustandes rapide verschlechtert. Er starb am 1. Juni. Nun gelte es zu klären, ob es sich um einen verspäteten Ausbruch der Krankheit handele oder ob sich der Mann womöglich in Dresden angesteckt habe, so teilte das Gesundheitsamt mit. News4teachers / mit Material der dpa

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