BERLIN. Immer mehr Bundesländer lockern die Maskenpflicht in Schulen – Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und das Saarland heben sie im Unterricht grundsätzlich auf, in Baden-Württemberg soll das unterhalb eines Inzidenzwertes von 35 gelten. Hessens Kultusminister Lorz (CDU) stellt eine Freigabe zumindest der Schulhöfe in Aussicht, ebenso die bayerische Landesregierung. Im Freistaat streitet die Koalition allerdings darüber, ob die Masken auch im Unterricht fallen sollen. Lehrerverbände zeigen sich nicht begeistert. So meint der Realschullehrerverband im Saarland: „Die Warnungen der Wissenschaft werden missachtet.“
Die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen haben bereits beschlossen, die Maskenpflicht im Unterricht auszusetzen. In Niedersachsen ist die Maskenpflicht an Inzidenzwerte gekoppelt, die mittlerweile vielerorts darunter liegen, sodass hier die Maßnahme automatisch entfällt. Heute haben weitere Bundesländer Lockerungsschritte in Sachen Masken in der Schule angekündigt.
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie vor mehr als einem Jahr hat die Landesregierung von Rheinland-Pfalz weitgehende Lockerungen der Maskenpflicht beschlossen. So müssen Schülerinnen und Schüler ab kommendem Montag keine Maske mehr im Unterricht tragen. Die Landesregierung reagiert damit auf die gesunkene Zahl von Corona-Infektionen, wie Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) nach einer Kabinettssitzung in Mainz sagte. Die neue Regelung für den Unterricht gelte überall dort, wo die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen unter einem Wert von 35 bleibe. Maßgeblich ist die Inzidenz in den jeweiligen Landkreisen und Städten. Landesweit waren es am Dienstag 14,7.
«Unsere Schulen setzen ihre Hygienekonzepte hervorragend um, die Impfungen bei unseren Lehrkräften sind weit fortgeschritten»
Auf dem Weg zum Platz im Klassenzimmer solle die Schutzmaske weiter getragen werden, sagte Hubig. Damit gebe es eine ähnliche Regelung wie für Restaurants. Aber im Unterricht und auf dem Pausenhof muss keine Maske mehr getragen werden. «Unsere Schulen setzen ihre Hygienekonzepte hervorragend um, die Impfungen bei unseren Lehrkräften sind weit fortgeschritten», sagte die Ministerin.
Ähnliches gilt künftig in Sachsen-Anhalt. «Die Maskenpflicht entfällt sowohl auf Schulgeländen und Freigeländen als auch im Unterricht», sagte Bildungsminister Marco Tullner (CDU). Das Kabinett habe dies einvernehmlich beschlossen. Künftig soll der Mund- und Nasen-Schutz demnach nur noch außerhalb des Unterrichts in Gebäuden, etwa auf den Fluren, vorgeschrieben sein. Dadurch könne die Lernatmosphären qualitativ gesteigert werden, was auch angesichts der steigenden Temperaturen wichtig sei, führte Tullner weiter aus.
Auch im Saarland müssen Schüler ab diesem Donnerstag im Unterricht keine Maske mehr tragen. Das habe der Ministerrat am Dienstag angesichts gesunkener Corona-Zahlen entschieden, teilte das Bildungsministerium in Saarbrücken mit. Im Schulgebäude und auf dem Schulweg bei der Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bleibt es aber weiterhin bei der Pflicht zum Tragen einer Maske. «Wir sind uns in der Landesregierung einig, dass es Lockerungen bei der Maskenpflicht in Innenräumen zuerst bei den Schülerinnen und Schülern geben muss», sagte Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD).
Für Kinder und Jugendliche sei das Maskentragen im Unterricht angesichts der steigenden Temperaturen eine körperliche Belastung. Da sich die «allgemeine Pandemielage» und damit auch die an den Schulen weiter deutlich entspanne, seien im Klassenraum nun Lockerungen möglich. Klar sei aber: «Wer möchte, kann natürlich weiter eine Maske nutzen, nur die Abschaffung der Verpflichtung ist momentan nach Abwägung aller Faktoren vertretbar.» Auf dem Außengelände von Schulen gibt es bereits seit dem 11. Juni keine Maskenpflicht mehr. Seit Ende Mai läuft der Unterricht an der Saar wieder im vollen Präsenzunterricht.
Scharfer Widerspruch kam vom Verband Reale Bildung. „Der aktuelle Regierungsbeschluss sorgt dafür, dass in der Schule nunmehr keine Sicherheitsmaßnahmen mehr gelten, die nach wie vor allen anderen gesellschaftlichen Bereichen verordnet werden. Es gelten weder Abstände noch Maskentragepflicht – und das im geschlossenen Raum“, monierte Landesvorsitzende Karen Claassen und betonte: „Die Warnungen der Wissenschaft werden missachtet.“
Die Abschaffung der Tragepflicht falle zudem in eine Zeit, in der das Lüften immer schwieriger werde. Claassen: „Aufgrund der Angleichung von Innen- und Außentemperatur kann kein starker Luftstrom mehr entstehen, der zu einem ausreichenden Luftaustausch führt. Es kommen somit nun mehrere Risikofaktoren zusammen.“ Ein weiterer: „Dass die Abschaffung der Maskenpflicht ausgerechnet in eine Phase fällt, in der die meisten Kolleginnen und Kollegen noch nicht vollständig und ihre Angehörigen vielfach gar nicht geimpft sind, ist die höchstmögliche Missachtung der Gesundheitsinteressen der saarländischen Lehrkräfte und ihrer Angehörigen.“
«Sobald ein Ausbruch an einer Schule ist, wird sofort wieder die Maskenpflicht angeordnet»
Baden-Württemberg will die Maskenpflicht an Schulen lockern. Hier gilt: Sofern die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region unter 35 liegt und es zwei Wochen an der Schule keinen Corona-Ausbruch gab, soll die Maskenpflicht im Unterricht komplett wegfallen, kündigte Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart an. Bereits bei einer Inzidenz von unter 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern und Woche soll die Maskenpflicht auf den Pausenhöfen abgeschafft werden. «Sobald ein Ausbruch an einer Schule ist, wird sofort wieder die Maskenpflicht angeordnet», sagte Lucha. Derzeit seien von 4500 Schulen 248 von Infektionsfällen betroffen. Am aktuellen Testregime an den Schulen – also zwei Tests die Woche – wolle man bis zur Sommerpause festhalten. Ministerpräsident
Winfried Kretschmann (Grüne) meinte, das Risiko könne man eingehen. Dennoch warnte er vor zu schnellen Öffnungsschritten. Die bundesweite Debatte über die Lockerung der Maskenpflicht schieße über das Ziel hinaus. «Lockerungsdebatten in der Sache führen immer auch zum Abflauen der Disziplin.» Die Pandemie sei nicht vorbei. Man dürfe nicht vergessen, dass die Inzidenz noch 20 Mal höher sei als vor einem Jahr. «Leute, seid nicht übermütig, das bezahlen wir sonst bitter», sagte er. Man könne nicht das Risiko einer vierten Welle eingehen.
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) warnte die Regierung deshalb auch davor, auf den letzten Metern unvorsichtig zu werden. «Mit Blick auf die Ausbreitung der Delta-Mutation und das Zurückrudern Englands bei den Öffnungsvorhaben plädieren wir deutlich dafür, nicht gesellschaftliche Wünsche, sondern die nachhaltige Eindämmung der Ausbreitung des Virus in den Mittelpunkt politischen Handelns zu stellen», sagte der Landesvorsitzende Gerhard Brand. Eine Umfrage hatte ergeben, dass eine Mehrheit der Bundesbürger die Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen für richtig hält, wie News4teachers berichtet.
Alexander Lorz (CDU), Kultusminister von Hessen, kündigte an, sich für die Aufhebung der Maskenpflicht an Schulen im Freien einzusetzen. Nach seiner Überzeugung sei das riskierbar. «Daher werde ich mich dafür einsetzen, dass wir diesen Schritt bei der nächsten Anpassung der Corona-Regeln auf Landesebene gehen.» Er werde dem Kabinett einen entsprechenden Vorschlag machen und gehe davon aus, dass dieser in der nächsten Sitzung beschlossen wird.
«Erst seit fünf Tagen sind wieder alle Schulen im Regelbetrieb. Diese Errungenschaft dürfen wir nicht voreilig riskieren»
Zuvor hatte Lorz bereits erklärt, dass er es angesichts der bevorstehenden Hitzewelle für vertretbar halte, wenn Schüler in den kommenden Wochen an besonders heißen Tagen auf dem Schulhof keine Maske tragen müssen. Die konkrete Entscheidung, wann draußen auf die Maske verzichtet werden darf, trifft demnach die Schulleiterin oder der Schulleiter vor Ort unter Berücksichtigung der bekannten «Hitzefrei»-Regelungen. Inwieweit die Maskenpflicht im Unterricht bestehen bleibt, werde sich zeigen, erläuterte Lorz. Auch wenn er sich den Verzicht auf diese Maßnahmen lieber früher als später wünschen würde, mahnte er zu Besonnenheit. «Erst seit fünf Tagen sind hessenweit wieder alle Schulen im Regelbetrieb. Diese Errungenschaft dürfen wir nicht voreilig riskieren», betonte er.
Die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern in Bayern hat die Maskenpflicht auf Schulhöfen bereits aufgehoben, streitet aber weiter über die Maske im Unterricht. Man sei sich zu zwei Dritteln einig, zu einem Drittel nicht, sagte Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) am Dienstag nach einer Sitzung des Kabinetts, die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) geleitet worden war. Die Freien Wähler sind der Ansicht, Grundschüler könnten die Maske inzwischen im Unterricht abnehmen. Die CSU setzt weiter auf das Prinzip Vorsicht und hält Lockerungen bei der Maskenpflicht in Innenräumen für verfrüht. Erreichte Erfolge in der Pandemiebekämpfung dürften jetzt nicht verstolpert werden, sagte Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU). Er berief sich auf den Rat von Virologen zur Vorsicht in Innenräumen. Diese wolle man «nicht in den Wind schreiben. Das wäre nicht seriös.» News4teachers / mit Material der dpa
Mehrheit der Bürger will Maskenpflicht in Schulen streichen – Lehrer warnen
