BERLIN. Der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat hat eine Corona-Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas gefordert. „Wer sich aus freier Berufswahl in eine Gruppe vulnerabler Personen hineinbegibt, trägt eben besondere berufsbezogene Verantwortung“, sagte Henn der „Rheinischen Post“. „Wir brauchen eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen.“ Lehrkräfte, Erzieher und Erzieherinnen sollten vor allem Kinder unter zwölf Jahren schützen, die keine Impfung bekommen könnten.
Zwar hätten Kinder selbst ein geringes Risiko, schwer an Covid zu erkranken, man müsse aber weiter damit rechnen, „dass sie das Virus in ihre Familien tragen und Menschen aus Risikogruppen infizieren“, sagte der Humangenetiker. Als Beispiel nannte er der Zeitung zufolge etwa Krebspatienten in Familien, die aufgrund akuter Therapien noch gar nicht geimpft werden konnten. Diese Gruppe gelte es jetzt durch eine Impfpflicht bestimmter Berufsgruppen zu schützen. Eine allgemeine Impfpflicht lehnte Henn aber ab.
Konkrete Zahlen darüber, wie viele ErzieherInnen und Lehrkräfte in Deutschland bislang geimpft sind, gibt es nicht. Für Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste Bundesland also, schätzt der Deutsche Lehrerverband laut „Rheinischer Post“ den Anteil der Lehrkräfte mit Erstimpfung auf 70 Prozent, mit doppelter Impfung auf 40 Prozent. In Niedersachsen soll die Impfquote laut VBE unter Lehrkräften sogar 90 Prozent betragen.
„Wir halten viel davon, ein Impfangebot für alle Lehrerinnen und Lehrer zu machen“
Bereits im Mai hatte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, die Diskussion um eine Impfpflicht für Lehrkräfte vorausgesagt. Er rechne fest damit, dass es eine politische Debatte darüber geben werde, sagte Meidinger seinerzeit. Sein Verband spreche sich zwar gegen eine Pflichtimpfung aus. Seiner Ansicht nach hätte der Staat bei verbeamteten Lehrkräften und entsprechender gesetzlicher Regelung aber wohl die Handhabe dazu, so Meidinger.
Tatsächlich gibt es bereits eine Impfpflicht in Kindertagesstätten, Schulen oder anderen Gemeinschaftseinrichtungen – gegen Masern. Vor der Aufnahme müssen alle Kinder, die mindestens ein Jahr alt sind, nachweisen, dass sie die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Impfungen gegen Masern erhalten haben. Personen, die in diesen Einrichtungen arbeiten wollen, müssen ebenfalls eine vollständige Masern-Schutzimpfung nachweisen.
Die GEW hatte sich im Mai als Reaktion auf Meidingers Aussage klar positioniert: Die damalige Vorsitzende Marlis Tepe sprach sich gegen eine Corona-Impfpflicht für Lehrerinnen und Lehrer aus. „Wir halten viel davon, ein Impfangebot für alle Lehrerinnen und Lehrer zu machen“, sagte Tepe (das hatten im Mai noch längst nicht alle Lehrkräfte bekommen).
Der VBE hält im Kampf gegen das Coronavirus das Thema Impfpflicht für wenig zielführend. „Wir wissen von einer sehr hohen Impfbereitschaft unter den Beschäftigten im Bildungsbereich”, sagt Bundesvorsitzender Udo Beckmann. Lehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher gehören ihm zufolge zu einer Berufsgruppe, die der Impfung entgegengefiebert hat, weil sie einem hohen Risiko ausgesetzt waren, aber auch weil sie sich natürlich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind.
„Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss durch uns alle in allen gesellschaftlichen Bereichen sichergestellt werden“
Der VBE-Chef meint: “Was wir jetzt nicht brauchen, ist eine Diskussion über eine Impfpflicht für eine Berufsgruppe, die mit überwältigender Mehrheit geimpft ist. Vielmehr braucht es die weitere Einhaltung der Hygienemaßnahmen in der Gesamtgesellschaft sowie die Impfung von möglichst vielen Menschen, um spätestens im Herbst Herdenimmunität zu erlangen. Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss durch uns alle in allen gesellschaftlichen Bereichen sichergestellt werden, nicht nur in Kita und Schule. Darüber hinaus ist es die Verantwortung der Politik, alle technischen Möglichkeiten in Kitas und Schulen auszuschöpfen, um alle in Schule und Kita befindlichen Personen vor Infektionen zu schützen!“ Offenbar hat Beckmann dabei vor allem die Anschaffung von Luftfiltern für die Bildungseinrichtungen im Blick. News4teachers / mit Material der dpa
