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Verbände: „Aufholpaket ist eine Mogelpackung“ – Staat gefährdet das Kindeswohl massiv

BERLIN. Das Aufholpaket für Kinder ist eine Mogelpackung, die ohne jegliche Wirkung verpufft – meint der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie (BVL). „Selbst Kinder mit einer Dyskalkulie können schnell erkennen, dass 120 Euro pro Jahr und pro Schüler*in nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind“, sagt Tanja Scherle, Bundesvorsitzende des BVL. Der Verband fordert gemeinsam mit der Deutschen Kinderhilfe eine ehrliche Bestandsaufnahme der Fördersituation für Kinder durch die Bundesregierung und die Länder.  

120 Euro pro Kind und Jahr zum Ausgleich der Corona-Lernlücken? Viel zu wenig – meinen die Verbände. Foto: Shutterstock

Es klingt nach etwas: Zwei Milliarden Euro plant die Bundesregierung, binnen zwei Jahren für ein «Aufholprogramm» auszugeben, mit dem die Corona-bedingten Lernlücken von Schülerinnen und Schülern geschlossen werden sollen. Teil des «Aufholpakets» ist auch eine Sonderzahlung von 100 Euro für Kinder aus bedürftigen Familien, die sehr wenig Einkommen haben und beispielsweise auf Wohngeld oder Hartz IV angewiesen sind. Aus Sicht des BVL und der Deutschen Kinderhilfe ist das allerdings viel zu wenig.

„So marode wie viele Schulen bereits sind, so marode ist auch das Bildungsangebot, insbesondere für Schüler*innen mit mehr Unterstützungsbedarf“, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung. Bereits vor Corona sei die Fördersituation in Schulen mangelhaft gewesen. „Auch nach Corona wird sich die Lage nicht entspannen, denn es fehlen Lehrkräfte mit der notwendigen Förderkompetenz. Zusätzlich gibt es bereits zu wenige Lehrkräfte, um den Regelunterricht abzubilden. Die Situation spitzt sich in den nächsten Jahren noch weiter zu. Eine ehrliche Bestandsaufnahme der Fördersituation in Schulen ist dringend notwendig, um zu erkennen, wie dramatisch die Situation für Schüler*innen mit Lernproblemen ist“, so erklären die Verbände.

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„Wir können nicht hinnehmen, dass das Kindeswohl so massiv durch den Staat gefährdet wird“

„Stellvertretend für die Kinder gehen wir auf die Barrikaden, denn wir können nicht hinnehmen, dass das Kindeswohl so massiv durch den Staat gefährdet wird“, beklagt Rainer Becker, Ehrenvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe – der ständigen Kindervertretung. „Wir haben schon Alarm geschlagen, weil durch den Wegfall der Schulessen in Corona Zeiten viele Kinder keine warme Mahlzeit am Tag erhalten haben. Aber auch seelischer ‚Hunger‘ von Kindern muss vermieden werden“, sagt Becker.

Erste Untersuchungen zeigten, dass fehlender Unterricht und fehlende Förderung massive negative Folgen für Kinder hätten. Das seelische Leid, das Kinder erführen, wenn sie schulisch nicht mehr mitkommen, sei extrem und wirke sich auf die Zukunftsperspektiven der Kinder dramatisch aus. Wie viel ist dem Staat das Kindeswohl und die Bildung wert? „Nur 0,6 Prozent der Summe, die der Bund bisher in die freie Wirtschaft investiert hat, ging in der Pandemie in die Bildung. Durch die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung werden die Bildungsungleichheiten noch weiter zunehmen“, so rechnen die Verbände vor.

„Seit Jahren kämpfen wir dafür, dass sich die Fördersituation in den Schulen verbessert. Wir werden immer wieder von den Bildungsministerien vertröstet, man habe alles im Blick, aber es passiert einfach nichts“, so Tanja Scherle. Viele Lehrkräfte verlören die Freude an ihrem Beruf, weil sie trotz aller Bemühungen kapitulieren müssten. „Sie sehen, wie viele Kinder zurückgelassen werden müssen, weil keine Ressourcen für eine individuelle Förderung vorhanden sind. Sie sehen täglich, welches Leid Kinder ertragen müssen, wenn man sie schulisch nicht ausreichend unterstützen kann. Wenn das Elternhaus ebenfalls mit der Situation überfordert ist, dann werden Kinder komplett allein gelassen“, meinen die Verbände.

„Wir fordern die Bildungspolitik zu einer Bestandsaufnahme der Fördersituation auf, damit die Missstände deutlich werden“

„Der Staat hat den Auftrag, Sorge für das Kindeswohl zu tragen. Zum Aktionstag fordern wir die Bildungspolitik zu einer Bestandsaufnahme der Fördersituation auf, damit die Missstände deutlich werden und man Maßnahmenpakete schnüren kann“, sagt Rainer Becker. „Wenn wir die Augen noch länger verschließen und den Kindern nicht nachhaltig helfen, dann hat das auch negative Auswirkungen auf unsere Gesellschaft und Wirtschaftskraft“, mahnt Becker.  Zum Tag der Legasthenie und Dyskalkulie am 30. September 2021 ruft der BVL zusammen mit der Deutschen Kinderhilfe dazu auf, Kindern mit Förderbedarf eine Stimme zu geben und sie tatkräftig zu unterstützen. News4teachers

www.bvl-legasthenie.de/aktionstag

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