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Abertausende von Kindern infizieren sich mit Corona – Kinderärzte-Präsident will Tests in Schulen streichen

BERLIN. Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Dr. med. Thomas Fischbach, hat sich für eine Abschaffung der regelmäßigen Corona-Tests an Schulen ausgesprochen – obwohl in Thüringen das Infektionsgeschehen in Schulen außer Kontrolle geraten ist, seit die dortige Landesregierung die Schnelltests unter Schülern gestoppt hat. Das war von Wissenschaftlern so vorausgesagt worden. „Wir brauchen die anlasslosen Corona-Massentests in Schulen nicht mehr“, meinte Fischbach trotzdem nun gegenüber der „Bild“. Denn Kinder erkrankten selten schwer an Covid-19.

Ist eine Corona-Infektion für Kinder halb so wild? (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Hintergrund der Forderung von Fischbach sind offenbar wirtschaftliche Erwägungen. Es geht dabei um den Aufwand der Kinderarzt-Praxen, der mit den Tests verbunden ist – denn bei positiven Ergebnissen in den Schulen müssen PCR-Nachtests erfolgen. “Ein Massenabstreichen in den Praxen ist weder leistbar noch sinnvoll. Vielmehr werden die Kinder- und Jugendärzte in der Praxis mit Augenmaß und im Wissen der regionalen Gegebenheiten entscheiden, wann im Einzelfall ein PCR-Abstrich durchzuführen ist”, so hatte Fischbach in einer Pressemitteilung in der vergangenen Woche erklärt.

„Ich halte eine generelle Fortsetzung einer Maskenpflicht in Schulen für unangemessen“

Dass Kinder deutlich seltener als Erwachsene Corona-Symptome zeigen, auch schwere, ist gleichwohl Konsens in der Wissenschaft. Allerdings, das ist ebenfalls unbestritten, gibt es Ausnahmen: Internationale Studien kommen, je nach Definition dessen, was gravierende Covid-19-Folgen bei jungen Menschen sind, auf Quoten zwischen einem und elf Prozent der Infizierten. Dass den BVKJ diese Fälle nicht irritieren, machen der Verband und sein Präsident seit Beginn der Pandemie deutlich: Schon im Mai 2020 plädierte der niedergelassene Kinderarzt für weit offene Kitas und Schulen ohne Abstandsregel. Seinerzeit litten die Praxen unter massiven Umsatzverlusten, wie der BVKJ beklagte.

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Und diesen Kurs, der von den Kultusministern dankbar aufgenommen wird, behält Fischbach bei. „Ich halte eine generelle Fortsetzung einer Maskenpflicht in Schulen für unangemessen“, so erklärte er vor drei Wochen. Etliche Bundesländer sind dieser Expertise gefolgt – und diese Bundesländer haben jetzt, sofern sie noch nicht in den Herbstferien waren, mit explodierenden Infektionszahlen unter Schülerinnen und Schülern zu kämpfen.

Das betrifft neben Bayern und dem Saarland vor allem Thüringen – wo neben der Maskenpflicht im Unterricht auch die Corona-Testpflicht in Schulen gestrichen wurde, wo die Landesregierung also tat, was Fischbach verlangt. Die Folge: Chaos im Schulbetrieb.

In mittlerweile fünf Kommunen (gestern waren es noch vier) sind die Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen auf Werte über 500 gestiegen. Aktuell ist die Stadt Weimar mit einem Wert von 582 hinzugekommen. Im ebenfalls stark betroffenen Landkreis Gotha wächst sich der Ausbruch an einem Gymnasium derart aus, dass der dortige Landrat die Gesundheit der gesamten Bevölkerung gefährdet sieht. Die Haltung der Landesregierung werde schon in wenigen Wochen zu flächendeckenden Schulschließungen führen, sagt die CDU im Erfurter Landtag voraus.

Genau das war vorhergesagt worden. „Wenn man das verstehen will, dann guckt man am besten auf die einzelnen Bundesländer. Da zeigt sich nämlich immer wieder der gleiche Verlauf der vierten Welle, bloß eben zeitlich verschoben“, erklärte Dr. Jan Mohring vom Fraunhofer Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) vor drei Wochen im Deutschlandfunk. „Dieser zeitliche Verschub ist genau gebunden an die Sommerferien, und der sieht ungefähr so aus: Bis in die ersten Ferienwochenenden dümpelt die Inzidenz vor sich hin. Dann steigt sie stetig an, bis zum Ende der Sommerferien. Dann macht sie plötzlich einen Riesensatz nach oben, aber genauso jäh bricht sich dann wieder in der zweiten Woche nach den Ferien nach unten ab und fällt dann nur noch ab.“ Dieser Abfall habe mit den Tests zu tun – durch sie würden nämlich Infizierte entdeckt, die ansonsten im Dunkelfeld bleiben und das Virus weitergeben.

“Den allergrößten Effekt beim Eindämmen der dritten Welle hatte damals das Testen”

Und was passiert, wenn die Tests ausbleiben? Die Forscher haben Modellrechnungen für Rheinland-Pfalz unternommen. „Was wir dann sehen, ist, dass es diesen Einbruch etwa in der zweiten Woche nach Schulbeginn nicht gegeben hätte. Und das wäre noch bis zum November angestiegen, bis es dann mal abgeflacht wäre und dann wegen der Impfung dann doch langsam runtergegangen wäre. Das ist ein ganz massiver Punkt. Auch für das Frühjahr, für die Osterzeit, haben wir genau denselben Effekt gesehen. Und da konnten wir auch zeigen, dass der allergrößte Effekt beim Eindämmen der dritten Welle damals eben auch das Testen war, noch größer als das Impfen oder eben die Kontaktverschärfungen.“


Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach beschreibt die Durchseuchung von Kindern – wie sie der DKVJ in Kauf nimmt – als gefährlich. Er warnt vor den Langzeit-Folgen einer Infektion. Auf Twitter erklärt er: Bei Kindern treffe das Virus auf wachsende Zellen im Gehirn. „Wenn Kinder nach Covid nicht riechen oder schmecken, ist das Gehirn betroffen. Will man das? Wer von den Verharmlosern kann garantieren, dass diese Kinder nicht in 5 Jahren neurologische Auffälligkeiten haben?“ Und weiter: „Auch höre ich immer wieder, dass selbst bei der Delta Variante ‚nur‘ 1% der Kinder ins Krankenhaus müssten. Wäre das bei Schulbusunfällen die Quote, wäre die Hölle los. Unterricht darf nicht ausfallen. Aber ein Freedom Day mit Durchseuchung der Kinder wäre falsch, zu früh.“ News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zu einer Studie des Fraunhofer ITWM zur Wirkung von Schnelltests in Schulen.

Ärzte-Funktionäre drängen (schon wieder!) darauf, Maskenpflicht an Schulen zu streichen – Virologin Brinkmann: „dumm“

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