BERLIN. Der Deutsche Beamtenbund dbb und die dbb jugend fordern mehr Engagement der Politik im Kampf gegen extremistische Tendenzen in Staat und Gesellschaft. Wirkungsvolle Prävention muss bei der politischen Bildung ansetzen, so hieß es nun auf einer Tagung zum Thema – in den Schulen.
“Ich bin kein Nazi, aber ich war mal einer” – sagt der heute 30-jährige Christian Weißgerber, der sich als Schüler radikalisierte, zum Wortführer aufstieg, nach Jahren dann aus der rechtsextremen Szene ausstieg und heute in Schulen geht und von seinen Erfahrungen berichtet, wie es in einem Bericht der “Frankfurter Neuen Presse” heißt.
„In meiner Kindheit gehörte eine gewisse Form von Alltags-Rassismus sowohl in meiner Familie als auch in der Schule dazu“
Dabei widerspricht er der Vorstellung, bei Neonazis habe man es mit bildungsfernen Menschen zu tun – also: dass Bildung allein die Lösung des Problems sein könnte. Der Eisenacher selbst hat ein humanistisches Gymnasium besucht und war in einer Begabtenklasse. Viele seiner früheren Neonazi-Kameraden, erzählt er, seien aus vermeintlich „heilen“ und wohlhabenden Elternhäusern gekommen. „In meiner Kindheit gehörte eine gewisse Form von Alltags-Rassismus sowohl in meiner Familie als auch in der Schule dazu“, erzählt er und erinnert sich, dass es beispielsweise als normal galt, auf Klassenfahrten Nazi-Rockmusik zu hören.
Weißgerber, der ein Buch über seine Erfahrungen geschrieben hat (“Mein Vaterland. Warum ich ein Neonazi war”) war nun einer der Impulsgeber beim Ideencampus „Extrem menschlich“ der dbb jugend. Dort stand die Frage der Extremismusbekämpfung im Mittelpunkt. Über wirkungsvolle Präventionsmaßnahmen diskutierten junge Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes gemeinsam mit Expertinnen und Experten der Extremismusforschung, Bundestagsabgeordneten sowie Vertreterinnen und Vertretern parteipolitischer Jugendorganisationen im dbb forum berlin.
Die dbb jugend Vorsitzende Karoline Herrmann zeigte sich dabei besorgt angesichts zunehmender extremistischer Gewalttaten. „In seinem Jahresbericht hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits im Sommer eindrucksvoll aufgezeigt, wie rasant sich Extremismus im Schatten der Pandemie entwickelt hat – und welche Kräfte weiterhin die Demokratie in Deutschland bedrohen. Von der künftigen Regierung erwarten wir, dass sie sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzt – und zwar aus tiefster Überzeugung. Extremismus – egal welchen Ursprungs – schadet uns allen. Deshalb müssen wir jeglicher extremistischen Tendenz den Nährboden nehmen.“
„Die politische Bildung in den Schulen muss gestärkt werden – mit finanzieller Ausstattung”
Dafür sei es notwendig, neben der Stärkung der sozialen Sicherungssysteme auch für Chancengleichheit in der Bildung und gute berufliche Perspektiven für junge Erwachsene zu sorgen. „Die politische Bildung in den Schulen muss gestärkt werden – mit wirkungsvollen Unterrichtskonzepten, finanzieller Ausstattung, geschultem Personal und entsprechenden zeitlichen Freiräumen im Unterricht. Schneller geht es, wenn wir den Jugendlichen mehr Teilhabe an politischen Prozessen und Entscheidungen geben. Am besten funktioniert das über das Wahlrecht ab 16“, meinte Herrmann.
„Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, das es mit allen Mitteln zu verteidigen gilt. Doch wer mit extremistischen Äußerungen und Taten unsere freiheitlich demokratische Grundordnung in Frage stellt, ist im öffentlichen Dienst fehl am Platz“, betonte dbb Chef Ulrich Silberbach zum Auftakt des Ideencampus. Gerade der öffentliche Dienst als größter Arbeitgeber Deutschlands müsse eine Vorreiterrolle hinsichtlich Eindämmung und Bekämpfung demokratiefeindlicher Tendenzen übernehmen. „Die Dienstherren und Arbeitgebenden müssen die Rahmenbedingungen für wirksame Extremismusprävention schaffen. Das erwarten die Kolleginnen und Kollegen“, machte Silberbach deutlich.
Zu Verantwortung gehöre aber auch, Extremismus als gesamtgesellschaftliches Problem anzuerkennen. „Im Zeitalter von ‚hate-speech‘ und ‚fake-news‘ brauchen wir eine sachliche und fundierte Auseinandersetzung mit dem Thema Extremismus. Umso wichtiger ist es, genau hinzusehen und über die Gefahren aufzuklären, die von extremistischen Strömungen und ihren Akteurinnen und Akteuren für unser gesellschaftliches Zusammenleben ausgehen“, so der dbb Chef. News4teachers
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