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Im Unterricht übers Impfen diskutiert: Datenschützer geht gegen Lehrerin vor

ERFURT. In Thüringen fragte eine Lehrerin in einer Unterrichtsdiskussion ihre Schüler, ob sie sich impfen lassen würden. Eltern alarmierten den Landesdatenschützer, dessen Behörde einen Verstoß ausmachte. Doch das Bildungsministerium sieht das ganz anders.

Das Thema Impfen wird in der Gesellschaft breit diskutiert – mit Schülern darüber zu diskutieren, kann für Lehrkräfte aber offenbar zum Problem werden. Foto: Shutterstock

Das Büro des Landesdatenschutzbeauftragten wirft einer Lehrerin in Ostthüringen einen Datenschutzverstoß vor, weil sie in einer Deutschstunde Schüler fragte, ob sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen würden. Ein entsprechendes Schreiben habe das Bildungsministerium erhalten, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage.

Die Lehrerin habe die Schülerinnen und Schüler nach ihrer Impfbereitschaft gefragt, und das stelle nach Ansicht der Datenschutzbehörde eine unzulässige Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten dar, erklärte der Sprecher. Demnach sei noch vor Schuljahresbeginn am 31. August ein Prüfverfahren eröffnet worden, wie aus dem Schreiben hervorgehe. Welche Folgen der Prüfvorgang für die Lehrkraft haben könnte, war zunächst unklar.

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«Dieses neuerliche Verfahren des Landesdatenschutzbeauftragten gegen eine Lehrkraft alarmiert mich zutiefst»

Bildungsminister Helmut Holter (Linke) reagierte empört. «Dieses neuerliche Verfahren des Landesdatenschutzbeauftragten alarmiert mich zutiefst, und ich stelle mich auch dieses Mal vor die betreffende Lehrkraft», erklärte Holter. Es sei nicht hinnehmbar, dass Datenschutz gegen die pädagogische Freiheit in Stellung gebracht werde.

Hintergrund: Hasse hatte Lehrkräften mit Bußgeldern von bis zu 1.000 Euro angedroht, wenn sie im Distanzunterricht den Datenschutz missachten.

Holters Ansicht nach gehöre es zu zeitgemäßer Didaktik, Themen, die Schülerinnen und Schüler aktuell bewegen, aufzugreifen und gerade nicht auszuklammern. «Es muss Pädagoginnen und Pädagogen also selbstverständlich möglich sein, mit ihren Schülerinnen und Schülern auch über das Thema Impfen frei zu sprechen», erklärte Holter.

«Der Datenschutz ist ein hohes Gut, aber hier droht eine wichtige Grenze überschritten zu werden»

Der Minister sieht Lehrkräfte in ihrer Arbeit behindert – durch die Verfolgung Einzelner werde die Gesamtheit verunsichert. «Der Datenschutz ist ein hohes Gut, aber hier droht eine wichtige Grenze überschritten zu werden», meinte Holter. Er sehe eine Grundfrage der Bildung berührt und wolle seine Haltung dazu auch dem Datenschutzbeauftragten Lutz Hasse mitteilen.

Der Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse sagte, dass seine Behörde aufgrund einer Elternbeschwerde aktiv geworden sei. Er gab zu bedenken, dass es bei der Abfrage der Schülerinnen und Schüler möglicherweise auch um weltanschauliche Daten gegangen sein könnte. Auch dafür sei – je nach Alter der Schüler – gegebenenfalls eine Einwilligung der Eltern nötig.

Zudem wies er darauf hin, dass durch das besondere Verhältnis von Lehrern und Schülern die Antworten nicht freiwillig seien. «Die Schüler werden immer versuchen, auf die Fragen der Lehrer einzugehen», sagte Hasse. Dies nenne man Subordinationsverhältnis.

Hasse machte klar, dass es sich zunächst um einen Prüfvorgang handele. Man sammle noch Informationen. Bisher hatte bereits das Schulamt Ostthüringen Stellung bezogen, das das Vorgehen der Lehrerin durch die pädagogische Freiheit der Unterrichtsgestaltung gedeckt sieht. Hasse sagte auch, dass wenn sich herausstellen sollte, dass sich die Lehrerin keine Notizen von der Abfrage machte, sein Haus den Fall neu bewerten wolle. News4teachers / mit Material der dpa

Beauftragter ermittelt Datenschutz-Verstöße von Lehrern beim Fernunterricht in der Corona-Krise – er droht mit Bußgeldern

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