BERLIN. In immer mehr deutschen Kommunen wachsen die Zahlen der Neuansteckungen unter Schülerinnen und Schülern drastisch. Im Thüringer Unstrut-Hainich-Kreis liegt die Inzidenz bei Fünf- bis 14-Jährigen mittlerweile bei 1.204 – so hoch wie nirgends sonst in Deutschland, in keiner Altersgruppe. Ohnehin liegen vier von sieben Städten und Landkreisen mit extrem vielen Neuansteckungen unter Kindern und Jugendlichen in Thüringen. Zufall ist das offenbar nicht: In Ostdeutschland liegt die Impfquote bei Schülerinnen und Schülern signifikant unter der in Westdeutschland. Zudem hat Thüringen als erstes Bundesland faktisch alle Schutzmaßnahmen in Schulen gestrichen.

Sebastian Mohr, Physiker und Statistiker in einer Wissenschaftler-Gruppe um die Max-Planck-Forscherin Viola Priesemann, sammelt aktuelle Corona-Daten und veröffentlicht sie fortlaufend in einer Übersichtskarte mit Inzidenzen in den Städten und Kreisen in Deutschland, die sich auch nach Alter spezifizieren lässt.
Notfallmediziner Dr. Roshan Mamarvar erläutert verschieden Gründe, warum eine Durchinfektion der Kinder in Deutschland keine gute Idee ist.
Er bedauert das Aufheben von Schutzmaßnahmen für Kinder sehr und ruft dazu auf, Kinder so bald wie möglich impfen zu lassen. pic.twitter.com/YMa58s9804— Eso | #NoCovid #YesToNoCovid 🤜🦠🤛 (@EsoInfo1) October 3, 2021
In sieben deutschen Städten und Landkreisen sind danach die Inzidenzen unter fünf- bis 14-jährigen Schülerinnen und Schülern auf Werte über 500 gestiegen – vier davon liegen in Thüringen. Spitzenreiter ist der Unstrut-Hainich-Kreis, wo die Inzidenz in der Altersgruppe auf 1.204 gestiegen ist. Im Landkreis Prignitz (Brandenburg) stecken sich aktuell 938 Kinder auf 100.000 Menschen bezogen binnen sieben Tagen mit dem Coronavirus an, in Eisenach (Thüringen) 690, im Saale-Orla-Kreis (Thüringen) 520, im Landkreis Nordhausen 518 (Thüringen). Darüber hinaus sind die Städte Hagen (Nordrhein-Westfalen) mit 573 und Pforzheim (Baden-Württemberg) mit 505 von hohen Inzidenzen unter Schülerinnen und Schülern betroffen.
„Dieses Schuljahr ist ein Präsenzschuljahr. Wir wollen die Schulen offen lassen“
Die Ballung in Thüringen ist offenbar kein Zufall: Der Freistaat weist nach Sachsen (26,1) und Sachsen-Anhalt (27,2) die niedrigste Impfquote unter 12- bis 17-jährigen Schülerinnen und Schülern auf, wie eine aktuelle Übersicht des Robert-Koch-Instituts ausweist, über die News4teachers berichtet. Darüber hinaus hat die Landesregierung unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) praktisch alle Corona-Schutzmaßnahmen in Schulen gestrichen. Es gibt keine Schnelltests mehr – und keine Maskenpflicht im Unterricht. Mobile Luftfilter wurden kaum angeschafft. Damit hat das Virus unter ungeimpften Kindern und Jugendlichen praktisch freie Bahn.
„Dieses Schuljahr ist ein Präsenzschuljahr“, so hatte Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) am Ende der Sommerferien erklärt. Und betont: „Wir wollen die Schulen offen lassen.“ Vom Bildungsministerium werde es aus heutiger Sicht keine Anordnung geben, Schulen zu schließen, betonte Holter. Es könne zwar sein, dass ein Gesundheitsamt nach einem Infektionsausbruch in einer Schule zu einer anderen Entscheidung komme. Das sei dann aber keine Entscheidung des Bildungsministeriums. „Denkbar sind nur Einzelfälle beim Ausbruch von Infektionen in der Einrichtung“, sagte Holter. In Thüringen sind derzeit keine Schulen geschlossen.
Thüringen verzeichnet fast viermal so viele Sterbefälle in der Pandemie wie das Bundesland mit der niedrigsten Quote
Dass Ausbrüche dort erkannt werden, bleibt allerdings dem Zufall überlassen. Denn flächendeckende Tests, die ein Infektionsgeschehen unter Schülerinnen und Schülern anzeigen würden, gibt es seit drei Wochen im Freistaat nicht mehr. Stattdessen gilt: Kinder und Jugendliche sollen bei Symptomen von Haus- und Kinderärzten getestet werden. Umso erstaunlicher, dass die Inzidenzen in dieser Altersgruppe im Freistaat geradezu explodieren. Die Dunkelziffer dürfte erheblich sein.
Da in Thüringen an den Schulen nicht mehr getestet wird, sieht man jetzt in den Zahlen mutmaßlich nur noch die symptomatischen Infektionen. Die Zahlen in Thüringen im Bereich 5…14 sind dennoch die höchsten in Deutschland. Aber Kinder werden ja nicht krank…#sichereOrte https://t.co/JgaVbuH3fm
— Kruegerol (@kruegerol) October 11, 2021
Thüringen verzeichnet mit 209 Corona-Toten auf 100.000 Einwohner fast viermal so viele Sterbefälle in der Pandemie wie das Bundesland mit der niedrigsten Quote, Schleswig-Holstein (59). News4teachers
