Angesichts neuer Herausforderungen durch den gesellschaftlichen und technischen Wandel benötigen die Schulen in Rheinland-Pfalz nach Worten von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) einen Innovationsschub. «Unsere Gesellschaft steht vor einem Zeitalter der Transformation. In vielen Bereichen wird die Welt schon in wenigen Jahren ganz anders aussehen als heute. Wenn wir unsere Kinder und Jugendlichen darauf vorbereiten wollen, müssen wir zuerst unsere Schulen fit für diese Zukunft machen», so die Ministerpräsidentin.
Die Pandemie habe zu einem Innovationsschub geführt und gezeigt, dass die Schulen flexibel und innovativ seien. Viele neue Ideen, neue Lehr- und Lernformen oder die digitalen Möglichkeiten würden bereits diskutiert und gelebt, sagte Dreyer am Freitag in Mainz beim Bildungskongress «Schule der Zukunft».
Unsere Schülerinnen und Schüler wie unsere Lehrkräfte stehen dabei immer im Fokus
Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) warf Fragen auf, die dabei geklärt werden sollen: «Wie sehen unsere Schulen der Zukunft aus? Welche Rolle spielt die Digitalisierung? Welche der Sozialraum? Welche Lehr- und Lernmethoden gewinnen an Bedeutung? Das sind einige von vielen Fragen, denen wir uns gemeinsam stellen. Bei allem, was wir dabei gemeinsam erarbeiten und entwickeln, bleibt eines für mich ganz zentral: Unsere Schülerinnen und Schüler wie unsere Lehrkräfte stehen dabei immer im Fokus. Die Schule der Zukunft erarbeiten wir deshalb mit ihnen und für sie.» Von einer Beteiligung der Lehrerverbände war allerdings zum Auftakt wenig zu hören.
Die Tagung mit 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist der offizielle Startschuss für einen von der Landesregierung angestoßenen, angeblich breit angelegten Beteiligungsprozess, bei dem Politiker, Bildungsexperten und Vertreter der Schulgemeinschaft Ideen zur Weiterentwicklung der Schulen in dem Bundesland sammeln wollen. Dabei soll es unter anderem um Digitalisierung sowie die Erprobung neuer Unterrichtsformate und Lehrinhalte gehen. Am Ende dieses Prozesses werde es nicht nur eine einzige «Leuchtturmschule» geben, betonte Dreyer. Jede Schule werde ihre eigenen Schwerpunkte setzen können. Wichtig sei es, dass die Schulen den Heranwachsenden die Fertigkeiten vermittelten, damit sie mit der neuen Informations- und Wissenskultur zurechtzukommen können.
Dass es dabei durchaus kontrovers werden könnte, ließen einzelne Beiträge zumindest erahnen. Prof. Matthias Busch, Politikdidaktiker und Experte für digitale Bildung von der Uni Trier, betonte etwa, dass es bei der angestrebten weiteren Digitalisierung der Schulen nicht nur um die Ausstattung mit Geräten gehe, sondern auch um geeignete Lehrkonzepte. «Ein Mehr an digitalen Medien führt nicht unbedingt zu besserem Unterricht», betonte er.
Hubig erklärte, zu den Aufgaben der nächsten Wochen und Monate gehöre das Sammeln von Ideen und Setzen von Impulsen. Zunächst solle es bis Mitte Dezember einen digitalen Beteiligungsprozess auf breiter Basis geben. In einem nächsten Schritt würden dann zu Beginn des nächsten Jahres regionale «Townhalls» angeboten. Bei diesen Versammlungen könnten Ideen vorgestellt und entwickelt werden. Als dritte Stufe werde dann die Wissenschaft in einem «Zukunftsboard» enger eingebunden.
Für das Projekt werden nach ihren Angaben im nächsten Jahr sieben Millionen Euro und danach zehn Millionen Euro bereitgestellt. Die Politik gebe damit zwar den Rahmen vor, aber die Schulen müssten sich selbst auf den Weg machen. Die ersten Pilotschulen, die für die Umsetzung von einzelnen Maßnahmen Mittel aus dem Fonds erhalten, könnten dann im Laufe des Schuljahrs 2022/2023 starten. Wer von den Bewerbern in der ersten Runde nicht dabei sei, könne zu einem späteren Zeitpunkt auch noch dazustoßen, sagte sie.
Philologen fordert sinnvolle Veränderungen im Schulalltag statt das Schulsystem komplett umzukrempeln
Die Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU) begrüßte den nun eingeschlagenen Weg. Der Wirtschaftsstandort sei auf gut ausgebildeten und selbstständig denkenden Nachwuchs angewiesen, sagte Hauptgeschäftsführer Karsten Tacke. Vor diesem Hintergrund sei eine stärkere Verzahnung von Schule und Wirtschaft notwendig. Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Prozess sei es, alte Denkmuster zu durchbrechen. Tacke sprach sich für «multiprofessionelle Teams und interdisziplinär lernende Schülergruppen» aus. All dies werde Geld kosten. «Allerdings ist der Preis für eine unambitionierte oder gar verschlafene Reform unseres Bildungssystems noch höher», sagte er.
Zum Auftakt kam von Lehrerseite: Schweigen. Von keinem der Verbände gab es zum Auftakt des Beteiligungsprozesses eine Stellungnahme. Der Philologenverband hatte die Konferenz im Vorfeld scharf kritisiert. Landesvorsitzende Cornelia Schwartz zeigte sich in «Sorge, dass wir auf Irrwege geraten». Statt das Schulsystem komplett umzukrempeln, seien «sinnvolle Veränderungen im Schulalltag zu etablieren, die uns allen wirklich weiterhelfen».
Die GEW startete in dieser Woche eine Petition – sie fordert, Grundschullehrkräfte wie die Kolleginnen und Kollegen an den Gymnasien nach A13 zu bezahlen. Als Beitrag zur «Schule der Zukunft» wollte die Gewerkschaft ihre Forderung ausdrücklich nicht verstanden wissen: «Jetzt – und nicht irgendwann!». News4teachers / mit Material der dpa
„Schlag ins Gesicht jeder Lehrkraft“: Philologen kritisieren Hubigs „Schule der Zukunft“
