DÜSSELDORF. Von Regelbetrieb ist die Rede, wenn Kultusminister über das sprechen, was derzeit in den Schulen geschieht. Doch von normalem Unterricht kann kaum gesprochen werden – meint eine News4teachers-Leserin in ihrem folgenden Gastkommentar. Das Chaos sei kaum mehr zu ertragen. Zumal es sie von drei Seiten bedrängt: als Lehrerin, als Frau eines Lehrers und als Mutter von drei Kindern. “Ich bin durch”, schreibt sie.
„Möglichst lange Präsenzunterricht“ ist eine super Devise, die derzeit ziemlich viele in den Mund nehmen. Was ist denn los an Deutschlands Schulen? Was wird denn befürchtet?
Kann es denn noch viel schlimmer werden, als es gerade schon ist? Noch 4,5 Wochen bis Weihnachten und wir Lehrer*innen unterrichten was das Zeug hält. Es ist toll, dass man Kontakt zu Schülern*innen hat, denn der Beruf ist für viele Lehrer*innen eine Berufung und nicht nur ein Beruf.
Deutsch in der Klasse 11 und man befindet sich in einem Raum mit 29 Schüler*innen, die alle Fenster geschlossen haben, weil „es zieht“
Doch wie sieht der Alltag aus? Man kommt in die Schule, der Desinfektionsspender ist leer oder siffig, wenn man noch kurz auf die Toilette will vor dem Unterrichtsbeginn, dann wäscht man sich danach die Hände mit kaltem Wasser und freut sich, wenn irgendein netter Kollege einen Fa-Seifenspender spendiert hat.
Dann geht es in die Klasse. Deutsch in der Klasse 11 und man befindet sich in einem Raum mit 29 Schüler*innen, die alle Fenster geschlossen haben, weil „es zieht“ und man erinnert ans Lüften und daran, dass Masken getragen werden sollen.
Anschließend Unterricht in Klasse 5. Luftfilter ist da. Juhu. Aber die Schüler*innen klären mich auf, dass er kaputt sei und man ihn als Abstellplatz für Ordner verwendet. Die Reparatur kann nur von einer Spezialfirma gemacht werden und diese ist ausgebucht.
Also öffnen wir ein paar Fenster und die Kinder rufen nach Maskenpause! Der andere Lehrer würde sie auch immer gemeinsam im Raum frühstücken lassen.
Warum auch nicht, die Schüler*innen sitzen ja auch um eins alle in der Mensa und essen gemeinsam. Und einige Schüler*innen tragen die Maske gar nicht und wenn ich sie daran erinnere, dann kommen Kommentare wie „ja… ja… sonst sterben wir ja alle!“.
Einige Kinder sitzen mit FFP2 Maske, andere ohne bzw. mit Maske unter dem Kinn und man kann sie ständig daran erinnern, die Maske hochzuziehen. In meinem Fach im Lehrerzimmer liegen heute zum zweiten Mal seit Beginn der Pandemie drei Masken. Wie nett. Der Arbeitgeber hat ein Herz.
Tests gibts für geimpfte Lehrkräfte nicht. Und jeden Tag bete ich, dass die Impfung hält, denn natürlich rede ich mit Kindern und natürlich stehen die manchmal `vor mir ohne Abstand und erzählen, was sie auf dem Herzen haben und das ist auch gut so.
Im Einzelgespräch sitze ich mit einer Kollegin, die die Maske abzieht, sie sei ja geimpft und hätte nicht so ein Angstproblem mit Corona
Aber seit einigen Wochen verschwinden immermal Schüler*innen und dann heißt es über den Buschfunk, dass XY Corona hat und dann kommt ein entsetzter Klassenlehrer in meinen Unterricht und holt die Sachen der Schülerin ab um diese den Eltern zu übergeben.
In einer Parallelklasse ist die Cousine des Mädchens, die aber weiter zur Schule kommt.
Einige Klassen sind ganz im Homeschooling. Wir Lehrer*innen bleiben aber natürlich in der Schule, weil sonst gibt es Personalmangel.
Im Lehrerzimmer sitzen Lehrer ohne Maske, im Einzelgespräch sitze ich mit einer Kollegin, die die Maske abzieht, sie sei ja geimpft und hätte nicht so ein Angstproblem mit Corona. Ok. Ich habe aber Eltern, denen ich diese Krankheit nicht mitbringen möchte, also zieht sie die Maske dankenswerter Weise wieder an.
Ein Schüler hustet in der 7. Klasse. Die Eltern behaupten, das Kind ist negativ getestet, per Unterschrift. Doch da es dem Kind zu Hause schlechter geht und man zum Kinderarzt geht, dieser einen PCR-Test macht und dieser positiv ist, wird der Klasse dann fairerweise mitgeteilt, dass es „einen Coronafall“ gibt und dass man sich bitte testen möge. Die Mutter ruft an und behauptet , die Schnelltests seien weiterhin – trotz positivem PCR-Test- negativ. Vielleicht ist das ihr Umgang mit ihrem schlechten Gewissen, dass sie das Kind möglicherweise doch nicht getestet hatte vorher und – nur unterschrieben?
Ein Mädchen in Klasse 10 sitzt da wie ein Glühwürmchen. „Darf ich nach Hause? Rufen Sie bitte meine Mutter an? Ich habe ihr heute Morgen schon gesagt, dass es mir nicht gut geht. Sie wollte, dass ich in die Schule gehe!“ Ich rufe an und unterhalte mich mit einer Mutter, die ich davon überzeugen muss, dass ihre Tochter Fieber hat.
Vetretung. In Klasse 8. Ich kontrolliere die Anwesenheit. Ein Schüler fehlt. „Der hat Corona. Wir sollen uns jetzt alle 5 Tage lang testen und keiner soll in Quarantäne.“. Ach ja, die neuen Regeln unseres Kultusministers.
Ich bin Mutter, habe drei Kinder und einen Mann im Schuldienst.
Ich bin durch.
Hilfe.
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Eine Mutter redet Klartext: Meine Kinder sitzen mit Angst im Präsenzunterricht!