BERLIN. Heute läuft die zweite Runde der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Länder – und damit für die meisten der angestellten Lehrkräfte in Deutschland. Bislang haben die Arbeitgeber den Gewerkschaften kein Angebot vorgelegt und stattdessen deren Forderungen zurückgewiesen. Dabei geht es um fünf Prozent, mindestens jedoch 150 Euro mehr Gehalt. Dient die Einigung in Hessen vor zwei Wochen als Vorbild? Die GEW appelliert an die Finanzminister, sich zu bewegen.
Der Auftakt der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder war vor drei Wochen in Berlin ohne Ergebnis geblieben. „Der Auftakt ist absolut enttäuschend. Die Arbeitgeber blenden die Realität aus und wollen weder die Leistung der Beschäftigten anerkennen noch die Preisentwicklung zur Kenntnis nehmen. Das ist ein fatales Signal an alle Länderbeschäftigten, insbesondere im Gesundheitswesen, die während der Pandemie Herausragendes geleistet habe“, betonte der Vorsitzende der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), Frank Werneke, nach der ersten Verhandlungsrunde. Begleitet wurde der Auftakt von mehreren hundert Demonstrierenden, die ihre Forderungen am Verhandlungsort zum Ausdruck brachten.
Die Gewerkschaften fordern für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Länder eine Einkommenserhöhung um 5 Prozent, mindestens aber 150 Euro bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Beschäftigte des Gesundheitswesens sollen tabellenwirksam monatlich 300 Euro mehr erhalten. Die Ausbildungsvergütungen sollen um 100 Euro angehoben werden.
“Der öffentliche Dienst muss an andere Branchen angeglichen werden, um der starken Fluktuation entgegenzuwirken”
„Wir brauchen jetzt Reallohnsteigerungen. Die Beschäftigten müssen nicht nur den Preisanstieg bewältigen können, sondern sie müssen zusätzlich auch noch mehr Geld in die Taschen bekommen, um mit anderen Bereichen Schritt halten zu können. Der öffentliche Dienst muss an andere Branchen angeglichen werden, um der starken Fluktuation entgegenzuwirken und Fachkräfte zu motivieren, in den öffentlichen Dienst einzusteigen“, erklärte Werneke. „In der Pandemie wurde und wird immer deutlicher, wie wichtig die Arbeit der Beschäftigten im Gesundheitswesen, in der IT und vielen anderen Bereichen ist.“ Werneke kritisierte zudem die Forderungen der TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder), das Eingruppierungssystem verändern zu wollen, um dadurch massiv Herabgruppierungen zu erreichen. „Ein solches Vorgehen lehnen wir strikt ab“, betonte der ver.di-Chef.
Modellhaft könnte die Einigung in Hessen werden, wo sich GEW, ver.di und die anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes vor zwei Wochen mit dem Land auf Einkommenszuwächse für die weit über 45.000 Tarifbeschäftigten des Landes geeinigt hatten. Hessen gehört als einziges Bundesland der Tarifgemeinschaft der Länder nicht an.
Noch in diesem Jahr erhalten die Beschäftigten dort eine steuer- und abgabenfreie Corona-Sonderzahlung in Höhe von 500 Euro. Eine zweite Corona-Sonderzahlung in derselben Höhe wird spätestens im März 2022 ausgezahlt. Die Tabellenentgelte im Bereich des TV-Hessen werden in zwei Schritten erhöht. Zum 1. August 2022 steigen sie um 2,2 Prozent, zum 1. August 2023 um weitere 1,8 Prozent, mindestens 65 Euro. Die Laufzeit der Regelung beträgt 28 Monate bis zum 31. Januar 2024. Das Tarifergebnis soll auch auf die Beamtinnen und Beamten übertragen werden.
Der Verhandlungsführer der GEW Hessen, Daniel Merbitz, erklärte dazu: „Die Verhandlungen waren angesichts der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen schwierig, und das Ergebnis hat Licht und Schatten. Einer der Wirtschaftskrise geschuldeten verhaltenen Entgeltentwicklung bis Januar 2024 stehen aus Sicht der GEW durchaus positiv zu bewertende Regelungen gegenüber. Unter anderem ist es endlich gelungen, eine tarifliche Regelung zur Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte abzuschließen.“
„Mit dem Tarifvertrag haben wir für viele Beschäftigte an Hessens Schulen deutliche Verbesserungen erzielt“
Während in allen anderen Bundesländern die Eingruppierung seit mehreren Jahren durch einen Tarifvertrag festgelegt ist, war das in Hessen nicht der Fall. Bisher regelt ein einseitig durch das Land festgelegter Erlass die Eingruppierung der rund 11.000 angestellten Lehrkräfte in Hessen. GEW und Land Hessen hatten seit September 2020 über spezifisch hessische Tarifregelungen verhandelt. Die neue Lehrkräfte-Eingruppierung tritt am 1. August 2022 in Kraft.
„Mit dem Tarifvertrag haben wir für viele Beschäftigte an Hessens Schulen deutliche Verbesserungen erzielt“, so Merbitz weiter. „Voll ausgebildete Grundschullehrkräfte sind zukünftig eine Entgeltgruppe höher eingruppiert. Verbesserungen bei der Bezahlung gibt es auch für die nicht voll ausgebildeten Lehrkräfte im Bereich der Sekundarstufe I. Mehr Geld erhalten auch diejenigen Beschäftigten ohne formale Lehramtsbefähigung, die seit vielen, vielen Jahren in der Entgeltgruppe 5 oder 6 feststecken, obwohl sie zum Teil sogar Schulklassen leiten.“
Mit Blick auf die heutige zweite Verhandlungsrunde der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder appelliert die GEW Sachsen an das sächsische Finanzministerium, seinen Einfluss auf die Tarifgemeinschaft der Länder geltend zu machen, so dass diese ihre Verweigerungshaltung aufgibt.
„Auch in dieses Schuljahr sind wir vielerorts wieder mit einem Mangel an Lehrkräften gestartet. Darunter leiden Kinder und Eltern, darunter leiden aber auch die Lehrkräfte im System. Dabei haben gerade sie in den letzten eineinhalb Jahren mit großem Engagement dafür gesorgt, dass die Lernrückstände bei Schülerinnen und Schülern aufgrund der Schulschließungen in der Pandemie nicht überhandnehmen. Dies erfordert nun auch eine finanzielle Anerkennung von Seiten der Arbeitgeber“, meint Uschi Kruse, sächsische GEW-Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW. „Die Arbeitgeber wissen seit langem, dass jetzt eine Einkommensrunde stattfindet. Die üblichen Rituale sind in Anbetracht von vielen schwierigen Pandemiemonaten völlig unangemessen. Zudem: die allgemein steigenden Lebenshaltungskosten bei Miete, Energie und Lebensmitteln machen auch vor den Beschäftigten der Länder nicht halt“, so betont Kruse. News4teachers