Website-Icon News4teachers

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: Dreyer halbiert die Zahl der Corona-Tests in Schulen – bei steigenden Inzidenzen

MAINZ. Rheinland-Pfalz verzeichnet deutlich steigende Infektionszahlen insbesondere unter Kindern und Jugendlichen. Doch statt die Schutzmaßnahmen in Schulen heraufzufahren – halbiert die Landesregierung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ab morgen die Taktung der Tests unter Schülerinnen und Schülern. Statt wie bislang zwei (wie es seinerzeit auch die Notbremse der Bundesregierung vorsah), gibt es in Rheinland-Pfalz künftig nur noch einen Schnelltest in der Woche. Das Beispiel Thüringen schreckt offensichtlich nicht.

Lässt locker: die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Foto: © Staatskanzlei RLP/ Elisa Biscotti

Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß: Wenige Tage vor der Bundestagswahl hatte die von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) geführte Landesregierung von Thüringen den Corona-Schutz in Schulen praktisch aufgehoben. Vor allem gab es keine Schnelltests mehr – und keine Maskenpflicht im Unterricht. Mobile Luftfilter wurden kaum angeschafft. Damit hatte das Virus unter ungeimpften Kindern und Jugendlichen praktisch freie Bahn. Das offenkundige Kalkül: Ohne die regelmäßigen Tests in den Schulen würden die Infektionen unter Kindern und Jugendlichen kaum mehr auffallen. Nur noch Schülerinnen und Schüler mit Symptomen sollten sich testen lassen, und zwar beim Arzt.

Das Experiment ist krachend gescheitert: In einzelnen Landkreisen schossen die Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen auf bis zu 1.500 hoch (wohlgemerkt: eben ohne die Tests in den Schulen, die gerne von Kultusministern als Begründung dafür hergenommen werden, warum die Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen seit Monaten über denen von Erwachsenen liegen). Aktuell nähert sich Thüringen dem Corona-Notstand.

Anzeige

Die Intensivstationen laufen währenddessen weiter voll. Zuletzt waren im Schnitt fast neun von zehn Intensivbetten belegt

Auch am Wochenende hat sich der rasante Anstieg der Corona-Zahlen im Freistaat fortgesetzt. Die Sieben-Tage-Inzidenz sprang laut Robert Koch-Institut (RKI) erstmals seit Beginn der Pandemie über die 400er-Marke, zugleich rutschte mit dem Landkreis Nordhausen die letzte Kommune in die höchste Corona-Warnstufe drei. Damit gilt ab Montag in allen Kreisen und kreisfreien Städten doch wieder die Testpflicht an Schulen – außerdem müssen alle Schüler im Unterricht wieder Maske tragen. Kinder in Kindergärten dürfen nur noch in festen Gruppen betreut werden.

Die Intensivstationen laufen währenddessen weiter voll. Zuletzt waren im Schnitt fast neun von zehn Intensivbetten (88,1 Prozent) im Freistaat belegt. In knapp jedem fünften (18,4 Prozent) Bett lag ein Covid-19-Patient, wie am Sonntagmittag aus dem Register der Intensivmedizinervereinigung Divi hervorging.

Ramelow hatte zuvor gewarnt, dass Ungeimpfte wegen der vollaufenden Intensivstationen schon bald nicht mehr behandelt werden könnten. In den nächsten Tagen werde man in die Situation kommen, dass es im Land nicht mehr genug Intensivbetten gibt, hatte er dem ZDF gesagt. Den Menschen werde geholfen, allerdings gebe es keine Garantie, dass sie auch in ihrem Heimatbundesland behandelt würden. Anders ausgedrückt: Andere Bundesländer sollen ausbaden, was die Landesregierung verbockt hat. Warnende Stimmen vor der Streichung der Testpflicht und der Maskenpflicht in den Schulen hatte es genug gegeben.

In drei rheinland-pfälzischen Landkreisen liegen die Sieben-Tage-Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen bereits über 500

Die gibt es aktuell auch in Rheinland-Pfalz, das zwar ebenfalls einen lockeren Corona-Kurs in Schulen fährt und etwa die Maskenpflicht im Unterricht schon seit längerem ausgesetzt hat, das aber – anders als Thüringen – Glück hatte, dass die nach oben laufende Infektionskurve durch frühzeitige Herbstferien unterbrochen wurde. Die sind nun zwei Wochen vorbei – und die Ansteckungsquoten unter Schülerinnen und Schülern schießen wieder nach oben.

In drei rheinland-pfälzischen Landkreisen liegen die Sieben-Tage-Inzidenzen unter Fünf- bis 14-Jährigen bereits über 500. Den Tiefpunkt erreicht Cochem-Zell mit einem Wert von 605. Die Schulen sind offensichtlich die Treiber der Pandemie: Erst am Donnerstag hat Gesamt-Inzidenz in Rheinland-Pfalz nach längerer Zeit wieder die 100er-Marke überschritten. Auch die anderen beiden Corona-Warn-Werte, die Hospitalisierungsinzidenz und die Belegung der Intensivbetten, steigen deutlich.

Die Entwicklung wäre Anlass genug, die Sicherheitsmaßnahmen in Schulen heraufzufahren. Tatsächlich aber werden sie gelockert. Ab dem morgigen Montag werden Schülerinnen und Schüler im Land nur noch einmal statt bisher zwei Mal pro Woche auf das Coronavirus getestet. Vorgeblich geht es dem von Stefanie Hubig (SPD) geführten Bildungsministerium um die hohen Kosten für die Tests (die waren auch in Thüringen angeführt worden). Das offensichtliche Kalkül ist allerdings: die offiziellen Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen zu senken. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.

Doch an dieser Strategie wird Kritik laut. „Hoffentlich denkt das Ministerium nochmal darüber nach, die Tests wieder zu erhöhen und mehr zu testen”, sagt GEW-Landesvorsitzender Klaus-Peter Hammer, einem Bericht des SWR zufolge. Wenn die Schulen trotz steigender Infektionszahlen und mehr Menschen mit Covid-19 auf den Intensivstation geöffnet bleiben sollen, seien Tests ein wichtiges Mittel. Auch die Landesschülervertretung (LSV) sieht die reduzierten Corona-Tests in Schulen kritisch angesichts der steigenden Infektionszahlen. „Wir verstehen das Argument der hohen Kosten“, sagt LSV-Sprecher Colin Haubrich. „Aber sollte es uns das nicht wert sein?“

Die Landesregierung in Mainz ficht das genauso wenig an wie das abschreckende Beispiel Thüringen. „Wir sehen, die meisten Infektionen finden im privaten Umfeld statt”, beteuert der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) im SWR. Und: „Die Schule ist ein sicherer Ort.” Das hatte die Thüringer Landesregierung auch behaptet. News4teachers / mit Material der dpa

RKI: Bundesweite Inzidenz unter Sek.-I-Schülern springt auf 356! Landkreis meldet Rekordwert bei Kindern von fast 2.000

Die mobile Version verlassen