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Philologen: Kurzfristige Schulschließungen dürfen kein Tabu mehr sein – sonst droht viel Schlimmeres

STUTTGART. Angesichts des explodierenden Infektionsgeschehens unter Kindern und Jugendlichen fordert der Philologenverband Baden-Württemberg jetzt endlich ein entschiedenes Vorgehen der Politik. „Jede Überlegung zur Sicherung des Schulbetriebs muss jetzt auf den Tisch! Auch Schulschließungen dürfen angesichts der Corona-Infektionslage kein Tabu mehr sein“, so heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. „Wird jetzt nicht entschlossen gehandelt, drohen uns Schulschließungen von Januar bis März.“

Sind Schulschließungen überhaupt noch zu vermeiden? Foto: Shutterstock

„Die aktuelle Corona-Krise war vorhersehbar. Wir haben es mit einem kolossalen politischen und gesamtgesellschaftlichen Versagen zu tun. Wie schon im letzten Jahr wurde der gesamte Herbst verschlafen, und ebenso wie alle Bürger zahlen jetzt insbesondere die Schulen wieder den Preis dafür“, meint der Landesvorsitzende Ralf Scholl. Der Philologenverband vertritt Gymnasiallehrkräfte. Angesichts der extrem hohen Inzidenzwerte von über 1.000 in der Altersgruppe der 5-14-Jährigen in 27 der 44 Kreise in Baden-Württemberg sowie einer Inzidenz von über 800 in sechs weiteren Kreisen sei die Lage an den Schulen zur Zeit sehr beunruhigend.

Das Landesgesundheitsamt weist aktuell landesweit für Fünf- bis Neunjährige eine Inzidenz von rund 1.200 aus, für Zehn- bis 19-Jährige von rund 1.100.

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Quelle: Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg

Selbst nach den unvollständigen Zahlen des Kultusministeriums (nicht alle Schulen können positive Testergebnisse zeitnah zurückmelden) seien mittlerweile zwei Drittel aller Gymnasien von Corona-Fällen betroffen, so melden die Philologen. In vielen Gymnasien gebe es vier, fünf oder mehr Klassen, in denen sich Schüler in Quarantäne befinden. Durch Lehrkräfte in Quarantäne seien viele weitere Klassen betroffen.

Die Schulleitungen übernähmen notgedrungen seit zwei Wochen die Aufgaben der überlasteten Gesundheitsämter, darunter die Kontaktierung von Eltern positiv getesteter Schüler, die Information betroffener Klassen, dass sie jetzt fünf Tage lang täglich getestet werden und keinen Kontakt mit Schülern anderer Klassen mehr haben dürfen sowie die entsprechende schulische Organisation und letztlich das Bemühen um eine Nachverfolgung der Kontaktpersonen.

„Die Empfehlungen von RKI und Wissenschaft für die Schulen müssen endlich komplett umgesetzt werden!”

„Das Kultusministerium versucht, auf Biegen und Brechen die Schulen bis zu den Weihnachtsferien offen zu halten, was auf sträflichen Leichtsinn und chronische Entscheidungsschwäche zurückzuführen ist: Man hat den Zeitpunkt für sanftere Maßnahmen längst verpasst und scheut die Verantwortung für die jetzt notwendigen, harten Maßnahmen“, kritisiert Scholl.

Er fordert: „Die Empfehlungen von RKI und Wissenschaft für die Schulen müssen endlich komplett umgesetzt werden! Schulen dürfen nicht mehr anders behandelt werden als der Rest der Gesellschaft – weder härter noch großzügiger. Nur mit einem Gesamtkonzept bringen wir die Pandemie unter Kontrolle. Die bisherigen Maßnahmen sind nicht ausreichend: Wir brauchen jetzt schnell fallende Infektionszahlen!“

Die Empfehlungen des Robert-Koch-Institut beinhalten die Einführung der Abstandsregel in den Klassenräumen, wenn die Inzidenz in einer Region über 50 steigt (was in Baden-Württemberg durchgängig der Fall ist). Der Philologenverband bemängelt darüber hinaus:

„Statt diese wichtigen und dringenden Probleme konsequent anzugehen, beschäftigt sich das Kultusministerium offenbar lieber mit sich selbst“, meint der Philologen-Chef. Hintergrund: Das Realschulreferat soll laut einem Medienbericht aufgelöst und unter die Leitung des Referats für Gemeinschaftsschulen gestellt werden – ein Politikum. „Es stelle sich die Frage, ob hier eine Abschaffung der Realschulen durch die Hintertür organisatorisch vorbereitet werden soll“, so Scholl. Für den Philologen-Chef ist das Timing einer solchen Maßnahme – unabhängig von den politischen Konsequenzen – mitten im Höhepunkt der Pandemie indiskutabel.

Scholl: „Statt die Schulen möglichst coronasicher zu machen und sich um die Behebung der Lerndefizite zu kümmern, beschäftigt sich das Kultusministerium mit der Planung von unnötigen internen Umstrukturierungen.“ News4teachers 

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