BERLIN. Die künftige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Karin Prien, ist für Impfungen gegen Corona in Schulen, aber gegen die Anschaffung von mobilen Luftfiltern. Für Schulschließungen gebe es keinen Grund, meint sie. Und keine Rechtsgrundlage. Grundsätzlich möchte sie nach eigenem Bekunden mehr Wissenschaftlichkeit in der Schulpolitik – und weniger Ideologie. So weit, dass sie in Sachen Corona-Schutz den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts folgen möchte, geht die Liebe zur Wissenschaft dann aber doch nicht. Mit diesen Positionen will Prien stellvertretende CDU-Vorsitzende unter Friedrich Merz werden.
«Schleswig-Holstein war Anfang August das erste Land mit flächendeckenden Impfungen an weiterführenden Schulen», sagte Prien, die Bildungsministerin in dem Bundesland ist, in einem Interview mit dem «Handelsblatt». «Bei uns sind schon mehr als 70 Prozent der 12- bis 17-Jährigen zumindest einmal geimpft, damit liegen wir ganz weit vorn.» Schleswig-Holstein übernimmt 2022 die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz (KMK). Prien folgt als Präsidentin auf Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD).
Prien, die bereits dem „Kompetenzteam“ von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet angehörte und nun auch Vize-Vorsitzende der CDU werden möchte, ist gegen eine Verlängerung der Weihnachtsferien, wie sie etwa vom Robert Koch-Institut (RKI) gefordert wird. «Für eine solche flächendeckende Schulschließung in allen Bundesländern gibt es aus meiner Sicht weder eine Rechtsgrundlage noch eine sachliche Begründung.» Trotz der Omikron-Variante des Coronavirus dürften Schulen nur im äußersten Notfall geschlossen werden. Für den Unterricht empfiehlt Prien den Einsatz von sogenannten CO2-Ampeln, die anzeigen, wann es Zeit zum Lüften ist. Sie kosteten deutlich weniger als 100 Euro, sagte sie.
Das Stoßlüften alle 20 Minuten für zwei bis drei Minuten ist nach Priens Worten «durchaus zumutbar». Luftfilter hingegen sieht sie kritisch: Ihr Nutzen sei gering. Weshalb hat dann Schleswig-Holsteins Nachbarland Hamburg sämtliche Klassenräume mit Luftfiltern ausstatten lassen? Prien behauptet: «Auch Hamburg hat keine niedrigeren Infektionszahlen an Schulen als etwa Schleswig-Holstein. Ganz wichtig: Die Geräte ersetzen das Lüften nicht. Wenn sie dazu verführen, weniger zu lüften, wäre das katastrophal. Zudem werden sie vor Ort teilweise schon wieder abgeschafft, weil sie so laut sind und sehr viel Strom brauchen.»
«Die Lautstärke von mobilen Luftfiltern – die oft als Argument gegen sie angeführt wird – ist in der Praxis kein Problem»
Auch hier hakt es allerdings mit der Wissenschaftlichkeit: «Die Lautstärke der Geräte – die oft als Argument gegen sie angeführt wird – ist in der Praxis kein Problem. Sie sind nicht laut. Es reicht auch aus, normal zu lüften. Schüler und Lehrer müssen also im Winter nicht bei offenen Fenstern im Unterricht sitzen», sagt jemand, der es wissen muss: Prof. Christian Kähler, Leiter des Instituts für Strömungsmechanik und Aerodynamik an der Universität der Bundeswehr München, hat den Einsatz der Geräte in Klassenräumen untersucht (und dabei sehr wohl eine infektionsschützende Wirkung festgestellt). Er erklärt: «Die Geräte verbrauchen auch nicht viel Strom: 150 Watt – ein einfacher Fön braucht zehnmal mehr.»
In Sachen Corona-bedingte Lernlücken setzt Prien auf den Bund – und sie gibt Widersprüchliches zu Protokoll. Wörtlich: «Die Kinder mussten nach den Sommerferien erst mal wieder im Schulalltag ankommen. Auch machen mir die psychosozialen Probleme mehr Sorgen als die Wissenslücken. Dann wurden die Lernstände erhoben. Es gibt bei uns bereits vielfältige Zusatzprogramme an Schulen. Die Rückstände sind im Übrigen sehr unterschiedlich: In der Sekundarstufe eins sind sie nicht signifikant, in den Grundschulen dagegen gibt es messbare Verschlechterungen, vor allem beim Lesen. Betroffen sind vor allem schwächere Schüler und eher Jungs als Mädchen. Es bedarf also individuell angepasster Angebote. Hier aufzuholen wird dauern. Dafür brauchen wir auch weiter Hilfe vom Bund.» Ja, was denn nun – sind die Lernlücken gar nicht so gravierend oder dauert es Jahre, um sie aufzuholen?
Zur schulpolitischen Ausrichtung der CDU sagt Prien: «Auch hier müssen wir Positionen überprüfen. Wir brauchen eine Debatte über einen eher kooperativen Bildungsföderalismus – die Länder müssen zum Wohl der Kinder und Jugendlichen besser zusammenarbeiten, und zwar auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse, nicht von Ideologie.» Damit könnte man in der Corona-Krise ja schon mal anfangen. News4teachers / mit Material der dpa