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50 Jahre „Radikalenerlass“: Linke als Lehrkräfte abgelehnt – GEW fordert Wiedergutmachung

Illustration: Shutterstock

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FRANKFURT/MAIN. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet von den Verantwortlichen in Bund und Ländern die politische und materielle Rehabilitierung der Menschen, die der am 28. Januar 1972 von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und den Länder-Regierungschefs beschlossene „Radikalenerlass“ getroffen hat. Zudem sei eine nachhaltige, wissenschaftlich fundierte Aufklärungsarbeit über diese Zeit und die Folgen des so genannten „Extremistenbeschlusses“ dringend notwendig.

Wandzeitung der CDU gegen das Abrücken der SPD-Länder vom Radikalenerlass. Quelle: Konrad-Adenauer-Stiftung / Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de

„Der ‚Radikalenerlass‘ hat individuelle Grundrechte der Betroffenen verletzt. Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst, darunter zahlreiche linke Lehrkräfte, sind teils kollektiv diffamiert und verfolgt worden. So wurden vielen Menschen Berufs- und Lebensperspektiven genommen und das Vertrauen in die Demokratie sowie in den Rechtsstaat massiv beschädigt“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern mit Blick auf den 50. Jahrestag des „Radikalenerlasses“ am heutigen Freitag. Deshalb unterstütze die Bildungsgewerkschaft die Anliegen der Betroffenen, die Wiedergutmachung fordern. „Die Betroffenen erwarten für das Unrecht, das sie erleben mussten, zu Recht eine Entschuldigung und eine finanzielle Entschädigung.“

Aktuelle Debatten zeigten, dass die Auseinandersetzung mit diesem Teil verdrängter Geschichte und Gegenwart für politische Bildung, zivilgesellschaftliches Engagement und Demokratieentwicklung eine sehr wichtige Rolle spielt. Deshalb warnte Finnern ausdrücklich davor, Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen und Einstellungen im öffentlichen Dienst von politischen Gesinnungsprüfungen durch Sicherheitsbehörden abhängig zu machen.

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„Das ist nicht verhältnismäßig. Menschen, die sich etwa in demokratischen Parteien, Vereinen oder (außer)schulischen Projekten engagieren, können dann ganz schnell unter Generalverdacht geraten – obwohl sie nichts anderes machen, als Haltung gegenüber menschen- und demokratiefeindlichen Ideologien sowie Angriffen aus dem rechtsextremen Spektrum zu zeigen. Das darf nicht passieren“, unterstrich die GEW-Vorsitzende. So werde ein „Klima des Misstrauens“ geschürt, das „menschenrechtsorientierte Bildungsarbeit und antifaschistisches Engagement unterminiert“.

Laut Bundeszentrale für politische Bildung kontrollierten allein bis 1976 staatliche Arbeitgeber fast eine halbe Million Bewerberinnen und Bewerber auf ihre Verfassungstreue und lehnten 430 von ihnen ab. Von 1972 bis 1991 sollen Schätzungen zufolge bis zu 3,5 Millionen Regelanfragen zur Sicherheitsprüfungen für Anwärterinnen und Anwärter des öffentlichen Dienstes an die Verfassungsschutzbehörden gestellt worden sein.

Wie viele Frauen und Männer jedoch tatsächlich nicht eingestellt oder entlassen wurden, sei bis heute nicht zweifelsfrei geklärt, heißt es. Schätzungen zufolge soll es bundesweit zu rund 11.000 Verfahren im Zusammenhang mit dem “Radikalenerlass“ gekommen sein. In etwa 1.250 Fällen sollen Bewerberinnen oder Bewerber abgelehnt und nicht eingestellt worden sein. Im gleichen Zeitraum wurden ungefähr 260 bereits verbeamtete oder angestellte Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst entlassen. Rund 80 Prozent der vom Radikalenerlass betroffenen Beamten und Angestellten waren angehende oder aktive Lehrerinnen und Lehrer.

In den meisten Bundesländern wird heute eine sogenannte Bedarfsanfrage beim Verfassungsschutz durchgeführt, wenn sich Zweifel daran ergeben, ob der Bewerber oder die Bewerberin jederzeit für die freiheitliche und demokratische Grundordnung eintreten wird. Dies ist allerdings selten der Fall – und führt noch seltener zu Konsequenzen. News4teachers / Titelillustration: Shutterstock

GEW trommelt gegen „Radikalenerlass“ – was die Frage aufwirft: Ist für die Gewerkschaft dann politischer Extremismus auch von rechts mit dem Schuldienst vereinbar?

 

 

 

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