PARIS. Französische Lehrkräfte haben aus Protest gegen die Corona-Politik der Regierung am Donnerstag in zahlreichen Städten die Arbeit niedergelegt. Das chaotische Krisenmanagement der Regierung von Präsident Macron im Schulbetrieb führt zu wachsendem Unmut.
Schon bei der Frage, wie viele Lehrkräfte nun gestreikt haben, trennen Gewerkschaften und Regierung Welten: Die Gewerkschaften SNES-FSU (für weiterführende Schulen) und SNUipp-FSU (Vor- und Grundschulen) sprechen von rund zwei Dritteln der Lehkräfte, die sich an dem Protest beteiligt haben. Das Bildungsministerium gibt eine Streikbeteiligung von lediglich 30 Prozent der Lehrkräfte an.
Keinerlei Einigkeit herrscht auch darüber, was eigentlich der Grund für den Unmut ist. Bildungsminister Blanquer hält den Gewerkschaften vor: „Ein Virus kann man nicht bestreiken.“ Gewerkschaftschef Laurent Berger kontert: „Dieser Streik richtet sich nicht gegen das Virus, sondern gegen den Mangel an Organisation und gegen die gezeigte Verachtung von Pädagogen.“ Die Gewerkschaften kritisieren ständig wechselnde Corona-Regeln, die teils extrem kurzfristig und über die Medien bekanntgegeben würden. Das Schulpersonal sei schlecht vor Infektionen geschützt und nach 20 Monaten Krise erschöpft. Forderungen unter anderem: nachvollziehbarere Corona-Vorschriften, die Anstellung von Hilfslehrkräften sowie die Verschiebung der Abiturprüfungen von März auf Juni.
Lehrerinnen und Lehrer fordern, mit FFP2-Masken ausgestattet zu werden. Das ist bisher nicht der Fall
„Die Lehrer und das gesamte Erziehungspersonal opfern sich auf, aber jetzt können sie einfach nicht mehr“, sagt Lehrervertreter Berger. Er plädiere nicht für eine Schließung der Schulen, sondern für einen Dialog, der zu einem effizienten Infektionsschutz zugunsten der Schüler und Lehrkräfte führe.
Während der Pandemie hat Frankreich die Schulen weitgehend offen gehalten. Allerdings steigen dort die Zahlen der infizierten Schülerinnen und Schüler aktuell stark. Eltern und Lehrkräfte kritisieren, dass es zu wenige Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus gibt. Anders als in Deutschland werden die Schülerinnen und Schüler nicht überall regelmäßig getestet. Luftfilter in Klassenräumen sind in Frankreich kaum ein Thema. Lehrerinnen und Lehrer fordern, wenigstens mit FFP2-Masken ausgestattet zu werden. Nicht mal das ist bisher der Fall.
Der Unmut kocht hoch, seitdem die Regierung von Präsident Emmanuel Macron unlängst die Vorgaben zum Schließen von Klassen bei Infektionsfällen gelockert und ein Verfahren mit Selbsttests eingeführt hat. Nun sollen Eltern selber feststellen, ob und wann ihr Kind nach einer Infektion oder nach Kontakt mit Infizierten wieder in die Schule kann. Schulleitungen klagen über einen enormen Organisationsaufwand, Eltern über Chaos.
Gibt es in einer Schulklasse einen positiven Coronatest, müssen nämlich alle Kinder von ihren Eltern sofort abgeholt werden. Sie müssen dann zur Apotheke fahren, um einen Schnelltest zu machen. Wer einen negatives Ergebnis bekommt, darf wieder zurück zur Schule. Die Folge sind lange Warteschlangen vor den Apotheken. Viele Eltern und Kinder warten vergeblich, weil nicht genügend Tests verfügbar sind.
Die Parole der Regierung lautet wie in Deutschland: Schulschließungen wolle man um jeden Preis verhindern
Regierungssprecher Gabriel Attal gab zu, dass in den vergangen Tagen an Schulen nicht alles rund gelaufen sei. Er verteidigte aber die neuen Regeln. Derzeit seien nur zwei Prozent der Klassen geschlossen. Mit den vorherigen Regeln wären es angesichts der hohen Fallzahlen deutlich mehr – Omikron läuft durch die Schulen. Die Parole der Regierung lautet aber wie in Deutschland: Schulschließungen wolle man um jeden Preis verhindern.
Frankreich verzeichnet im Verhältnis deutlich mehr Coronatote als Deutschland: Auf eine Million Einwohner 1.928 (Deutschland 1.373). News4teachers / mit Material der dpa