BERLIN. Jetzt ist es amtlich: Die Ministerpräsidenten haben einer Priorisierung der PCR-Tests nach dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) abgesegnet. Die Konsequenz: Die offiziell registrierten Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen, die innerhalb von zwei Wochen bis zu einem regionalen Spitzenwert von knapp 6.000 (Landkreis Uckermark) geschossen sind, werden sinken – auch wenn das Infektionsgeschehen an den Kitas und Schulen tatsächlich weiter zunimmt. Ausbrüche werden wieder wie schon im ersten Jahr der Pandemie ins Dunkelfeld gedrängt. Ein erstes Bundesland hat auf die Entwicklung reagiert: Berlin setzt die Präsenzpflicht aus.
Die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten haben sich mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf eine Änderung der Corona-Maßnahmen verständigt. Hintergrund ist die explosionsartige Ausbreitung der Omikron-Variante. Im Mittelpunkt der Beratungen stand die Frage, wie die PCR-Tests angesichts begrenzter Kapazitäten in Zukunft priorisiert werden sollen.
Einigkeit herrschte bereits vor den Gesprächen darüber, dass nicht mehr alle vermuteten Corona-Fälle künftig mittels PCR-Tests bestätigt werden können. Stattdessen sollen in vielen Fällen Antigentests zum Einsatz kommen.
Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland haben Bund und Länder “den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz zur Kenntnis genommen, dass PCR-Tests priorisiert werden müssen für vulnerable Gruppen und Beschäftigte, die diese betreuen und behandeln”. Beim Verdacht auf eine Infizierung mit dem Coronavirus können sich also beispielsweise Klinik- und Pflegepersonal weiterhin PCR testen lassen. Ein entsprechendes Testsregime solle von den Gesundheitsministern erarbeitet und die Nationale Teststrategie sowie die Coronavirus-Testverordnung entsprechend angepasst werden. Gleichzeitig sollen die PCR-Testkapazitäten erhöht werden.
«Dass Schulen in dieser Debatte keine Rolle spielen, verdeutlicht die geringe Wertschätzung»
Im Klartext: Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler sind außen vor, wenn die Kapazitäten – was absehbar bald der Fall sein wird – ausgeschöpft sind.
In der Videokonferenz hatte es laut “Spiegel” in dieser Frage Parteienstreit gegeben: Mehrere Unions-Länderchefs sahen wegen des Mangels an PCR-Tests ein Versäumnis von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), aus den SPD-geführten Ländern wurde entgegnet, die Überlastung der PCR-Labore gehe noch auf Vorgänger Jens Spahn (CDU) zurück.
Auch in Sachen Kontaktverfolgung gibt es einen Beschluss, der Schulen betreffen dürfte. Omikron lässt die Fallzahlen derart explodieren, dass in vielen Gemeinden die Gesundheitsämter mit der Kontaktverfolgung kaum noch nachkommen. Deshalb soll es wie bei den PCR-Tests eine Priorisierung geben – hier stehen die Kontaktpersonen von Infizierten im Fokus. Die Bürgerinnen und Bürger werden zur Mithilfe aufgefordert: »Sie sollten eigenverantwortlich ihre Kontaktpersonen informieren und die verfügbaren elektronischen Hilfsmittel zur Kontaktnachvollziehung nutzen«.
Der hessische GEW-Vorsitzende Thilo Hartmann kritisierte bereits vor dem Bund-Länder-Gipfel den Mangel an PCR-Tests. «Dass Schulen in dieser Debatte keine Rolle zu spielen scheinen, verdeutlicht die geringe Wertschätzung, die dem Bereich Bildung zuzukommen scheint.» Sollten die Beschränkung der PCR-Tests zu stagnierenden Inzidenzzahlen führen, weil Infektionen nicht mehr erfasst werden, dürfe dies auf keinen Fall zu einem Gefühl falscher Sicherheit führen.
Die GEW-Bundesvorsitzende Maike Finnern hatte zuvor festgestellt: «Es hätte nicht passieren dürfen, dass wir jetzt den Zugang zu den PCR-Tests priorisieren müssen.» Es sei immer gesagt worden, dass Schulen unbedingt geöffnet bleiben sollten. «Da wäre die Vorsorge bei der Verfügbarkeit von Tests ein Baustein gewesen.» Sie ergänzte: «Wenn es eine flächendeckende Versorgung mit PCR-Lollitests für Schulen und Kitas gäbe, stünden wir jetzt ganz anders da.»
Tatsächlich steht Deutschland nicht gut da, was den Coronaschutz für Kinder und Jugendliche angeht – die Inzidenzen unter Schülerinnen und Schülern haben regional ein Niveau erreicht, das eine Durchseuchung innerhalb von wenigen Wochen wahrscheinlich erscheinen lässt. Hotspot ist vor allem Brandenburg, wo bereits vor den Weihnachtsferien die Präsenzpflicht ausgesetzt wurde. Allerdings gibt es keinen Anspruch auf Distanzunterricht, sodass vielen Eltern keine Wahl bleibt, als ihr Kind zur Schule zu schicken.
Dort sieht es dann düster aus. Der Landkreis Uckermark in Brandenburg verzeichnet eine Inzidenz von 5.863 bei den Fünf- bis 14-Jährigen – so viel war noch nie in einer deutschen Kommune gemessen worden, in keiner Altersgruppe. Auch andere Städte und Landreise melden drastische Werte für Schülerinnen und Schüler an Grundschulen und in der Sekundarstufe I – Hotspot ist vor allem Brandenburg: die Stadt Potsdam beispielsweise 4.780, der Landkreis Teltow-Fläming 4.965, Potsdam-Mittelmark 4.186.
«Aber natürlich nehmen wir auch die Sorgen und Ängste von Eltern sehr ernst»
Die Bundeshauptstadt Berlin verzeichnet eine Kinder-Inzidenz von 3.667. Dort reagierte Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) auf die Entwicklung: Die Schulen blieben zwar geöffnet. «Aber natürlich nehmen wir auch die Sorgen und Ängste von Eltern sehr ernst», so begründete sie den Beschluss.
Auch in den übrigen Regionen Deutschlands schreitet die Durchseuchung der Schülerinnen und Schüler voran – mit regionalen Inzidenzwerten von über 3.000. Der bayerische Landkreis Erding etwa liegt bei 3.303, Hamburg bei 3.648. Schwerin erreicht 4.082, die Stadt Bonn 3.759. Die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden liegt bei 3.727, die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel bei 3.032. Im Bundesdurchschnitt, so meldete das Robert-Koch-Institut in der vergangenen Woche, liegt die Inzidenz für Kinder und Jugendliche bei knapp über 1.000 – Tendenz stark steigend.
Aber das ändert sich ja bald. Wenn auch nur nach offizieller Zählung.
Ein Bundesland schert allerdings aus – zumindest was Lehrkräfte und ErzieherInnen betrifft. Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) kündigte laut Radio Bremen an, dass Testkapazitäten gesichert würden, mit denen sich Beschäftigte von Schulen und Kitas ab sofort priorisiert testen lassen. Die Tests werden dann so schnell wie möglich ausgewertet. Aulepp will so nach eigenen Angaben erreichen, dass der Betrieb in den Schulen und Kitas aufrechterhalten werden kann. Die Beschäftigten gehören in ihren Augen zur “kritischen Infrastruktur” und müssten bundesweit bei PCR-Tests priorisiert werden. News4teachers / mit Material der dpa