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Statt mehr Schutz für Kitas und Schulen beschließt der Bund-Länder-Gipfel eine kürzere Quarantäne für Kinder

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BERLIN. Der Bund-Länder-Gipfel hat für Schüler und Kindergarten-Kinder Sonderregelungen vereinbart – sie dürfen bereits nach fünf Tagen aus der Quarantäne entlassen werden. Für den Nachweis reicht ein einfacher Schnelltest. Dies ergebe sich daraus, dass sie in Schule oder Kita in »serielle Teststrategien« eingebunden seien, heißt es. Der Deutsche Lehrerverband und die GEW kritisieren die geplante Neuregelung. Der Epidemiologe Markus Scholz wirft der Politik einen Kurs der Durchseuchung der Kinder vor.

“Die Schulen müssen offen bleiben” hatte Olaf Scholz erklärt, als er noch SPD-Kanzlerkandidat war – und so handelt er jetzt auch. Foto: Bundesfinanzministerium

In der Pressekonferenz nach dem Corona-Gipfel streifte Kanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema Schulen nur am Rande – eine konkrete Aufweichung der geltenden Regeln haben Bund und Länder für Kinder aber beschlossen: Anders als andere Bevölkerungsgruppen können sich Schüler bereits nach fünf Tagen aus einer Corona-Quarantäne freitesten.

Bund und Länder hatten am Freitag beschlossen, dass Kontaktpersonen von Corona-Infizierten künftig von der Quarantäne befreit werden, wenn sie eine Auffrischungsimpfung haben, also geboostert sind. Dies gilt auch für frisch doppelt Geimpfte und frisch Genesene – für Kontaktpersonen also, deren Erkrankung oder Impfung weniger als drei Monate zurückliegt. Für alle Übrigen sollen Isolation oder Quarantäne in der Regel nach zehn Tagen enden, wenn sie sich nicht vorher «freitesten» lassen. Das geht allgemein nach sieben Tagen, wenn entweder ein negativer PCR- oder Antigen-Schnelltest vorgezeigt werden kann. Für Schülerinnen und Schüler sowie Kita-Kinder hingegen kann die Quarantäne als Kontaktperson aber bereits nach fünf Tagen durch einen Negativtest beendet werden. Ab wann die neuen Regeln genau gelten sollen, ist noch unklar.

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“Dadurch setzten wir alle, die sich an Schulen aufhalten, einer erhöhten Infektionsgefahr aus”

Auf diesem Wege sollen offenbar Fehlzeiten im Präsenzunterricht vermindert werden. Ausnahmen von der Quarantäne seien möglich, wenn sich etwa durch tägliche Testungen, oder Maskenpflicht im Klassenraum ein hohes »Schutzniveau« ergebe, so heißt es.

«Wenn diese Aufweichung der Quarantäne-Regeln dazu führt, dass mehr Infizierte unerkannt in Schulen herumlaufen, wird der Schuss nach hinten losgehen», sagte Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das «Freitesten» durch relativ unsichere Antigentests erscheine problematisch, vor allem weil diese Tests in den ersten Tagen einer Infektion nicht so aussagekräftig seien.

Auch die Erziehungsgewerkschaft GEW kritisiert den Beschluss. «Dadurch setzten wir alle, die sich an Schulen aufhalten, einer erhöhten Infektionsgefahr aus», sagte der stellvertretende GEW-Vorsitzende Andreas Keller, den Funke-Zeitungen. «Für die Schulen besonders laxe Regeln anzuwenden, ist ein Spiel mit der Sicherheit von Schülerinnen, Schülern, Lehrkräften und Eltern», sagte Keller. «Das ist eine Gefährdung des Gesundheitsschutzes, die problematisch ist.»

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte vor dem Gipfel vor Omikron gewarnt, wie News4teachers berichtete – und sich ausdrücklich gegen eine Durchseuchung der Schulen ausgesprochen. Per Twitter erklärte er: „Viele denken: Omikron verläuft milder, weshalb keine Durchseuchung? Die billige Impfung… Das wäre ein grosser Fehler, viele Menschen würden schwer erkranken mit oft bleibenden Schäden. Für unsere Kinder wäre es ein absolut unverantwortbares Experiment.“

“Und die Lehrer haben die höchste Infektionsrate in allen Berufsgruppen, trotz überdurchschnittlicher Impfquote”

Unmittelbar vor dem Bund-Länder-Gipfel hatte der Leipziger Epidemiologe Prof. Markus Scholz in einem Interview mit t-online.de erklärt, Schulen seien ein wesentlicher Ansteckungsort. “Schüler haben derzeit die höchsten Inzidenzen über alle Altersgruppen hinweg. Und die Lehrer haben die höchste Infektionsrate in allen Berufsgruppen, trotz überdurchschnittlicher Impfquote. Hier findet ein massives Infektionsgeschehen statt.” Auf die Frage: “Die Kinder werden durchseucht?” antwortet er: Das muss man so sagen, auf dieses Konzept scheint man zu setzen. Gleichzeitig sehen wir in Frankreich und den USA sehr hohe Hospitalisierungsraten bei Kindern. Das ist eigentlich unverantwortlich.”

Die derzeitigen Konzepte seien nicht ausreichend, um die Schulen sicher zu machen. “Als Konzept zur Eindämmung wird an den Schulen ja hauptsächlich auf Schnelltests gesetzt, von denen wir jetzt wissen, dass diese unter Omikron weniger verlässlich sind. Wichtig wäre es, die Impfquote unter den Schülern zu erhöhen. In Schleswig-Holstein ist dies zum Beispiel gut gelungen. Hier sind 65 Prozent der Jugendlichen geimpft, in Sachsen sind es gerade mal 30 Prozent. So kann man die Schüler, aber auch deren Familien kaum schützen.”

Weiter erklärt Scholz: “Es war meines Erachtens ein Fehler, die Impfungen im Kinder- und Jugendbereich so spät und dann teilweise nur eingeschränkt zu empfehlen. Und offenbar gehen die Länder mit diesem Thema auch sehr unterschiedlich um. Jetzt wäre eine massive Impfkampagne auch in den Schulen nötig.” News4teachers / mit Material der dpa

Epidemiologe Scholz: „Kitas und Schulen sind ein wesentlicher Faktor in der Pandemie – die Datenlage dafür ist überwältigend“

 

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