BERLIN. Auf dem Höhepunkt der Omikron-Welle sieht die GEW die Sicherheit in den Klassenzimmern alles andere als gewährleistet. «Die Inzidenz steigt und steigt jedenfalls und es wird leider nicht alles für die Sicherheit getan», sagt die baden-württembergische GEW-Landeschefin Monika Stein im «Offenburger Tageblatt» auf die Frage, ob gerade die «Durchseuchung der Kinder» stattfinde. Vielerorts fehle es an Schutzmaßnahmen. Eine aktuelle Untersuchung der TU Berlin gibt ihr recht.
Kinder und Jugendliche nähmen seit zwei Jahren Rücksicht auf die Gesamtgesellschaft und müssten bei allen Entscheidungen nun endlich Priorität haben, fordert Stein.
Die GEW verlange schon seit Sommer 2020 flächendeckend Luftreinigungsgeräte, kritisiert die Gewerkschafterin – es seien (in Baden-Württemberg, gilt aber auch andernorts, d. Red.) immer noch nicht überall welche geplant, geschweige denn angekommen. «Außerdem fordern wir ausreichende Testungen und FFP2-Masken für alle Schüler, die sich damit schützen wollen und deren Eltern das nicht finanzieren können oder wollen.» Es dürfe nicht von der Schulträgerschaft abhängen, wie gut es um den Schutz an Schulen bestellt sei, sagt Stein. «Auch in finanzschwächeren Gemeinden brauchen wir Sicherheit für alle Beteiligten.»
„Es halten sich verhältnismäßig viele Menschen über einen langen Zeitraum in einem Klassenzimmer auf”
Dass in Schulen grundsätzlich ein besonders hohes Infektionsrisiko besteht und dass Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko dort auch in der aktuellen Omikron-Welle signifikant senken können, macht eine aktuelle Studie von Wissenschaftlern des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin, die das ZDF grafisch aufbereitet hat, deutlich. Selbst wenn die Abstandsregel (die im Unterricht nicht gilt) eingehalten würde, wenn (wie vorgeschrieben) regelmäßig gelüftet wird und wenn (wie derzeit noch üblich) Maskenpflicht gilt, dann besteht den Forschern zufolge in einem Setting mit einem Infizierten im Raum in einem Muster-Klassenraum ein R(eproduktions)-Wert von 9,7, heißt: Innerhalb eines sechsstündigen Schultags werden sich im Schnitt 9,7 Kinder anstecken.
Warum ist die Infektionsgefahr so hoch? „Es halten sich verhältnismäßig viele Menschen über einen langen Zeitraum in einem Klassenzimmer auf. Außerdem ist das Übertragungsrisiko bei Omikron gegenüber vorhergehenden Varianten deutlich erhöht“, so heißt es. Es geht aber noch schlimmer: Würde die Maskenpflicht gestrichen – wie KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) bereits in Aussicht gestellt hat – würde sich das Infektionsrisiko im Klassenraum verdoppeln. Bedeutet: Eine infizierte Person würde im Schnitt 19,4 Menschen bzw. Schüler innerhalb des sechsstündigen Schultags anstecken.
Andersherum könnten Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko deutlich senken – vor allem: Luftfilter und Wechselunterricht. „Umluftreinigungsgeräte (gemeint sind mobile Luftreiniger, d. Red.) können Luft virenfrei filtern. Sie reinigen die Luft und pumpen sie zurück in den Raum, können jedoch das Lüften nicht vollständig ersetzen. Erst im Zusammenspiel von Masken und Luftreinigern stellt sich das niedrigere Risiko ein“, so heißt es in der Studie. Das aber ist deutlich kleiner: nämlich nur die Hälfte des Ursprungswertes. Konkret: Der situative R-Wert sinkt von 9,7 auf 4,9. „Grundsätzlich kann häufigeres Lüften durch Fensteröffnen die Ansteckungsgefahr noch weiter senken.“
Weitere wirkungsvolle Maßnahmen: Die Halbierung der Aufenthaltszeit – senkt das Infektionsrisiko um 50 Prozent. Halbe Personenzahl – ebenfalls. Alles zusammengenommen – „gute Luftqualität und Begrenzung der Aufenthaltszeit auf 1 Stunde und halbe Personenzahl und FFP2-Maske“ – würde das Infektionsrisiko sogar auf ein Fünftel des Ursprungswertes zusammenschmelzen lassen. Fazit der Forscher: „Regelmäßiges Lüften, reduzierte Aufenthaltszeit sowie große Räume mit wenigen Personen und auch das Tragen von FFP2-Masken können das Infektionsrisiko stark begrenzen.“ Die Impfung wurde in das Szenario nicht einbezogen.
“Die einen Eltern fordern vehement Fernunterricht, die anderen sind gegen Tests und Masken”
Derzeit gilt: Schulen gehören der Studie zufolge neben Büros und Familiengemeinschaften zu den Orten mit den höchsten Infektionswahrscheinlichkeiten. Die Folge: Die Omikron-Welle rast nahezu ungebremst durch die Schulen. GEW-Landeschefin Stein erklärt, die Schulleitungen befänden sich derzeit im Spagat, da sie angesichts der Situation mit extrem unterschiedlichen Elterninteressen konfrontiert seien. «Die einen fordern vehement Fernunterricht, die anderen sind gegen Tests und Masken», sagt sie. Zudem sorgen sich die Schulleitungen um die Lehrkräfte und müssten den Schulbetrieb irgendwie aufrecht erhalten. Kein leichter Job in dieser Zeit. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zur ZDF-Grafik mit den Informationen der Studie des Herrmann-Rietschel-Instituts.