BERLIN. Die Schülerinitiative #WirWerdenLaut gewinnt rasant an Zuspruch. Hatten bis gestern Abend 50.000 Menschen die Online-Petition gegen den Durchseuchungskurs der Kultusminister unterschrieben, waren es heute Morgen dann schon von 75.000 – Tendenz weiter stark steigend. Unterdessen haben sich neun (Eltern-)Initiativen, die sich für eine Eindämmung der Pandemie einsetzen, mit den Kindern und Jugendlichen solidarisiert. „Die Durchseuchung ist falsch“, so heißt es in einer Erklärung. Gefordert wird unter anderem eine vierwöchige Phase des Distanzunterrichts „mit Bedarfsbetreuung in Schulen“ sowie die Umstellung von Regel- auf Bedarfsbetreuung in den Kitas.
Corona scheint in Deutschland außer Kontrolle geraten zu sein – meinen die Elterninitiativen, darunter #KinderdurchseuchungStoppen, #ProtectTheKids, die Initiative Risikohaushalte und das „Team Kinderschutz“. „Vielerorts ist aufgrund der zahlreichen Krankheitsfälle unter Lehrkräften und Schüler:innen bzw. Erzieher:innen und Kita-Kindern ein geregelter Unterricht oder eine vernünftige Betreuung kaum mehr möglich“, so heißt es in dem Papier. Eine Durchseuchung der größtenteils noch ungeimpften Schul- und Kitakinder sei falsch. „Wir müssen dafür sorgen, dass der Präsenzunterricht gestoppt wird, bis wir die Fallzahlen insgesamt wieder herunterbekommen haben. Nach realistischen Schätzungen brauchen wir dafür eine vierwöchige Phase von bundesweitem Distanzunterricht und Bedarfsbetreuung in Kitas.“
Die #WirWerdenLaut-Petition ist kaum zu überhören! @AnjoGenow & @j_boergermann erklären, warum für sie jetzt die Belastungsgrenze erreicht ist und welche Forderungen sie an @starkwatzinger, @Karl_Lauterbach & @PrienKarin stellen. Hilfst Du, die 50.000 Unterschriften zu knacken? pic.twitter.com/jr43JntlFG
— Change.org Deutschland (@ChangeGER) February 3, 2022
Auch Fachleute warnten davor, dass bei Kindern und Jugendliche trotz häufig mild verlaufender Akuterkrankung Post-Covid-Folgen vorkommen. „Wer zulässt, dass sich Kinder und Jugendliche in großer Zahl infizieren, nimmt die Zunahme des Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome (PIMS), von LongCovid und von chronischen Erkrankungen wie Diabetes Typ1 oder ME/CFS bei Kindern und Jugendlichen billigend in Kauf.“
Deshalb: „Um die Einhaltung der Grundsätze des Infektionsschutzgesetzes auch für Kinder sicherzustellen und eine massenhafte Infektion mit SARS-CoV-2 zu vermeiden, fordern wir deshalb, dass die epidemische Lage nationaler Tragweite festgestellt wird und alle Bundesländer den Schulunterricht nun umgehend auf Distanzunterricht mit einer gut organisierten Bedarfsbetreuung umstellen. Auch Kitas sollten vom Regelbetrieb in die Bedarfsbetreuung wechseln. Nötig ist dabei eine Abfederung für Kinder und Familien, die aufgrund ihrer persönlichen Bedingungen eine Unterstützung benötigen. Dazu gibt es verschiedene Konzepte, wie Schichtmodelle im Wechsel für jüngere Schulkinder oder aber Studyhalls für die größeren Schulkinder, die zu Hause keine guten Lernbedingungen haben. Eine psychosoziale Begleitung kann Sorge tragen, dass Kinder während des Distanzunterrichts nicht verloren gehen und nach ihrem Bedarf aufgefangen werden.“ Die Pause im Präsenzbetrieb sollte dafür genutzt werden, sicheren Unterricht und sichere Kita-Betreuung in der Folgezeit vorzubereiten.
Und zwar so: „Eine vierwöchige Distanzunterrichtsphase mit Bedarfsbetreuung würde unseres Erachtens zur Abbremsung der Omikron-Welle beitragen und es Schüler:innen und ihren Familien sowie den Lehrkräften ermöglichen, sich vor einer Durchseuchung zu schützen. Diese Phase sollte genutzt werden, um Eltern von noch ungeimpften oder unvollständig geimpften Schüler:innen ein Impfangebot zu unterbreiten, verbunden mit einer intensiven Aufklärungskampagne. Um den Präsenzbetrieb im Anschluss an diese Phase wieder sicherer zu ermöglichen, sind allen Schulen und Kitas nach Ende der vier Wochen ausreichende Mengen an FFP2-Masken für Schüler:innen, Erzieher:innen und Lehrkräfte bereitzustellen. Ferner ist die Ausstattung der Betreuungs- und Klassenräume mit Luftfiltern zu forcieren und die Einhaltung der RKI- Richtlinien/S3-Leitlinie für die Schulen ab März dauerhaft zu gewährleisten. Auch sollte das Infektionsgeschehen nach ‚Wiener Vorbild‘ mit PCR- Pooltests überwacht und mit einer effektiven Quarantäneregelung eingedämmt werden.“
Die Forderungen der Schülersprecher:innen von #WirWerdenLaut sind ernst zu nehmen und decken sich in weiten Teilen mit Positionen, die wir auch vertreten. Wir suchen aktuell das Gespräch zu den Initiator:innen, um uns über Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszutauschen.
— Bundesschülerkonferenz (@BSK_aktuell) February 3, 2022
Weiter heißt es: „Angesichts der hohen Infektionsgefahr solidarisieren wir uns mit allen Eltern, die sich entscheiden, ihre Kinder derzeit zu Hause zu behalten, statt sie in die Schulen und Kitas zu schicken. Wir solidarisieren uns ebenso mit allen Lehrer:innen und Erzieher:innen, die momentan aufgrund der hohen Infektionsgefahr nicht in die Schulen oder Kitas gehen. Wir haben Verständnis, wenn Eltern, soweit es ihnen möglich ist, überlegen, ihre Kinder besser zu Hause zu behalten (vielerorts ist dies regulär möglich, indem man das Testen in der Schule nicht gestattet) und wir unterstützen es, wenn sie von ihrer Schule oder Kita vor Ort – gerne unter Berufung auf den Bundesgesundheitsminister – Distanzbeschulung bzw. Bedarfsbetreuung einfordern. Ebenso befürworten wir es, wenn möglichst viele Schulen nun Distanzunterricht anbieten und es Lehrkräften ermöglichen, im Homeoffice tätig zu sein. Aktuell sind bereits so viele Schüler:innen unbeschult zu Hause, aufgrund von Erkrankung oder Quarantäne, dass die Bereitstellung von Distanzbeschulung auch ein Gebot der Chancengleichheit für alle Schüler:innen in dieser Hochphase der fünften Welle ist.“
Hört den Schüler:innen zu. #WirWerdenLaut https://t.co/HVBoAEdAqq
— Luisa Neubauer (@Luisamneubauer) February 2, 2022
Die Schülerinitiative „WirWerdenLaut“, die mit einer Petition aktuell für Wirbel sorgt, fordert ebenfalls ein Ende des Durchseuchungskurses der Kultusminister. Zu den Unterzeichnern gehören zahlreiche namhafte Mediziner und Wissenschaftler wie die Virologin Dr. med. Jana Schröder, Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital, der Physiker Prof. Dr. Dirk Brockmann von der Berliner Humboldt Universität zu Berlin sowie die Psychologin, Bildungsexpertin und Grünen-Politikerin Marina Weisband. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) und KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU) haben prompt reagiert – mit Gesprächsangeboten.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) wertet die Initiative als Warnsignal an die politisch Verantwortlichen. «Es entsteht der Eindruck, dass Politik die Pandemie an den Schulen durchlaufen lässt – und damit die Gesundheit der Lehrkräfte, der Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern gefährdet», sagte GEW-Chefin Maike Finnern dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. News4teachers / mit Material der dpa
Hier geht es zu der Schüler-Petition.