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Studie: Jede fünfte Familie von ADHS betroffen! Lehrkräfte zu wenig informiert?

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HEIDELBERG. Früher galten betroffene Kinder schlicht als Zappelphilippe. Heute hat das Phänomen einen Namen: ADHS. Die Eltern in Deutschland sind für das Thema sensibilisiert, fühlen sich aber zu wenig informiert. Das ist Ergebnis einer groß angelegten Studie. Uneinigkeit herrscht danach beim Thema Medikamenten-Vergabe. Die Studienautoren äußern zudem Kritik an Lehrkräften.

Kinder mit ADHS zeigen öfter auffälliges Verhalten. (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Nach einer Studie hat in jeder fünften Familie ein Kind eine Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS). In neun Prozent der Fälle gebe es eine ärztliche Diagnose der chronischen Erkrankung, in elf Prozent eine entsprechende Vermutung, heißt es in der Untersuchung des Heidelberger Sinus-Instituts, die am Dienstag veröffentlicht wurde.

In der Kindheit äußert sich die Krankheit in innerer Unruhe, Bewegungsdrang, Konzentrationsstörungen und schwierigem Sozialverhalten. Die im Volksmund auch Zappelphilipp-Syndrom genannte Krankheit bleibe ein Leben lang bestehen und bereite während des Übergangs vom Jugendlichen zum Erwachsenen große Anpassungsprobleme, sagte Eckhard Barth, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit Teilleistungs-/ Wahrnehmungsstörungen (BAG-TL/WS). Aber auch Senioren leiden noch darunter.

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Sinus verwendete für die Studie im Auftrag der BAG-TL/WS Daten aus einer Online-Umfrage, an der im Sommer 2021 1.000 Mütter und Väter teilnahmen. Die Ergebnisse sind laut Sinus repräsentativ für deutschsprachige Eltern ab 30 Jahren mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren.

Nach Barths Ansicht gehen Ärzte verantwortungsvoll und nicht übereilt mit der Diagnose um. Lehrkräfte neigten hingegen dazu, betroffene Kinder auf Sonder- oder Waldorfschulen zu verweisen, wo der Unterricht stressfreier ablaufe. Barth findet, dass das Phänomen auch in der Lehrerausbildung in den Blick genommen werden müsse.

Obwohl ADHS zu den am häufigsten festgestellten psychiatrischen Kinderkrankheiten gehört, ist die Information darüber wenig verbreitet. Bei der Befragung stufen sich nur 10 Prozent bei diesem Thema selbst als «sehr informiert» ein, weitere 51 Prozent halten sich für «eher informiert». «Der Informationsstand zu ADHS ist somit aus Elternsicht ausbaufähig», betonte Barth.

Insbesondere die Therapie von ADHS-Patienten mit Medikamenten wird ambivalent betrachtet

Für ADHS-Betroffene und ihre Familien existieren viele verschiedene Hilfsangebote, aber laut Studie kennen nur wenige Eltern diese. Von 17 in der Befragung vorgelegten Angeboten sind nur vier mindestens der Hälfte bekannt: Medikamentengabe (66 Prozent), Kinder- und Jugendpsychiatrie (65), Verhaltenstherapie (57) und Familienhilfe (57).

Insbesondere die Therapie von ADHS-Patienten mit Medikamenten wird ambivalent betrachtet. Die Mehrheit der Eltern teilt einerseits die Meinung, dass ADHS-Medikamente Betroffene bei der Alltagsbewältigung helfen (75 Prozent) und notwendiger Bestandteil einer Therapie sind (68 Prozent). Andererseits ist auch die Meinung weit verbreitet, dass Medikamente betroffene Kinder lediglich ruhig stellen, sie aber nicht heilen (77 Prozent). Die Fragen nach negativen Effekten von Medikamenten spaltet die Elternschaft: 56 Prozent  sind der Meinung, dass ADHS-Medikamente stumpf machen, und 49 Prozent finden, dass durch ADHS-Medikamente Lebensgefühl verloren geht. Eine Abhängigkeit von ADHS-Medikamenten befürchten 41 Prozent der Eltern.

An der Integration der Betroffenen in Schule und Gesellschaft hapert es noch. 80 Prozent der Eltern finden, dass ADHS-Erkrankte ausgegrenzt werden, weitere 74 Prozent, dass es Kinder mit ADHS schwerer haben, Freunde zu finden. Immerhin 15 Prozent der Eltern ist es lieber, wenn ihre Kinder nicht mit Kindern spielen, die ADHS haben. Eltern zeigen aber auch Mitgefühl gegenüber Betroffenen. Nahezu alle Befragten finden, dass Kinder mit ADHS ihr Potenzial nicht ausschöpfen können. News4teachers / mit Material der dpa

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