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Woher bekommen Schulen die Mittel, um ukrainische Kinder aufnehmen zu können? GEW: Lehrer von Klassenarbeiten entlasten!

BERLIN. Der Ukraine-Krieg bringt die nächste Herausforderung für Deutschlands Corona-gebeutelte Schulen: Zehntausende von Flüchtlingskindern dürften in den nächsten Wochen aufzunehmen sein – ohne dass klar wäre, woher die dafür notwendigen Ressourcen kommen sollen. Bayerns Kultusminister Piazolo (Freie Wähler) spricht Klartext: «Ich bin der festen Überzeugung, dass wir zusätzliche Kapazitäten schaffen müssen.» Die GEW fordert Entlastung von Lehrkräften an anderer Stelle.

Der Krieg treibt Millionen von Menschen – darunter viele Kinder – in die Flucht (Foto laut Bilderdienst Shutterstock aus Kiew vom 25. Februar). Foto: Shutterstock

An Bekenntnissen von Politikerinnen und Politikern, Flüchtlingskinder aus der Ukraine schnell in die Schulen integrieren zu wollen, besteht derzeit kein Mangel. «Wir sind fest entschlossen, ihnen von Anfang an ein Beschulungsangebot zu geben», sagt die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz, Karin Prien (CDU). Das Thema stehe auch auf der Tagesordnung der Kultusministerkonferenz, die am Donnerstag und Freitag in Lübeck tagt.

«Die Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine sollen bei uns einen sicheren Ort finden und sich gut aufgehoben fühlen», erklärt Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) – und kündigt „bestehende und neue Angebote für die Integration und Betreuung“ an.

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«Von unserer Seite ist klar: Wenn ein Kind in die Schule möchte, dann darf es auch in die Schule gehen»

Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) „wirbt“ laut Deutscher Presseagentur bei Schulen und Kommunen dafür, Kindern aus der Ukraine nach ihrer Flucht einen leichten Einstieg in den Unterricht zu ermöglichen. Die Schulen und die Schulverwaltung sollten pragmatisch handeln und den Kindern mit dem Schulbesuch wieder etwas Struktur und auch Ablenkung ermöglichen. «Das ist das Mindeste, was wir tun können und sollten», sagte die Grünen-Ministerin der «Südwestpresse». «Von unserer Seite ist klar: Wenn ein Kind in die Schule möchte, dann darf es auch in die Schule gehen», betonte Schopper.

Ein merkwürdiger Ansatz – denn Flüchtlingskinder haben einen Anspruch auf Schulbildung, der keineswegs vom Wohlwollen staatlicher Institutionen abhängig ist. Das Recht zum Besuch einer Schule besteht laut baden-württembergischem Kultusministerium denn auch von Anfang an. Die Schulpflicht beginnt sechs Monate nach dem Zuzug aus dem Ausland. Sie endet mit Ende des 18. Lebensjahres. Die verzögerte Schulpflicht trägt möglichen Traumata der Kinder Rechnung. Sie sollen Zeit haben, sich in ihrem neuen Umfeld zu orientieren und die Erlebnisse der Flucht zu verarbeiten.

Das hessische Schulsystem ist nach Angaben von Kultusminister Alexander Lorz (CDU) gut auf die Flüchtlinge aus der Ukraine vorbereitet. «Neben einer schnellen Aufnahme in spezielle Integrationsklassen verfügt Hessen seit Jahren über ein bundesweit einmaliges Gesamtsprachförderkonzept, das von der Zeit vor der Einschulung bis hin zum Übergang ins Berufsleben reicht, das Deutschlernen erleichtert und somit auch die Integration in die Gesellschaft in verschiedenen Altersstufen ermöglicht», meint der Minister.

Dass die Integration der Flüchtlingskinder von den Schulen nicht so einfach zu bewerkstelligen sein wird, macht hingegen die bayerische Staatsregierung deutlich. Das beginnt schon bei der Zahl der zu erwartenden zusätzlichen Schülerinnen und Schüler: Es sei zu befürchten, dass der Krieg «länger dauern werde», sagt Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Bayern helfe allen Menschen mit «offenem Herzen», vor allem die Kinder bräuchten Schutz, Sicherheit und Hoffnung. Allerdings: Anfangs hatte die Staatsregierung geschätzt, dass 50.000 Ukrainer im Freistaat Schutz suchen würden. Die aktuellen Zahlen legen aber nahe, dass auch die korrigierte Schätzung von 100 000 Flüchtlingen kaum realistisch ist.

«Wir werden auch pensionierte Lehrkräfte durchaus animieren», kündigt Bayerns Kultusminister an

Nach Einschätzung von Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) müssen auch an den Schulen die Vorbereitungen aufstockt werden, um die geflüchtete Kinder und Jugendlichen aufnehmen zu können. «Ich bin der festen Überzeugung, dass wir zusätzliche Kapazitäten schaffen müssen», sagt Piazolo. Es müssten vermutlich neue Klassen gebildet werden, und es seien wohl auch zusätzliche Lehrkräfte notwendig. Die Gespräche dazu liefen bereits, sagte Piazolo. Man wolle etwa geflüchtete Lehrerinnen und Lehrer aus der Ukraine zusätzlich einbinden, wo dies möglich sei. «Wir werden auch pensionierte Lehrkräfte durchaus animieren», sagt der Minister.

Derzeit sei das Verfahren, dass aus der Ukraine nach Deutschland kommende Kinder und Jugendliche einfach in ihrer zuständigen Sprengelschule aufgenommen werden können. Dann sei es wichtig, schnell die Deutschkenntnisse zu verbessern. Es sei sinnvoll, sich auf eine länger andauernde Situation einzustellen. Die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen sei an den bayerischen Schulen und unter den Lehrkräften sehr groß. «Es gibt eine sehr, sehr große Solidaritätsbereitschaft, die spüre ich auch in den Schulen», sagte Piazolo. Die Frage sei aber, wie lange dies andauere. Das System sei auch bereits durch die Corona-Pandemie stark belastet. Neun Prozent der Lehrkräfte könnten derzeit nicht arbeiten.

Das sieht die nordrhein-westfälische GEW-Vorsitzende Ayla Çelik ganz ähnlich. „Die Expertise ist da. Nur nicht die Ressourcen“, sagt sie gegenüber der „Rheinischen Post“ mit Blick auf die Schulen. „Vor Corona hatten wir schon einen chronischen Mangel an Lehrkräften oder Schulsozialarbeitern. Es rächt sich jetzt in Krisenzeiten, dass in der Bildungspolitik nicht zur rechten Zeit die richtigen Entscheidungen getroffen worden sind.“ Es fehle den Schulen nun an Personal und an Räumen.

Sie schlägt vor, jetzt rasch mehr Kräfte in die Einrichtungen zu bringen, beispielsweise Studierende. „Wir brauchen vereinfachte Verfahren, damit Schulen Handlungsoptionen haben.“ Klassen-Container könnten angeschafft werden, um Platzprobleme abzufedern. Klassenarbeiten sollten reduziert werden, und vor allem müssten die Lehrkräfte dringend von nicht-pädagogischen Aufgaben entlastet werden, die ihnen Zeit rauben.

Hessens Kultusminister ist unterdessen noch kleinteiliger unterwegs. Er hat angekündigt, den Flyer «Erfolgreich Deutsch lernen» gerade ins Ukrainische sowie ins Russische übersetzen zu lassen. News4teachers / mit Material der dpa

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