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Gymnasiast muss in U-Haft – Sind Schulen personell gut genug gerüstet, um Signale frühzeitig zu erkennen?

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ESSEN. Nach dem mutmaßlich vereitelten Bombenanschlag auf eine Essener Schule muss der verdächtige Gymnasiast in Untersuchungshaft. Das hat ein Richter heute entschieden. Dem Jugendlichen wird unter anderem vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet zu haben. Der 16-Jährige war vor dem Geschehen unauffällig, berichtet der Schulleiter – „er war ein guter Schüler“. Unterdessen beginnt eine Debatte darüber, ob Schulen personell gut genug dafür ausgestattet sind. Die GEW bezweifelt das.

Ist der Essener Fall ein Beispiel dafür, dass die Gewaltprävention an Schulen greift – oder war es schlicht Glückssache, dass die Anschlagspläne verraten wurden? Illustration: Shutterstock

Die Polizei war bei dem Schüler auf rechtsextreme Schriften und Materialien zum Bombenbau gestoßen. Sprengstoff und 16 Rohrkörper, einige präpariert mit Uhren und Nägeln, wurden sichergestellt, daneben noch ein selbstgebautes Gewehr und eine Armbrust mit Pfeilen. Gegen den Gymnasiasten sei der Haftbefehl auch wegen Verstoßes gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz sowie wegen der Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion beantragt worden, hieß es am Freitag. Ein Tippgeber hatte die Behörden alarmiert: Der 16-Jährige habe ihm gesagt, er wolle in seiner Schule eine Bombe platzieren.

Die aktuelle und die ehemalige Schule des Schülers, eine Realschule, waren daraufhin mit Sprengstoff-Spürhunden durchsucht worden. Verdächtige Gegenstände wurden dabei nicht gefunden. Die Maßnahmen sind inzwischen abgeschlossen. Die aktuelle Schule des Jugendlichen, das Don-Bosco-Gymnasium in Essen-Borbeck, blieb am Freitag weiterhin geschlossen. Stattdessen sind die Lehrerinnen und Lehrer zu einer Konferenz zusammengekommen, an der auch Schulpsychologen teilnehmen. Es gehe darum, das Erlebte aufzuarbeiten. An der benachbarten Realschule findet der Unterricht jedoch heute wieder statt.

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«Das Kollegium wird in der Schule zusammenkommen, um das Geschehene auf- und die folgenden Tage vorzubereiten. Dazu gehören auch die wichtigen mündlichen Abiturprüfungen am kommenden Montag», erklärte die Schulleitung auf der Schul-Homepage. «Wir sind dankbar, dass uns Schlimmeres erspart geblieben ist.»

Der Schock, als die Schule von dem bedrohlichen Verdacht erfuhr, habe tief gesessen, erklärte der Direktor des Don-Bosco-Gymnasiums, Pater Otto Nosbisch, gegenüber „t-online“. „Das, was uns die Hinweisgeber schon am Vortag schilderten, klang sehr glaubwürdig, das hat uns bestürzt.“

„Die Anwesenheit der Polizei sowie die Gespräche mit den Einsatzkräften waren sehr beruhigend”

Hintergrund: Aus dem „sozialen Umfeld“ des terrorverdächtigen Jugendlichen war vor den Anschlagsplänen gewarnt worden. Von wem genau, das verrieten die Sicherheitsbehörden nicht. Nach WDR-Informationen hatte der 16-Jährige gegenüber einem Mitschüler eine Drohung ausgesprochen, dass sie bald alle sterben würden. Zunächst hieß es, der Mitschüler sei daraufhin am Mittwoch zur Polizei gegangen. Nach WDR-Informationen allerdings hat sich der Mitschüler zunächst an einen Lehrer gewandt, der daraufhin die Schulleitung informiert hat. Diese wiederum verständigte die Polizei.

Die Polizei habe geholfen, diesen Schock „zu versachlichen“, berichtete der Schulleiter. „Die Anwesenheit der Polizei sowie die Gespräche mit den Einsatzkräften waren sehr beruhigend. Wir hatten das Gefühl, in guten Händen zu sein”, so der Leiter der katholischen Schule.

Schüler und Eltern waren gestern vor Unterrichtsbeginn darüber informiert worden, dass die Schule geschlossen bleibt. Aber: „Nicht jeden hat diese Nachricht pünktlich erreicht”, berichtet Pater Nosbisch. Die Beamten hätten die Schülerinnen und Schüler aber behutsam nach Hause geschickt. „Wir sind froh, nun sagen zu können: Es bestand zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für unsere Schulgemeinschaft“, so der Pater.

Der 16-Jährige habe das Gymnasium erst seit etwa einem Jahr besucht; er war von der Realschule gewechselt, um das Abitur zu machen. „Er war ein guter Schüler, schrieb Zweien und Dreien“, erzählt Nosbisch. Als „unauffällig“ beschreibt er den Jugendlichen. „In keiner Weise hätte man rechtsextremistisches Gedankengut oder solche Pläne vermutet. Aber man kann natürlich nicht hinter die Menschen schauen.“

„Es gibt nach wie vor zu wenig Schulsozialarbeiter und -psychologen an den Schulen“

Wie lassen sich Signale und Hinweise auf potentielle Gewalt- oder Amoktäter frühzeitig erkennen? Das Landesinstitut für Präventives Handeln des Saarlandes bildet bundesweit Krisenteams in Schulen aus, wie der WDR berichtet. Hagen Berndt, der an dem Institut die Ausbildung mitverantwortet, erklärt gegenüber dem Sender: „Gerade Amoktaten werden über oft über einen längeren Zeitraum geplant. Wir versuchen Lehrer zu sensibilisieren, Zeichen und Hinweise wahrzunehmen und mögliche Gefahren rechtzeitig zu erkennen.“

Womöglich ist ein solcher Hinweis aufgetaucht: Nach einem Bericht der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ ist auf der Mädchentoilette des Don-Bosco-Gymnasiums ein Schriftzug gefunden worden, der für den heutigen 13. Mai ein „Blutbad“ ankündigt. Die Polizei prüft einen Zusammenhang.

Es werde bundesweit viel getan, um solche Gewaltvorfälle zu verhindern, meint Berndt. Diese seien in den vergangenen Jahren auch deutlich zurückgegangen. Viele Schulen versuchten stärker, ein positives und unterstützendes Klima in ihren Einrichtungen zu schaffen.

Die GEW sieht allerdings Nachholbedarf beim Schulpersonal. „Es gibt nach wie vor zu wenig Schulsozialarbeiter und -psychologen an den Schulen“, sagt der stellvertretende Landesvorsitzende aus NRW, Sebastian Krebs, gegenüber dem WDR. Außerdem müsse eine Lehrkraft für weniger Schülerinnen und Schüler zuständig sein, damit sie nah genug an möglichen Sorgen und Problemen der Kinder und Jugendlichen dran sein könne. News4teachers / mit Material der dpa

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