MÜNCHEN. Angesichts des Einsatzes von Bundeswehrangehörigen als Vertretungslehrkräfte an einem staatlichen Gymnasium bei München sieht die GEW die allgemein anerkannten Grundsätze politischer Bildung verletzt. „Es darf auf keinen Fall die Schwelle zur Anwerbung Minderjähriger für das Militär überschritten werden. Dies kann beim Einsatz von Soldat*innen als Lehrkräften schwerlich sichergestellt werden“, sagte Martina Borgendale, Vorsitzende der GEW Bayern.
Der Fall: Am staatlichen Lise-Meitner-Gymnasium Unterhaching bei München waren Studierende der Universität der Bundeswehr München, überwiegend Offizieranwärter und Offiziersanwärterinnen, für Vertretungsstunden eingesetzt worden. Sie stellten sich nach Angaben der Gewerkschaft den Schülerinnen und Schülern im Unterricht auch als Militärangehörige vor, gaben Auskunft zu ihrem Beruf und wurden wohl überwiegend in den Jahrgangsstufen fünf bis neun eingesetzt. Der Einsatz begann im März und sei nun zum 3. Juni 2022 beendet worden.
Das Kultusministerium, so berichtet die “Süddeutsche Zeitung”, räumt den Sachverhalt ein. Den Angaben zufolge hatte das Gymnasium wegen der Corona-Pandemie im Winter und Frühjahr ungewöhnlich hohe Personalausfälle. Die Schulleitung habe daher Ehrenamtliche für Verwaltungs- und Aufsichtsaufgaben gesucht und dabei auch in der nahegelegenen Universität der Bundeswehr angefragt, ob Studenten aus dem Bereich der Sozialwissenschaften bereit wären, in einer Art Praktikum der Schule zu helfen, wie ein Sprecher erklärte.
Sechs Studenten und eine Studentin hätten sich bereit erklärt, die Schule freiwillig und ehrenamtlich zu unterstützen. Dies sei nicht im Rahmen ihrer Dienstaufgaben bei der Bundeswehr geschehen, auch hätten die Studenten weder eigenverantwortlich Unterricht gehalten, noch politische Bildung vermittelt. In den beaufsichtigten Stunden sollten dem Ministerium zufolge allein die von Lehrkräften konzipierten Arbeitsaufträge ausgegeben und die Schülerinnen und Schüler bei der Bearbeitung beaufsichtigt und gegebenenfalls unterstützt werden.
“Der massive Lehrkräftemangel ist nach Grund-, Mittel- und Förderschulen längst auch in Berufsschulen und Gymnasien angekommen”
Die Studierenden seien bei der Einweisung schriftlich über ihr Aufgabengebiet informiert worden und hätten den Hinweis erhalten, darauf zu achten, dass ihre Tätigkeit nicht als Werbung für die Bundeswehr verstanden wird. Auch seien die Eltern durch einen Elternbrief über die bis zu den Pfingstferien begrenzte Maßnahme unterrichtet worden. Beschwerden von Schülerinnen, Schülern oder deren Eltern über den Einsatz der Studierenden sind dem Ministerium nach eigenen Angaben nicht bekannt.
Das ficht die GEW nicht an. Politische Bildung, auch in Fragen der Sicherheitspolitik, gehöre in die Hand der dafür ausgebildeten pädagogischen Fachkräfte und nicht in die von Bundeswehrstudierenden oder Jugendoffiziere – meint die Gewerkschaft. Die bundesweit anerkannten Prinzipien politischer Bildung müssten weiterhin eingehalten werden. Eine wichtige Referenz sei dabei der „Beutelsbacher Konsens“ mit den Grundsätzen von kontroverser Darstellung kontrovers diskutierter Themen und dem Indoktrinationsverbot. Dies sei mit Offiziersanwärterinnen und -anwärtern, die allein in den Unterricht geschickt werden, nicht möglich.
Die GEW betont, dass Militarismus und autoritäre Strukturen in der Gesellschaft ein Problem darstellen. Und: Sie meint, dass der Einsatz von Militärangehörigen zumindest bei Minderjährigen unstatthaft ist. „Die Rekrutierung von Minderjährigen widerspricht den Prinzipien der UN-Kinderrechtskonvention. Zu einem Anwerbeverbot bei Jugendlichen unter 18 Jahren haben sich bereits mehr als 150 Staaten weltweit, darunter 23 NATO-Staaten und 21 EU-Länder, verpflichtet. Der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes und die Kinderkommission des Bundestags haben die Bundesregierung mehrfach aufgefordert, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben“, so heißt es in einer Erklärung der Gewerkschaft.
Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW, betont hierzu: „Es muss strikt darauf geachtet werden, dass die Bundeswehr weder offen noch verdeckt Minderjährige für den Militärdienst anwirbt. Wo dies jedoch der Fall ist, muss die Schulaufsicht informiert und tätig werden sowie bei der Bundeswehr Beschwerde eingelegt werden.“ Die GEW ist Teil des Bündnisses “Unter 18 nie! Keine Minderjährigen in der Bundeswehr”.
Schulleitungen und Kollegien seien verständlicherweise froh, die Versorgung mit Lehrkräften irgendwie zu bewerkstelligen. Man sehe bei diesem Fall des Einsatzes von Militärangehörigen im Unterricht, was die Staatsregierung mit dem hausgemachten Lehrkräftemangel anrichte: „Sie bringt Schulen vor Ort in die Lage, auch nach dem allerletzten ‚Strohhalm‘ in punkto Unterrichtsversorgung zu greifen. Der massive Lehrkräftemangel ist nach Grund-, Mittel- und Förderschulen längst auch in Berufsschulen und Gymnasien angekommen. Gerade die Versorgung der Gymnasien mit ausreichenden Planstellen angesichts der näher rückenden zusätzlichen Jahrgangsstufe 13 des G 9 steht noch immer aus.“ News4teachers