Website-Icon News4teachers

Schülerleistungen verschlechtern sich seit 2011 dramatisch – KMK macht Corona verantwortlich

BERLIN. Viertklässler in Deutschland haben einer Studie zufolge zunehmende Rechtschreib-, Lese- und Matheprobleme und sind im Vergleich zu Viertklässlern vor zehn Jahren deutlich zurückgefallen. Das zeigen Ergebnisse einer am Freitag von der Kultusministerkonferenz (KMK) vorgestellten Untersuchung, den IQB-Bildungstrends, die im Abstand von fünf Jahren die Kompetenzen in dieser Altersklasse repräsentativ untersucht. Die KMK macht die Schulschließungen während der Corona-Krise für die schlechten Ergebnisse verantwortlich – im offensichtlichen Bemühen, die Studie politisch zu instrumentalisieren.

Absturz: Der aktuelle IQB-Viertklässler-Test ist deutlich schlechter ausgefallen als der von 2011. Illustration: Shutterstock

Der Studie zufolge erreichen signifikant weniger Viertklässlerinnen und Viertklässlern in den Fächern Deutsch und Mathematik im Vergleich zu den letzten Erhebungen in den Jahren 2011 und 2016 die KMK-Bildungsstandards. Im Vergleich zur letzten Erhebung 2016 entsprechen die Kompetenzrückgänge im Lesen etwa einem Drittel, in Rechtschreibung und Mathematik einem Viertel eines Schuljahres, heißt es in der Untersuchung. Verglichen mit 2011 sind es sogar Rückstände von rund einem halben Schuljahr. Zur Erinnerung: Die Pandemie brach erst im Frühjahr 2020 in Deutschland aus.

Fast jeder dritte Viertklässler macht so viele Rechtschreibfehler, dass er die definierten Mindestanforderungen nicht erreicht

Weitere Ergebnisse: Der Anteil der Kinder, die die Mindeststandards verfehlen, ist teilweise deutlich gestiegen, und die sozialen und zuwanderungsbezogenen Disparitäten haben sich verstärkt. Überall haben sich die Resultate verschlechtert. Besonders auffällig ist es bei der Rechtschreibung: Weniger als die Hälfte der Viertklässler (44 Prozent) erreichte hier den «Regelstandard», also das, was im Schnitt von Schülerinnen und Schülern in diesem Alter erwartet wird und fast ein Drittel (30 Prozent) verfehlte den «Mindeststandard» – heißt: Fast jeder dritte Grundschüler in der vierten Klasse macht so viele Rechtschreibfehler, dass er die definierten Mindestanforderungen nicht erreicht. Beim Lesen, Zuhören und in Mathe erreichte etwa jeder Fünfte nicht die Mindeststandards.

Anzeige

Die Studie bestätigt nicht nur, dass Erfolg in der Schule stark vom Elternhaus abhängt, sondern kommt zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und «sozioökonomischem Status» der Familie sogar in allen Bereichen «signifikant» zugenommen hat. Verwiesen wird auch darauf, dass sich die «zuwanderungsbezogene Heterogenität» der Schülerschaft zwischen 2016 und 2021 weiter erhöht habe. Die stärksten Kompetenzrückgänge seien fast durchgängig für Schüler zu verzeichnen, die im Ausland geboren sind. Bei Schülern ohne Zuwanderungshintergrund fielen sie geringer aus.

Grundlage waren Tests an fast 1500 Schulen in ganz Deutschland mit etwa 27 000 Viertklässlern zwischen April und August 2021. Die KMK sieht sich durch die Ergebnisse in ihrer Einschätzung bestätigt, dass «die Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen in der Corona-Zeit» Schülerinnen und Schüler «erheblich zurückgeworfen» hätten, wie es in einer Mitteilung hieß.

Die Autorinnen und Autoren der Studie vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) gehen zwar davon aus, dass die Corona-Einschränkungen «zumindest teilweise» verantwortlich sind. Sie schreiben aber auch, die «ungünstigen» Entwicklungen ließen sich nicht eindeutig darauf zurückführen, da es auch schon zwischen 2011 und 2016 Verschlechterungen gab. Es sei nicht auszuschließen, dass sich diese im weiteren Verlauf auch ohne die Pandemie fortgesetzt hätten.

Prof. Petra Stanat, wissenschaftliche Leiterin des IQB: „Die ungünstigen Veränderungen in den erreichten Kompetenzen sind deutlich und sicherlich nicht unwesentlich darauf zurückzuführen, dass diese Kohorte von Kindern von den pandemiebedingten Einschränkungen betroffen war. Allerdings haben auch schon in den früheren Kohorten zu viele Kinder nicht die Mindeststandards erreicht. Um diese Kinder muss sich das Bildungssystem systematischer kümmern.“

KMK-Präsidentin Karin Prien (CDU), Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, geht in ihrer Stellungnahme auf die langfristige negative Entwicklung gar nicht ein: „Die Folgen der Corona-Pandemie bei den Viertklässlerinnen und Viertklässlern sind gravierend. Die Ergebnisse zeigen, dass besonders Kinder von den pandemiebedingten Schulschließungen betroffen waren, die zu Hause weniger Unterstützung erhalten können. Dies unterstreicht einmal mehr die Bedeutung von schulischem Lernen für die Bildungsgerechtigkeit. Die Schülerinnen und Schüler brauchen den Präsenzunterricht in der Schule und langfristig angelegte Maßnahmen, um die pandemiebedingten Lernrückstände aufzuholen.“

«Im kommenden Schuljahr darf es keine erneuten Schulschließungen mehr geben!»

In die gleiche Kerbe schlägt Ties Rabe, Hamburger Bildungssenator und Sprecher der SPD-geführten Kultusministerien: „Erneut bestätigt eine wichtige Studie die schlimmen Folgen der Schulschließungen und Unterrichtseinschränkungen in der Corona-Zeit: Viele Schülerinnen und Schüler haben den Anschluss verloren und große Lernrückstände. Es schmerzt besonders, dass die Schulschließungen gerade bei Kindern mit Lernproblemen die schlimmsten Auswirkungen hatten. Die IQB-Studie bestätigt erneut die Zweifel vieler Kultusminister, dass der deutsche Corona-Sonderweg mit den meisten Schulschließungen aller westeuropäischen Länder wirklich richtig war.“

Für die saarländische Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD) ist deshalb klar: «Im kommenden Schuljahr darf es keine erneuten Schulschließungen mehr geben!»

Davon, dass sich die Schülerleistungen seit 2011 verschlechtern – kein Wort. News4teachers / mit Material der dpa

IQB-Bildungstrend: Bildungsforscherin identifiziert drei Handlungsfelder

 

Die mobile Version verlassen