BERLIN. Maskenpflicht in Schulen? Könnte im Herbst zurückkehren, für Schülerinnen und Schüler ab Klasse 5 jedenfalls. Dies sieht der Entwurf eines neuen Infektionsschutzgesetzes vor, das ab Oktober gelten soll. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) schießt allerdings quer: Er will verhindern, dass Kinder und Jugendliche wieder mit dem sogenannten «Mund-Nasen-Schutz» im Unterricht sitzen müssen – selbst um den Preis, dass sich Lehrkräfte in großer Zahl anstecken. Das gehöre zum «Berufsrisiko», meint der Verband lapidar.
Der BVKJ vertritt seit Anbeginn der Pandemie steile Thesen. Ob Schließungen, Testpflicht oder Maskenpflicht – der Verband polemisierte immer wieder gegen Schutzmaßnahmen in Schulen. BVKJ-Präsident Dr. med. Thomas Fischbach machte schon zu Beginn der Krise Stimmung gegen jegliche Einschränkungen im Kita- und Schulbetrieb, wie News4teacheres berichtete. Im August 2020 behauptete er, Infektionen an Schulen gingen nur von Lehrern aus – weshalb Schülerinnen und Schüler keine Masken zu tragen bräuchten. Im März 2021 dann wandte sich der niedergelassene Kinderarzt aus Solingen öffentlich gegen Corona-Tests an Schulen.
Anfang Oktober 2021 schließlich – bei bereits stark steigenden Inzidenzen insbesondere unter Kindern und Jugendlichen – sprach sich Fischbach gegen eine Maskenpflicht im Unterricht aus. «Unangemessen», so nannte Fischbach die Schutzmaßnahme. Er sehe keinen Grund, warum etwa Grundschüler im Unterricht grundsätzlich weiterhin Maske tragen sollten, zumal sie erheblich weniger zum Infektionsgeschehen beitrügen als Jugendliche und Erwachsene. Dass es auch darum geht, Kinder selbst vor Infektionen zu schützen? Focht den Mediziner nicht an. «Die Covid-Verharmlosung bei Kindern muss enden», schimpfte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auch in Richtung der Kinderärzte.
“So kann man durchaus sagen, das ist ein Risiko, was ein Lehrer in den meisten Fällen mittleren Alters und gesund durchaus tragen kann”
Zahlreiche Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, folgten gleichwohl im vergangenen Herbst dem Rat des BVKJ und hoben die Maskenpflicht im Unterricht auf – mit der Folge, dass das Infektionsgeschehen unter Schülerinnen und Schülern geradezu explodierte. Anfang Dezember wurden die Masken in den Klassen dann bundesweit wieder eingeführt. Und was kommunizierte der Kinderärzte-Verband? Statt kleinere Brötchen zu backen, ging er erneut in die Offensive – und schimpfte über Lehrkräfte: Die hätten für bessere Hygiene an Schulen zu sorgen, so hieß es im Januar (News4teachers berichtete).
Jetzt erlaubt sich der BVKJ eine neue Breitseite. Aus seiner Sicht verschieben Masken an Schulen Infektionen nur zeitlich nach hinten, verhindern sie aber nicht. Der Verband stellt sich deshalb gegen eine Rückkehr der Maskenpflicht in Klassenzimmern (wie sie das für Oktober geplante Infektionsschutzgesetz als mögliche Maßnahme ab Klasse 5 vorsieht) – selbst um den Preis, dass sich Lehrkräfte in großer Zahl infizieren.
Dr. med. Melanie Ahaus, Pressesprecherin im sächsischen Landesverband und Kinderärztin aus Leipzig, erklärt gegenüber dem «Mitteldeutschen Rundfunk» (mdr): Da die Kinder in der Regel sehr leichte Krankheitsverläufe hätten, sei eine «Übervorsicht» ihrer Meinung nach nicht mehr angebracht – was für sie eben schon die Maskenpflicht darstellt (die, nebenbei, in Kliniken und Arztpraxen nach wie vor gilt).
Ahaus: «Man kann sich natürlich immer wieder anstecken, aber man sieht doch, dass diese Verläufe, wenn man geimpft ist oder sogar auch schon einmal diese Erkrankung hatte, also die sogenannte Hybridimmunität, dass man dann vor einem schweren Verlauf sehr gut geschützt ist. So kann man durchaus sagen, das ist ein Risiko, was ein Lehrer in den meisten Fällen mittleren Alters und gesund durchaus tragen kann.» Sich bei den Kindern und Jugendlichen anzustecken, gehöre quasi zum Berufsrisiko. Außerdem steckten sich Lehrer und Lehrerinnen deutlich seltener bei den Kindern an als andersherum, behauptet die Kinderärztin – eine wissenschaftlich unbelegte These.
Ahaus meint auch, dass es für die Entwicklung der Kinder nicht förderlich sei, wenn sie mit Masken in den Schulen säßen: «Der Lehrer wird schlechter verstanden und der Lehrer kann die Schüler schlechter verstehen. Ein großer Teil der Kommunikation geht verloren und die Kinder leiden unter dem Tragen der Masken viel mehr als unter der Krankheit selber. Das kann nicht immer wieder zu Lasten der Kinder ausgetragen werden.»
Offensichtlich lesen die BVKJ-Funktionäre die Stellungnahmen ihres eigenen Verbandes nicht – wie die zur «Verwendung von Masken bei Kindern zur Verhinderung einer Infektion mit SARS-CoV-2», im November 2020 gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) herausgegeben.
“Auch führen Masken bei entsprechender Aufklärung von Eltern und Kindern nicht zu seelischen Problemen oder gar Schäden”
Darin heißt es: «Auf die empfohlene Art und mit Empathie für Kinder und mit gesundem Menschenverstand unter Aufsicht verständnisvoller Erwachsener eingesetzt, sind unerwünschte Wirkungen von Masken mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Befürchtungen, Masken könnten die Atmung beeinträchtigen, die Versorgung mit Sauerstoff gefährden oder zu einer gefährlichen Anreicherung von Kohlendioxid führen, sind unbegründet. Auch führen Masken bei entsprechender Aufklärung von Eltern und Kindern nicht zu seelischen Problemen oder gar Schäden. Vielmehr schützen sie das tragende Kind und evtl. auch seine Umgebung.»
Und was ist mit der These, Masken verhindern keine Infektionen, sondern verschieben sie nur? Unsinn – entgegnet Prof. Eberhard Bodenschatz. Direktor des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen. «Aktuelle Studien zeigen, dass das Tragen von Masken und regelmäßiges Testen die Infektionsrisiken am stärksten senken können», so erklärt er. Weiter zitiert ihn der mdr: «Es muss unser Bestreben sein, möglichst wenig zu erkranken und nicht möglichst oft zu erkranken.» News4teachers
Infektiologe (gegen Kinderärzte-Verband): Corona an Schulen nicht einfach laufen lassen
