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Der Klimawandel bedroht die Menschheit – Forscher fordern mehr Aufklärung, Lehrer entsprechend angepasste Lehrpläne

BERLIN. Könnte die Menschheit durch den Klimawandel aussterben? Solche Endzeit-Perspektiven werden nach Ansicht mancher Experten zu wenig beachtet. Sie fordern mehr Forschung und mehr Aufklärung – alles andere sei «fatal töricht». Lehrerverbände warnen zwar vor «Horrorszenarien», sehen aber die Notwendigkeit, in den Schulen die Bildung für nachaltige Entwicklung (BNE) zu stärken. 

Wir werden unsere Lebensweise ändern müssen – hin zu mehr Nachhaltigkeit. Die Hintergründe soll die Bildung für nachhaltige Bildung (BNE) vermitteln. Foto: Shutterstock

Der Klimawandel könnte nach Ansicht von Experten im schlimmsten Fall zum Aussterben der Menschheit führen. Bisher wisse man zu wenig über solche Endzeit-Szenarien und deren Wahrscheinlichkeit, schreibt ein internationales Team in den «Proceedings» der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften («PNAS»). Unter der Überschrift «Klima-Endspiel: Erforschung katastrophaler Szenarien des Klimawandels» plädieren die Autoren für ein umsichtigeres Risikomanagement und mehr Forschung zu den schlimmstmöglichen Folgen der Erderwärmung. Die Welt müsse anfangen, sich auch auf Endzeit-Szenarien durch den Klimawandel vorzubereiten.

«Es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass der Klimawandel katastrophale Ausmaße annehmen könnte», schreiben die Wissenschaftler, darunter der frühere und ein aktueller Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber und Johan Rockström. Trotz 30-jähriger Bemühungen seien die durch den Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen weiter gestiegen. «Selbst wenn man den schlimmsten Fall von Klimaänderungen außer Acht lässt, ist die Welt auf dem besten Weg, bis zum Jahr 2100 einen Temperaturanstieg zwischen 2,1 und 3,9 Grad zu erleben.»

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Dennoch seien die Folgen einer Erwärmung um 3 Grad bisher nicht ausreichend untersucht. Die Forschung fokussiere sich auf Szenarien, bei denen die Folgen des Klimawandels moderat seien. «Sich einer Zukunft mit beschleunigtem Klimawandel zu stellen, ohne die schlimmsten Szenarien zu bedenken, ist bestenfalls naives Risikomanagement und schlimmstenfalls fatal töricht», heißt es.

Für den Klimaforscher Niklas Höhne von der Universität Wageningen ist das Worst-Case-Szenario des Aussterbens noch «relativ weit weg». «Aber davor gibt es Abstufungen», sagte der Experte, der nicht an dem Artikel beteiligt war. «Dass ganze Landesteile und Länder nicht mehr bewohnbar sind, ist durchaus wahrscheinlich.»

«Wir verstehen immer mehr das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen von Klimawandel und anderen Bereichen»

In ihrem Artikel schreiben die Forscher über die Ausweitung von Gebieten mit extremer Hitze – also einer jährlichen Durchschnittstemperatur von über 29 Grad Celsius. Gegenwärtig seien davon rund 30 Millionen Menschen in der Sahara und an der Golfküste betroffen. Laut Modellierungen des Teams könnten bis 2070 zwei Milliarden Menschen in solchen Gebieten leben.

Das zeige, wie komplex Klimafolgen sein könnten. «Bis 2070 werden diese Temperaturen und die sozialen und politischen Folgen zwei Atommächte und sieben Hochsicherheitslabore, in denen die gefährlichsten Krankheitserreger untergebracht sind, direkt betreffen», sagt Ko-Autor Chi Xu von der chinesischen Universität Nanjing. «Es besteht ein ernsthaftes Potenzial für katastrophale Folgewirkungen.»

Die Wissenschaftler plädieren deshalb dafür, komplexere Zusammenhänge in künftige Risikobewertungen einzubeziehen. Sie warnen vor einer «Risikokaskade», bei der einzelne Folgen des Klimawandels weitere Probleme auslösen. So könnten Hitze und unbewohnbare Gegenden etwa zu Migration, sozialen Unruhen und internationalen Konflikten führen.

«Wir verstehen immer mehr das Zusammenspiel und die Wechselwirkungen von Klimawandel und anderen Bereichen wie Biodiversität, Ökonomie oder auch Nahrungsmittelproduktion», sagt Daniela Jacob, Direktorin des German Institute for Climate Services (GERICS), die nicht an dem Artikel beteiligt war. «Jetzt ist man so weit, dass man dieses Wissen zusammentragen kann und somit wichtige Erkenntnisse für das Überleben des Erdsystems generiert.»

«Im Dialog mit der Öffentlichkeit kommt man mit solchen Endzeit-Szenarien nicht weiter»

Besonders gefährlich seien die Folgen des Klimawandels mit Blick auf Kipppunkte, schreiben die Wissenschaftler. Diese Schwellenwerte sind vergleichbar mit einer Tasse auf einem Tisch: Schiebt man sie Richtung Rand, passiert zunächst nichts – bis sie an einen Kipppunkt gerät, an dem sie abstürzt. Für den Klimawandel heißt das etwa: Die Schmelze in einer Eisregion erreicht einen Punkt, an dem sie nicht mehr aufzuhalten ist. Sind Eisregionen abgeschmolzen, ist das Eis erst einmal weg. Besonders gefährlich sei dies, wenn ein Kipppunkt zu einem weiteren führe.

Nach Ansicht der Autoren hat sich auch der Weltklimarat (IPCC) noch nicht ausreichend mit möglichen katastrophalen Folgen des Klimawandels befasst. Keiner der 14 Sonderberichte des IPCCs behandele extreme oder katastrophale Klimaveränderungen. Sie sollten den Autoren zufolge im nächsten Bericht berücksichtigt werden.

Jacob, die selbst Leitautorin eines IPCC-Sonderberichts war, spricht sich ebenfalls dafür aus. «Ich fände das richtig, weil es zwei Dinge tut: Ein Sonderbericht sammelt zum einen den Stand des Wissens zum Thema. Das zeigt, ob wir genug wissen oder Lücken haben», sagt sie. «Und zum anderen triggert diese Analyse Forschung.»

Ob solche Szenarien aber außerhalb der Wissenschaft diskutiert werden sollten, sei fraglich. «Das ist für mich ein Schritt zu früh», sagt sie. «Im Dialog mit der Öffentlichkeit kommt man mit solchen Endzeit-Szenarien nicht weiter, wenn man noch nicht weiß, was genau auf einen zukommen kann, wann das passieren könnte und was man tun muss, um das Schlimmste zu verhindern.»

Höhne hält es dagegen für wichtig, Menschen über Worst-Case-Szenarien aufzuklären. «Wir müssen klar kommunizieren, was die Risiken sind. Und auf der anderen Seite sagen: Wir haben es noch in der Hand», sagt der Forscher. «Wir wissen, wie es geht, wir haben die Technologien und kennen die politischen Maßnahmen. Es ist nicht einmal teuer, langfristig sogar billiger, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.» News4teachers / mit Material der dpa

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Immer mehr Lehrer engagieren sich für das Thema Klimaschutz. In Bayern hat die Arbeitsgemeinschaft bayerischer Lehrerverbände (abl), der unter anderem der Philologenverband und der Realschullehrerverband VDR angehören, eine Stellungnahme zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) herausgegeben.

Darin heißt es: “Die jüngsten Erkenntnisse des IPCC vom April 2022 (gemeint ist der Weltklimarat, d. Red.) machen es zur vordringlichen Aufgabe, Bildung für nachhaltige Entwicklung in den unterschiedlichen Schularten zu stärken, um Beliebigkeit und eine Ideologisierung zu vermeiden, Fachlichkeit zu betonen, Schüler zu aktivieren und Handlungsdruck auf Politik und Gesellschaft zu erzeugen. Die Schulen stehen dabei
für die nachfolgenden Generationen in der Pflicht und der Verantwortung keine Horrorszenarien zu entwerfen, sondern den Schülerinnen und Schülern aufzuzeigen, welche Schritte im eigenen, gesellschaftlichen und politischen Verhalten erforderlich sind, um uns eine lebenswerte Umwelt zu erhalten und an bereits feststehende Entwicklungen anzupassen. Es ist unabdingbar, dass die Komplexität des Themas allen Schülerinnen und Schülern nahegebracht und gleichzeitig die Dringlichkeit zu handeln verdeutlicht wird.”

Die Lehrerverbände fordern konkret:

  • 1. BNE in den Lehrplänen aller Fächer oder Fachrichtungen verbindlich verankern!
  • 2. BNEThemen und Fragen in allen Abschlussprüfungen stärker einbinden!
  • 3. BNE in die Lehrkräftebildung und fortbildung verpflichtend aufnehmen!
  • 4. KMBek („Richtlinie für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen“ von 2003,d. Red.) aktualisieren und das Thema innerschulisch durch Einführung von BNEKoordinatorinnen und Koordinatoren aufwerten!
  • 5. Das Schulleben außerhalb des (Pflicht)Unterrichts durch entsprechende Schulentwicklungsprozesse „BNEgerecht“ ausrichten (Mensa, Ganztag, Fahrten, Feste usw.)!
  • 6. Intensive Kooperationen mit externen Partnern anbahnen und nutzen!
  • 7. Bereits in Schulen implementierte, positive Ansätze und konkrete Projekte wie „Klimaschule Bayern“ ausbauen und in die Fläche bringen!

“Wir, die Lehrerverbände in der abl, sind bereit, unseren Beitrag im Bereich BNE zu leisten und die entsprechenden Stellen und Institutionen bei der Umsetzung der Maßnahmen beratend zu unterstützen. Vor uns liegt eine enorme, gesamtgesellschaftliche Aufgabe von existentieller Bedeutung für zukünftige Generationen packen wir sie gemeinsam an!”

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