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Neue Spitze im Luftfilter-Skandal: Länder lassen knapp 80 Prozent der Bundesmittel für mobile Luftfilter in Schulen verfallen

BERLIN. Um Schulen und Kitas mit mobilen Luftreinigern auszustatten und damit für einen besseren Corona-Schutz zu sorgen, hat der Bund den Ländern 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Doch die Mittel wurden nirgendwo voll ausgeschöpft – im Gegenteil: Das meiste Geld blieb ungenutzt liegen.

Das Programm ist ausgelaufen – die Förderung ist futsch. Illustration: Shutterstock

Die Bundesländer haben weniger als ein Viertel der Bundesmittel für mobile Luftreiniger an Schulen und Kitas abgerufen. Das geht aus einer Bilanz zum Ende der Förderung hervor, die das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage übermittelt hat. Demnach hatten die Länder bis zum 11. August dieses Jahres knapp 43,2 Millionen der verfügbaren Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro in Anspruch genommen. Das entspricht knapp 22 Prozent. Zuvor hatte der Fachdienst «Table Media» über die Abrufzahlen berichtet – allerdings über einen früheren Stand.

Bei den Zahlen, die nun vorliegen, handelt es sich dem Ministerium zufolge um die endgültige Bilanz der Auszahlungen. Weitere seien nicht vorgesehen, da das Förderprogramm für mobile Luftfilter am 31. Juli dieses Jahres ausgelaufen sei. Eine Verlängerung des Programms ist den Angaben zufolge nicht geplant.

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«Offiziell gefördert werden Luftfilter nur in solchen Räumen, die nicht gelüftet werden können – die es also in der Regel in Schulen gar nicht gibt»

«Das Bundesförderprogramm ist aus unserer Sicht ein Flop», so hatte Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe Anfang der Woche gegenüber der «Rheinischen Post» gesagt. «Offiziell gefördert werden vom Bund Luftfilter nur in solchen Räumen, die nicht gelüftet werden können, also entweder über gar keine Fenster verfügen oder nur über Fenster, die nicht geöffnet werden können. Solche Unterrichtsräume gibt es in der Regel in keiner normalen Schule», sagte Rabe (und bestätigte damit das, was News4teachers bereits vor einem Jahr berichtete – hier nachzulesen). Das Programm sei damit von vornherein nur auf eine extrem kleine Zahl von Unterrichtsräumen begrenzt gewesen. Zumal als weitere Einschränkung galt: Förderung gab es nur für Klassenräume, in denen Kinder bis maximal zwölf Jahren unterrichtet werden.

Besonders gestört hat das aber offenbar kaum einen Kultusminister; Beschwerden über den mangelhaften Zuschnitt des Programms wurden aus ihren Reihen nicht laut. Zwar berichtete Amira Mohamed Ali, Fraktionschefin der Linken im Bundestag, bereits im vergangenen Jahr, dass «einige Schulen bereits ihre Fenster verriegeln», um an die Förderung zu kommen. Allerdings, und das dürfte letztlich der Hauptgrund für das Desinteresse sein: Der Bund wollte lediglich 50 Prozent der Anschaffungskosten der Geräte übernehmen, die bei einem Stückpreis von 3.000 Euro liegen. 1.500 Euro – oder umgerechnet rund 75 Euro pro Schüler – waren den meisten Ländern aber zu viel.

Die meisten Bundesmittel für mobile Luftfilter, gemessen an den für das jeweilige Bundesland maximal möglichen Auszahlungen, haben demnach die Länder Hamburg (mehr als 87 Prozent), Thüringen (knapp 76 Prozent) und Bremen (fast 58 Prozent) abgerufen. Hamburg und Bremen sind tatsächlich die einzigen beiden Bundesländer, die ihre Schulen praktisch vollständig mit den Geräten ausgestattet haben; Bayern und Berlin kommen immerhin auf nennenswerte Quoten.

Besonders wenig wurde die Förderung dagegen in Sachsen (knapp 6,5 Prozent) und Rheinland-Pfalz (fünf Prozent) angenommen. Die Wirkung der Geräte sei nicht belegt, behauptet das sächsische Kultusministerium (was nicht stimmt – und die Frage aufwirft, warum dann der Bund überhaupt ein Förderprogramm aufgelegt hat). Das Saarland liegt mit nur knapp 3,9 Prozent der möglichen Auszahlungssumme auf dem letzten Platz unter den Bundesländern. Dort wurden von der maximal möglichen Förderung in Höhe von knapp 2,4 Millionen Euro lediglich rund 95.000 Euro geltend gemacht.

Das Förderprogramm für die mobilen Luftreiniger war am 20. August des vergangenen Jahres an den Start gegangen. Der Bund habe den Ländern damit ein Angebot gemacht, sie bei der Ausstattung mit Luftreinigern an Schulen und Kitas zu unterstützen, erklärte das Ministerium. Das Programm sei «ein Baustein von vielen, um einen geeigneten Infektionsschutz in Schulen und Kitas zu fördern», hieß es weiter. Einige Länder hätten schon vorher eigene Förderprogramme dafür aufgesetzt.

Die Debatte um Luftfilter hatte zum jüngsten Schulstart in einigen Bundesländern noch mal an Fahrt aufgenommen. So hatte etwa der Bundesvorsitzende des Verbands für Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, erst kürzlich beklagt, dass es in Deutschland nach wie vor keine flächendeckende Ausstattung mit Luftreinigern gebe.

Neben mobilen Luftreinigern kommen zum Infektionsschutz an Schulen auch Luftfilter in Frage, die in stationäre, also bereits eingebaute Lüftungsanlagen eingesetzt werden. Im vergangenen Jahr waren nach Angaben des Umweltbundesamts rund zehn Prozent der Schulen mit fest installierten Lüftungsanlagen ausgestattet. Dort wären mobile Reiniger also nicht erforderlich. Tatsächlich hatte der Bund ursprünglich im vergangenen Jahr nur den Ausbau von Lüftungsanlagen in Schulen und Kitas fördern wollen – aber auch dieses erste Förderprogramm war gefloppt.

«Gut gegen Corona und auch langfristig ist gute Raumluft gut fürs ‚Lernklima‘! ToDo: In den Sommerferien einbauen!»

Der damalige Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) twitterte im Juni 2021, also als die ersten Bundesländer bereits in den Sommerferien waren: «Achtung Schulträger: Ab sofort fördert das Wirtschaftsministerium den Neueinbau von stationären Frischluft-Klimaanlagen in Kindergärten und Grundschulen zu 80%! Gut gegen Corona und auch langfristig ist gute Raumluft gut fürs ‚Lernklima‘! ToDo: In den Sommerferien einbauen!» Die Antwort des Städte- und Gemeindebundes kam postwendend: «Die Idee, umfangreiche Luftfilteranlagen während der Sommerferien einzubauen, ist eine Illusion.» Solche Bauvorhaben dauerten lange.

Daraufhin wurde das Programm auf mobile Luftfilter ausgeweitet. Jetzt, mehr als ein Jahr später, ist klar: Ob dies oder das – es hat sich für Kitas und Schulen in Sachen Corona-Schutz praktisch nichts getan. News4teachers / mit Material der dpa

Der Luftfilter-Skandal: Wie Kommunen versuchen, sich um die Anschaffung zu drücken

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