DÜSSELDORF. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat einer Mutter, die ihren 15-jährigen Sohn aus Angst vor dem Coronavirus seit neun Monaten nicht mehr zur Schule schickt, zu Recht ein Zwangsgeld angedroht. Das hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf nun entschieden. Laut Beschluss müssen Eltern der „gesetzlich verankerten Verantwortung“ nachkommen, ihr schulpflichtiges Kind regelmäßig am Unterricht teilnehmen zu lassen – auch in einer Pandemie-Welle, die die Inzidenzen unter Schülern bundesweit auf Werte jenseits der 3.000 getrieben hatte. Die Schutzmaßnahmen des Staates in Schulen seien ausreichend.

Die Bezirksregierung Düsseldorf durfte gegen die Mutter eines den Präsenzunterricht verweigernden Gymnasialschülers eine Schulbesuchsaufforderung erlassen und für den Fall, dass der Schüler die Schule weiter nicht besucht, die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500 Euro androhen. Das hat die 18. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf entschieden und einen gegen die behördliche Aufforderung gerichteten Eilantrag der Mutter abgelehnt.
Der 15-jährige Düsseldorfer Gymnasiast besucht bereits seit November 2021 die Schule nicht mehr, und zwar aus Angst, sich und in der Folge seine Mutter mit dem Corona-Virus zu infizieren. Obwohl weder er noch seine Mutter zu einer Risikogruppe gehören, sind beide der Ansicht, während der Corona-Pandemie seien mit einem Schulbesuch nicht hinnehmbare Gesundheitsgefahren verbunden. Seine in diesem Zusammenhang im Jahr 2021 gestellten Anträge auf Befreiung vom Präsenzunterricht blieben indes erfolglos. Die entsprechenden Entscheidungen der Schule wurden in einem gerichtlichen Eilverfahren bestätigt.
So hieß es im Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom August 2021, die – von der Mutter seinerzeit geforderte – Befreiung vom Präsenzunterricht ab einer Inzidenz von 100 sei in der Coronabetreuungsverordnung, die den Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Corona-Virus u.a. im Schulbereich regelt, nicht enthalten (tatsächlich hatte NRW, anders als andere Bundesländer, die Präsenzpflicht nicht aufgehoben, d. Red). Soweit allgemeine schulrechtliche Regelungen die Befreiung vom Unterricht ermöglichen, habe der Schüler einen erforderlichen wichtigen Grund nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere habe er keine ärztlichen Atteste beigebracht, die für ihn oder seine Angehörigen eine erhöhte Gefährdung betreffend eine Coronainfektion belegen.
Ferner komme ein Anspruch auf Erteilung von Distanzunterricht auch nicht vor dem Hintergrund der allgemeinen Infektionslage in Betracht. Insoweit habe die Durchführung von Präsenzunterricht mit Blick auf den staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag grundsätzlich Vorrang. Mit der Pflicht zur Teilnahme am Präsenzunterricht auch im Falle einer Überschreitung der 7-Tages-Inzidenz von 100 verletze der Staat auch nicht seine Pflichten zum Schutze des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit. Denn der Gesetzgeber habe im Bereich des Schulwesens ein hinreichendes Schutzinstrumentarium zur Verfügung gestellt.
Das Gericht meint, in den Schulen würden die AHA-Regeln “möglichst umfassend” beachtet
So dürften am Unterricht nur immunisierte oder getestete Personen teilnehmen und würden entsprechende Tests wöchentlich zweimal durchgeführt. Ferner seien bei der schulischen Nutzung die allgemeinen Infektions- und Hygieneregeln (AHA-Regeln) von allen Personen möglichst umfassend zu beachten (was so nicht stimmt – die Abstandsregel galt in Schulen ausdrücklich nicht, obwohl das Robert-Koch-Institut sie ausdrücklich empfahl, d. Red.). Des Weiteren seien soweit wie möglich feste Lerngruppen und Platzverteilungen sicherzustellen. Auch bestünden diesbezügliche Dokumentationspflichten für den Fall einer erforderlichen Nachverfolgung. Schließlich bestehe innerhalb von Gebäuden eine allgemeine Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske.
Durch diese und weitere Maßnahmen – so das Gericht – komme der Staat seiner Schutzpflicht hinreichend nach. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass ihm diesbezüglich ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Ferner habe er bei einschränkenden Maßnahmen auf die Verhältnismäßigkeit zu achten und auch entgegenstehende Grundrechte zu berücksichtigen.
Weil der Schüler den Schulbesuch dennoch weiterhin verweigerte, forderte die Bezirksregierung Düsseldorf die Mutter des Schülers im Rahmen einer Ordnungsverfügung auf, den Schulbesuch ihres Sohnes sicherzustellen, und drohte für den Fall der Nichterfüllung die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 2.500 Euro an. Die Ablehnung des erneuten Eilantrages der Mutter hat das Gericht nun wie folgt begründet:
Die betreffende Anordnung beruhe auf der gesetzlich verankerten Verantwortung der Eltern, ihr schulpflichtiges Kind regelmäßig am Unterricht teilnehmen zu lassen. Die sich aus dieser Verpflichtung ergebenden Einschränkungen des Elternrechts seien vor dem Hintergrund der gesetzlichen Schulpflicht verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Schulbesuchsaufforderung sei mit Blick auf die Verweigerung des Schulbesuchs auch erforderlich gewesen. Gründe, aus denen die Mutter des Schülers nicht für einen regelmäßigen Schulbesuch Sorge tragen könne, seien nicht ersichtlich. Solche Gründe seien insbesondere nicht in den Infektionsrisiken durch das Corona-Virus zu sehen.
Das Schulministerium habe ein Handlungskonzept „mit zahlreichen Maßnahmen“ erstellt – meint das Gericht
Im Verhältnis zwischen Schüler und Staat bestehe kein Anspruch auf einen absoluten Ausschluss einer Infektion mit diesem Virus. Das Risiko, am Corona-Virus zu erkranken, lasse sich mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auf ein hinnehmbares Maß reduzieren. So könne das Infektionsrisiko auch in der Schule durch das freiwillige Tragen einer Maske minimiert werden und könnten Impfungen die Auswirkungen einer möglichen Infektion vermindern.
Zudem existierten in Zusammenschau mit diesen Möglichkeiten ausreichende staatliche Schutzvorkehrungen. Das Schulministerium habe für das kommende Schuljahr 2022/2023 ein Handlungskonzept „mit zahlreichen Maßnahmen“ erstellt (maximal fünf freiwillige Tests für zu Hause pro Schüler und Monat – das ist praktisch alles, wie News4teachers berichtet, d. Red.).
Darüber hinaus treffe der Staat mit den derzeit beabsichtigten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes bereits jetzt Vorsorge für eine mögliche negative Entwicklung des Infektionsgeschehens im Herbst und Winter (tatsächlich sieht der in dieser Woche vorgelegte Entwurf vor, dass die Bundesländer die Maskenpflicht ab Klasse 5 wieder einführen dürfen, wenn der Präsenzunterricht gefährdet ist – News4teachers berichtet auch darüber).
Gegen den Beschluss (Aktenzeichen: 18 L 621/22) kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht in Münster eingelegt werden. Völlig aussichtslos erscheint das nicht: Das Verwaltungsgericht Leipzig hat eine ähnliche Sachlage nämlich schon mal anders beurteilt als die Richterkollegen nun in Düsseldorf – und die Tatsache, dass in (Grund-)Schulen der Mindestabstand von eineinhalb Metern nicht gilt, als Verstoß gegen das Recht von Schülerinnen und Schüler auf körperliche Unversehrtheit gewertet. Der Freistaat Sachsen hob die Präsenzpflicht für Grundschüler daraufhin auf. News4teachers
