NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE. Ein klassisches Eigentor: Ein Bundesland (Rheinland-Pfalz) verbietet seinen Schulen, eine im Unterricht etablierte US-Software zu nutzen – und bremst damit die Digitalisierung der Bildung aus. Dasselbe Bundesland nutzt aber selbst einen US-Dienst, um Daten des Zensus 2022 zu speichern. Und lässt sich diese Praxis richterlich absegnen. Fällt damit auch das Verbot für Schulen?
Wegen angeblicher Bedenken beim Datenschutz dürfen Schulen in Rheinland-Pfalz die Microsoft-Software Teams nicht mehr verwenden. Datenschutzbeauftragte einzelner Bundesländer – darunter der von Rheinland-Pfalz – hatten von Microsoft (bemerkenswerterweise von keinem anderen Unternehmen) verlangt, dass der Konzern sämtliche seiner Datenströme offenlegt. Weil das schon technisch gar nicht möglich ist, sprach das Bildungsministerium ein Verbot aus. Für die Schulen bedeutete das: Ihnen blieb praktisch nichts anderes übrig, als zum Schuljahresbeginn auf die landeseigene Plattform „Schulcampus“ umzusteigen, wenn sie weiterhin digitale Formate nutzen wollen.
Seit Sommer ist die Zahl der Schulen, die die Staats-Software nutzen, lediglich um 40 Schulen gestiegen
Offenbar führt die Zwangsmaßnahme dazu, dass das digitale Engagement vieler Schulen erlahmt. Zahlen des Bildungsministeriums zeigen nämlich, dass nur 17,5 Prozent der bisherigen Microsoft-Nutzer – nach Angaben des Bildungsministeriums waren das landesweit 228 Schulen – tatsächlich auf „Schulcampus“ umgezogen sind. Bislang arbeiteten 644 der 1624 allgemeinen und berufsbildenden Schulen damit, teilte eine Sprecherin des Bildungsministeriums am Dienstag mit. Im Juni – also vor Inkrafttreten des Verbots – waren es einer früheren Meldung zufolge 604 Schulen. Heißt: Seit Sommer ist die Zahl der Schulen, die die Staats-Software nutzen, lediglich um 40 Schulen gestiegen.
Stein des Anstoßes ist die vermeintliche Übermittlung von Daten in die USA – bei Cloud-Lösungen wie Teams und dem umfassenderen Paket MS Office 365 werden Nutzerdaten übertragen. Und dort herrsche kein vergleichbares Datenschutzniveau wie in der EU, heißt es. Was dabei irritiert: Das Land Rheinland-Pfalz selbst, genauer: das Statistische Landesamt, nutzte einen US-Dienst, um Bürgerdaten im Rahmen des Zensus zu speichern – und zog sogar vor Gericht, um sich diese Praxis bestätigen zu lassen. Was das Veraltungsgericht Neustadt an der Weinstraße auch prompt erledigte: Es wies die Beschwerde von zwei Bürgern zurück.
Die Begründung: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht verletzt worden. In der Pressemitteilung zum Urteil heißt es wörtlich: „Die Heranziehung zur Auskunftserteilung verstoße auch nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen und sei insbesondere mit den Regelungen der Datenschutzgrundverordnung vereinbar. Das Hosting des öffentlichen Bereichs der Zensus 2022-Homepage durch einen US-amerikanischen Dienstleister stehe der Rechtmäßigkeit der Durchführung des Zensus 2022 nicht entgegen. Die Verarbeitung von Hosting-Daten durch den Dienstleister erfolge nur in europäischen Rechenzentren und unter ausschließlicher Nutzung europäisch registrierter IP-Adressen. Befragungsdaten der Auskunftspflichtigen zum Zensus seien von der Verarbeitung nicht umfasst, sondern lediglich allgemein zugängliche Metadaten, wie IP-Adresse des Abrufs, Internetbrowser, Betriebssystem oder Uhrzeit des Seitenaufrufs. Der Antragsgegner dürfe auf die vertraglichen Zusagen des Dienstleisters vertrauen.“
“Alle Microsoft Produkte und Dienste können in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor (z.B. an Schulen) datenschutzkonform eingesetzt werden”
Und: „Die zur technischen Umsetzung in Gestalt der Digitalisierung eingebundene Firma sei zur Geheimhaltung verpflichtet. Sie habe kein Datenzugriffsrecht und erbringe damit unter datenschutzrechtlichen Aspekten keine Dienstleistung, die einen intensiveren Zugriff auf Daten der Antragsteller erlaube, als beispielsweise die Beauftragung eines privaten Postunternehmens, das mit Übergabe eines Briefs jedenfalls potenziell gleichfalls Zugriff auf die darin enthaltenen Daten habe.“ Gegen den Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zulässig.
Pikant ist nun: Das alles trifft auf die Verarbeitung von Schuldaten ebenfalls zu. Microsoft versichert: „Alle Microsoft Produkte und Dienste können in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Sektor (z.B. an Schulen) datenschutzkonform eingesetzt werden und sind auch selbst datenschutzkonform.“ Bereits jetzt speichere Microsoft Daten weitgehend regional in Rechenzentren in der EU. „Zusätzlich – obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung dazu gibt – wird die Microsoft EU Data Boundary es künftig in der EU ansässigen Kunden aus dem öffentlichen Sektor und Unternehmenskunden ermöglichen, ihre Daten innerhalb der EU zu verarbeiten und zu speichern.“
Reaktion des Bildungsministeriums auf den Beschluss? Bislang keine. News4teachers
Hier geht es zur Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße.