HAMBURG. Laut einer internationalen Studie hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler in Deutschland, die auf nüchternen Magen zur Schule gehen, innerhalb der letzten sieben Jahre mehr als verdreifacht. Rund 20 Prozent der Eltern sehen Probleme, ihre Familie zu ernähren. Schulen schlagen Alarm: “Die Jüngsten in unserer Gesellschaft bekommen die Folgen der Inflation am härtesten zu spüren”.
Jedes vierte Kind (26 Prozent) geht hierzulande ohne Frühstück zur Schule. Das ist das alarmierende Ergebnis der repräsentativen “Food Poverty Research”-Befragung, die im Auftrag der Firma Kellogg in sieben europäischen Ländern durchgeführt worden ist – neben Deutschland gehörten dazu auch Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Belgien und Irland. Insgesamt wurden für die Studie, die auf einer Befragung von 2016 aufbaut, 10.000 Menschen zum Frühstücksverhalten der Kinder befragt. Neben den Eltern gehörten dazu auch 1850 Lehrerinnen und Lehrer.
In sieben Jahren habe sich damit der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die ohne Frühstück zur Schule kämen, verdreifacht. In der vorherigen Befragung waren es gerade einmal acht Prozent es gewesen. Im Ländervergleich frühstücken in Deutschland die wenigsten Kinder, im Unterschied etwa zu Spanien, wo 94 Prozent täglich ein Frühstück zu sich nehmen.
Fehlendes Frühstück geht zulasten der Bildung
Von den befragten Lehrerinnen und Lehrern gingen rund ein Drittel davon aus, das in ihren Klassen täglich Kinder ohne Frühstück zur Schule kämen, ihren Anteil schätzten sie auf rund die Hälfte. Rund 80 Prozent der Lehrenden gaben an, dass sie mindestens einmal die Woche bemerken, dass eines ihrer Kinder hungrig zur Schule komme. Zwei von zehn Lehrenden (18 Prozent) geben inzwischen sogar ihr eigenes Essen regelmäßig an hungrige Schülerinnen oder Schüler ab. Seit 2016 hat sich der Wert damit fast verdreifacht. 21 Prozent gaben an, dass sie für solche Situationen sogar extra einkaufen.
Förderschulleiter Torsten Marienfeld aus Duisburg bestätigt diese Ergebnisse: “Ich kann der Studie nur beipflichten. Wir erleben es immer mehr, dass Schülerinnen und Schüler ohne Frühstück und ohne Pausenbrot in die Schule geschickt werden. Es findet eine schleichende Unterversorgung vieler Schülerinnen und Schüler statt. Anstatt Pausenbrot bekommen sie Geld für Chips.”
Unter dem Ernährungsdefizit litten indes auch die schulischen Leistungen. Nach Einschätzung der Lehrkräfte beteiligt sich die Hälfte der Kinder, die ohne Frühstück im Unterricht erscheinen, nicht mehr am Unterricht. Dreiviertel von ihnen könnten sich nicht konzentrieren oder seien müde. Vier von fünf befragten Lehrerinnen und Lehrern gaben an, dass sie inzwischen zwei oder mehr Stunden die Woche aufwänden, um Kindern zu helfen, die hungrig zur Schule gekommen sind, so viele wie in keinem anderen Land der Befragung.
In Deutschland herrschen besondere prekäre Verhältnisse
Das fehlende Frühstück ist der Befragung nach auch Ausdruck der wirtschaftlichen Herausforderungen, mit denen sich viele Eltern in Deutschland konfrontiert sehen. In keinem anderen der in der Studie untersuchten Länder ist der Anteil der Befragten, die Schwierigkeiten sehen, ihre Familien zu ernähren, zuletzt so stark gestiegen wie hier. Er beläuft sich inzwischen auf 21 Prozent und hat damit gegenüber 2016 um fast zwei Drittel zugelegt. Bei 12 Prozent der Familien falle die erste Mahlzeit des Tages wegen Zeitdruck weg.
Für 16 Prozent der Kinder gebe es in der Schulpause eine erste Mahlzeit, weshalb das Frühstück ausfalle. 65 Prozent der Eltern wären grundsätzlich bereit, ihre Kinder früher zur Schule zu bringen, wenn sie dort ein Frühstücksangebot erhielten.
Kellogg Geschäftsführer Oliver Bruns sieht in den Ergebnissen auch ein gesellschaftliches Problem: “Bildungsgerechtigkeit beginnt am Frühstückstisch. Ein gutes, gesundes Frühstück ist wichtig für die Entwicklung unserer Kinder und steht im direkten Zusammenhang mit ihren schulischen Leistungen.“, so Bruns. “[…] wir sehen auch, dass es gesamtgesellschaftliche Anstrengungen bei diesem Thema braucht: Wenn das Lernen der Kinder beeinträchtigt ist, weil sie Hunger haben, ist das nicht hinnehmbar.” (zab, pm)