HANNOVER. Niedersachsens rot-grüne Landesregierung hat das geplante Aus für die Förderschulen Lernen gegen Kritik von CDU und AfD verteidigt. «Die Förderschule Lernen wird auslaufen, und ich prognostiziere Ihnen: Sie wird auch nicht wieder eingeführt werden, nicht in fünf Jahren und auch nicht in zehn Jahren», betonte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) am Mittwoch im Landtag in Hannover. Widerstand kommt allerdings nicht nur aus der Politik.
Studien belegten, so Hamburg, dass die betroffenen Schülerinnen und Schüler von der Inklusion an Regelschulen profitierten. «Sie machen vermehrt überhaupt qualifizierte Abschlüsse, und sie machen bessere Abschlüsse und haben damit viel mehr Chancen auf dem Arbeitsmarkt und für die eigenständige Gestaltung ihrer Zukunft», sagte die Kultusministerin.
Nach Angaben des Kultusministeriums gibt es derzeit noch 54 Förderschulen Lernen landesweit, rund 120 sind schon ausgelaufen. Mehr als 19.000 Schülerinnen und Schüler mit dem Unterstützungsbedarf werden bereits inklusiv beschult, lediglich 4.400 sind noch in einer Förderschule Lernen. Deren schrittweises Aus war 2012 unter dem damaligen Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) beschlossen worden.
Das Schulgesetz sieht seitdem vor: 2028 sollen die bisherigen Förderschulen Lernen endgültig abgewickelt werden. Von dann an müssen alle Kinder in den allgemeinbildenden Schulen unterrichtet werden. Dies bedeutet, dass zum Schuljahresbeginn 2022/2023 letztmalig Schülerinnen und Schüler in den Jahrgang 5 aufgenommen werden können.
Inzwischen setzt sich die mittlerweile oppositionelle CDU allerdings für einen Erhalt der Förderschulen Lernen ein. Von der SPD erntete sie dafür am Mittwoch in einer hitzigen Debatte den Vorwurf, «am rechten Rand zu fischen». Der SPD-Abgeordnete Ulrich Watermann, der nach eigenen Worten als Kind wegen einer Lese-/Rechtschreibschwäche zunächst selbst auf eine Sonderschule gehen sollte, sagte in Richtung der CDU: «Sie versündigen sich an diesen Kindern.»
«Das Hauptproblem ist von Anfang an die unzureichende personelle Ausstattung der Schulen»
Der CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner entgegnete, es gehe nicht darum, Kinder abzuschieben, sondern darum, eine Wahlfreiheit für diejenigen zu ermöglichen, die im inklusiven Schulsystem nicht zurechtkämen. Einen Gesetzentwurf der CDU zum Fortbestand der Förderschulen Lernen lehnte der Landtag anschließend ebenso ab wie einen Antrag der AfD zum Erhalt dieser Schulen.
Die Bildungsgewerkschaft GEW unterstützte diese Entscheidung – grundsätzlich jedenfalls. Allerdings bräuchten die Schulen mehr Geld für die Inklusion. «Nur wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann die inklusive Schule zum Gelingen geführt werden», sagte GEW-Landeschef Stefan Störmer.
Der Lehrerverband VNL hält das bevorstehende Ende der Förderschulen Lernen dagegen für falsch. Die Praxis habe gezeigt, dass die Umsetzung der Inklusion an vielen Schulen noch immer hake. «Das geht zu Lasten von betroffenen Schülerinnen und Schülern, die in zu großen Klassen bei zu wenigem Lehr- und Unterstützungspersonal in Regelschulen nicht zurechtkommen», meinte VNL-Chef Torsten Neumann.
Der VNL hatte sich bereits im vergangenen Jahr für ein Fortbestehen der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen ab Jahrgangsstufe 5 über das Schuljahr 2022/23 hinweg ausgesprochen. «Seit 2013 ist jede Schule in Niedersachsen eine inklusive Schule und seit nunmehr 9 Jahren läuft die Inklusion in Niedersachsen an vielen Schulen noch immer nicht rund, trotz zahlreicher Initiativen. Das Hauptproblem ist von Anfang an die unzureichende personelle Ausstattung der Schulen», sagte Neumann seinerzeit.
Er betonte: «Es fehlen nicht nur ausgebildete Fachkräfte für Förderschulpädagogik, es fehlt an vielen Schulen eine ausreichende Anzahl von Lehrkräften überhaupt. Der Lehrkräftemangel ist ein so großes Problem, dass dadurch die Umsetzung der Inklusion mittlerweile seit Jahren erheblich erschwert wird. Auch gibt es noch immer nicht genügend multiprofessionelle Teams, trotz vollmundiger Ankündigungen. Dabei benötigt Inklusion Unterstützungspersonal in großer Anzahl, wenn man allen Schülerinnen und Schülern gerecht werden will. Die Pandemiezeit hat die Probleme gerade bei den inklusiv beschulten Schülerinnen und Schülern besonders deutlich offengelegt.» News4teachers / mit Material der dpa