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Schulträger schlagen Alarm: Digitalisierung, Ganztag, Inklusion – alles gefährdet!

DÜSSELDORF. Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen machen Druck auf die schwarz-grüne Landesregierung, die Finanzierung der Schulen zu reformieren. „Es ist unbestritten, dass die Schulfinanzierung für die Zukunft neu geregelt werden muss“, meint Thomas Kufen, Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister der Stadt Essen. Sonst drohten zentrale Projekte wie die Digitalisierung der Bildungseinrichtungen und der Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule zu scheitern.

Es ist – aus Sicht der Kommunen fünf vor zwölf. Foto: Shutterstock

Kufen betont: „Die Reform der Schulfinanzen ist Dreh- und Angelpunkt für die Digitalisierung, die Ganztagsbetreuung, für Inklusion, Schulsozialarbeit und den Bau neuer Schulen in NRW. Das alles sind elementare Anforderungen an moderne und zeitgemäße Bildung, die bisher nicht angemessen finanziert werden. Leidtragende sind vor allem die Schülerinnen und Schüler, das Lehrpersonal, aber auch die Städte. Die NRW-Landesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag ein Reformversprechen abgegeben. Bis zum Ende der Legislatur brauchen wir greifbare Ergebnisse, die die Schulfinanzierung nachhaltig verbessern.”

Die Landesregierung hatte laut Städtetag die Reform im Koalitionsvertrag zu einem zentralen Vorhaben dieser Legislaturperiode erklärt und versprochen, die Finanzierung der Schulen in NRW gemeinsam mit den Kommunen zu modernisieren. „Wir Städte stehen bereit und wollen als Schulträger konstruktiv mitwirken. Es ist höchste Zeit, dass wir das in die Jahre gekommene Modell von inneren und äußeren Schulangelegenheiten auf den Prüfstand stellen und aktuellen Anforderungen anpassen“, sagt Thomas Eiskirch (SPD), stellvertretender Vorsitzender des Städtetages NRW und Oberbürgermeister der Stadt Bochum.

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„Wir müssen in die Qualität von Schulen investieren und brauchen dazu eine an den Zukunftsaufgaben ausgerichtete Finanzierung. Damit werden die Städte aber derzeit allein gelassen”

Hintergrund ist eine bundesweit geltende Verantwortungsteilung: Für die sogenannten „inneren Schulangelegenheiten“ sind die Länder zuständig. Diese gestalten das Schulwesen und führen die Schulaufsicht durch. Sie finanzieren die Lehrkräfte, erlassen Gesetze und Verordnungen oder genehmigen Schulbücher. Die Aufgabe der Gemeinden sind die äußeren Schulangelegenheiten, die sich vor allem auf Errichtung und Verwaltung der Gebäude sowie die Ausstattung mit Hilfspersonal und Sachmitteln erstrecken.

In der Praxis lassen sich die Bereiche zunehmend schwer voneinander trennen: Schulisches Personal, das nicht für den Regelunterricht zuständig ist – pädagogische Mitarbeitende im Ganztag etwa oder Sozialarbeiter*innen – müssen zum Beispiel von den Schulträgern bezahlt werden, während Länder wie Baden-Württemberg von den Kommunen erwarten, Dienst-Computer für die Lehrkräfte anzuschaffen. Bei der Digitalisierung der Schulen ist bislang der Bund eingesprungen.

„Wir müssen in die Qualität von Schulen investieren und brauchen dazu eine an den Zukunftsaufgaben ausgerichtete Finanzierung. Damit werden die Städte aber derzeit allein gelassen. Wir brauchen einen ehrlichen Blick auf die Ist-Situation und einen klaren Zeitplan für konkrete Reformschritte. Dabei geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um die verbesserte Kooperation bei Bildungsaufgaben.“

Grundlage für den Reformprozess müsse umgehend ein Gutachten sein, das die bisherige Finanzierung und die finanziellen Bedarfe systematisch erfasst und bewertet und mit den kommunalen Spitzenverbänden in NRW abgestimmt ist. Daraus muss dem Städtetag zufolge ein gemeinsamer Ansatz entstehen, wie die veränderten Anforderungen an Schulen und Schulträger strukturell abgesichert und die Kosten gerecht verteilt werden. „Die dann gefundene Lösung muss deutlich länger halten als eine Legislaturperiode“, so heißt es.

Mit einmaligen Förderprogrammen wie dem Digitalpakt Schule konnten die digitale Infrastruktur ausgebaut und viele digitale Endgeräte angeschafft werden. Der Pakt von Bund und Ländern sieht für Nordrhein-Westfalen bis 2024 insgesamt rund 1,4 Milliarden Euro vor. „Hier sind über 80 Prozent der Mittel bereits fest verplant. Doch eine umfassende Strategie und eine nachhaltige Finanzierung der Digitalisierung an Schulen fehlt bisher“, so moniert der Städtetag.

Kufen fordert: „Wenn für den Digitalpakt Schule nicht bald ein Nachfolgeprogramm kommt, drohen die Schulen zu digitalen Investitionsruinen zu werden. Eine Investitionslücke nach 2024 wäre fatal. Wir brauchen ein gemeinsames Zielbild und eine Verständigung mit den Kommunen: ‚Wie soll die digitale Schule 2030 aussehen?‘ Wir brauchen eine Roadmap, die den Städten Planungssicherheit gibt.“

Es gehe darum, die aufgebaute digitale Infrastruktur in Stand zu halten und digitale Lernangebote auszubauen. Zudem müssen alle Lehrkräfte regelmäßig fortgebildet werden.
Diese Aufgabe braucht eine solide Finanzierung, auch durch das Land. Der vom Bund angekündigte Digitalpakt 2.0 werde voraussichtlich frühestens 2025 kommen (über den Streit darum berichtete News4teachers ausführlich). „Ein Digitalpakt 2.0 muss den Ausbau der digitalen Infrastruktur sicherstellen, aber auch IT-Kräfte dauerhaft finanzieren, die für den nötigen Support sorgen und die Lehrkräfte merklich entlasten. Die Schulträger brauchen Klarheit, wie digitale Bildungsangebote sowie der Ausbau und Support digitaler Infrastruktur künftig finanziert werden. Eine digitale Ausstattung der Schulen nach Kassenlage darf es nicht geben“, so Kufen.

„Wir wollen einen rhythmisierten Ganztag mit Unterricht und aufgelockerten Förderangeboten über den Tag verteilt”

Die Städte brauchen außerdem dringend Klarheit, wie das Land den Rechtsanspruch auf den schulischen Ganztag umsetzen will. Der stellvertretende Vorsitzende Eiskirch macht deutlich: „Die Städte brauchen Planungssicherheit. Der Zeitdruck ist da. Der Rechtsanspruch greift ab Sommer 2026, deshalb müssen wir jetzt zügig Kapazitäten erweitern und Plätze ausbauen. Wir wissen aber noch immer nicht, welche konkreten Rahmenbedingungen für die Ganztagsbetreuung in NRW gelten werden. Das Land muss jetzt endlich für Klarheit sorgen. Auch die Förderrichtlinie muss kommen.“

Außerdem müsse das Land endlich mit denen sprechen, die den Ganztag vor Ort gestalten sollen. „Wir wollen einen rhythmisierten Ganztag mit Unterricht und aufgelockerten Förderangeboten über den Tag verteilt. Eine feste Aufteilung ‘Unterricht vormittags, Ganztag nachmittags’ ist nicht mehr zeitgemäß. Dazu muss das Land mit uns gemeinsame Eckpunkte vereinbaren, in die die Erfahrungen der Kommunen einfließen. Die Kommunen werden vom Land verpflichtet, die Plätze bereit zu halten – also müssen sie beteiligt werden.“ Eiskirch fordert außerdem ein ehrliches Erwartungsmanagement zum Rechtsanspruch. „Ein bedarfsdeckendes Angebot in der Fläche zum Schuljahr 2026/2027 wird es jetzt nicht mehr geben können. Denn dafür wurden die Städte – auch vom Bund – zu lange hingehalten, obwohl seit Jahren feststeht, dass der Rechtsanspruch 2026 kommen soll.“

Bis eine nachhaltige Reform der Schulfinanzierung greift, vergeht Zeit. Deshalb brauchen die Schulträger die Neuauflage eines Schulinvestitionsprogrammes – um den Sanierungsstau zu bremsen. Städtetags-Vorsitzender Kufen: „Wir müssen jetzt Schulen ausbauen und sanieren. Die Klassen platzen wegen gestiegener Geburtenzahlen und zugewanderter Kinder aus allen Nähten. Wir brauchen deutlich mehr Schulplätze und dafür die nötigen Räume. Zudem steigen die Baukosten massiv. Die Investitionshilfen des Landes decken das nicht ab. Schon jetzt wird der Investitionsstau bei den Schulen immer größer und das Lernumfeld unserer Kinder verschlechtert sich weiter.“ News4teachers

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