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“Ein echter Paradigmenwechsel”: Weil die Länder keine Lehrkräfte mehr finden, bekommen Schulen nun – Geld

BERLIN. Die Personalnot in Schulen ist groß – und sie wächst: Lehrerstellen bleiben in Deutschland immer öfter vakant. Das heißt aber auch: Die Bundesländer sitzen auf immer mehr Geld, das eigentlich für die Bezüge von Lehrkräften eingeplant ist. Zwei Bundesländer sind jetzt auf die Idee gekommen, solche Mittel den Schulen zur Verfügung zu stellen, damit die sich selbst nach Unterstützung vor Ort umschauen und die dann auch bezahlen können. Ein noch viel stärkerer Geldregen für Schulen ist mit dem sogenannten „Startchancen-Programm“ von Bund und Ländern zu erwarten – dabei geht es dann um Milliarden.

Mit Geld sollen sich Schulen Unterstützung einkaufen. Foto: Shutterstock

Neu ist die Idee nicht. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel wurde schon vor 20 Jahren das Programm „Geld statt Stellen“ ins Leben gerufen, mit dem Ganztagsschulen AGs oder Sportangebote finanzieren konnten. In Sachsen startete ein ähnliches Pilotprojekt vor fünf Jahren. Damals testeten 14 Schulen im Freistaat das Angebot, unbesetzte Stellen zumindest teilweise in Geld umzuwandeln, das ihnen dann zur Verfügung gestellt wurde. Mit Erfolg: 2022 wurde das Programm mit 114 teilnehmenden Schulen ins Regelsystem überführt. Nun wurde das Angebot auf 400 Schulen im Freistaat ausgeweitet. Die ausgereichten Budgets bewegen sich in Abhängigkeit von der Größe der Schule zwischen 7.000 und 100.000 Euro pro Jahr. Der Durchschnittswert beträgt rund 35.000 Euro.

„Wir stellen den Schulen das fehlende Lehrerarbeitsvermögen in Form von finanziellen Mitteln zur Verfügung. Damit können sie selbständig externes Personal gewinnen“, sagt Kultusminister Christian Piwarz (CDU) und ergänzt: „Dafür stehen jährlich 13,5 Millionen Euro zur Verfügung statt bisher sechs Millionen Euro“. Die Mittel können für sämtliche schulischen Arbeiten eingesetzt werden, außer für die eigenständige Durchführung des Unterrichtes.

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„Durch diese Unterstützung können sich die Lehrkräfte wieder mehr auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren, den Unterricht“

Zum Beispiel könne ein örtlicher Kantor den Schulchor führen, ein Künstler eine künstlerische AG anbieten – oder ein IT-Spezialist entwickelt die digitalen Lehr- und Lernmaterialien der Schule weiter. Es handelt sich hier hauptsächlich um Dienstleistungsverträge für Nachhilfe-, Förder- oder Vertiefungsangebote außerhalb der Stundentafel, für Projekttage, Workshops, Neugestaltung der Homepage und Assistenzkräfte für die bürokratische Unterstützung. „Durch diese Unterstützung können sich die Lehrkräfte wieder mehr auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren, den Unterricht“, betont Piwarz. Die Erstellung und Abrechnung von Verträgen erfolgen durch die Schulen auf digitalem Weg über das Schulportal. Betreut werden die Schulen durch die Servicestelle für besondere Bildungsangebote des Landesamtes für Schule und Bildung.

Einen ähnlichen Weg will Brandenburg gehen. Arbeitstitel des Modellprojekts: „Gezieltere Finanzierung im Schulbereich / indikatorengestützte Ressourcenzuweisung“. Schulbudgets würden innerhalb eines Versuchs in den Schuljahren 2023/24 und 2024/25 erprobt. Das Programm für Schulbudgets soll in beiden Schuljahren mit jeweils etwa 3,5 Millionen Euro ausgestattet werden. Die Schulen sollen ab dem 1. Februar 2024 über ihr finanzielles Budget für unterrichtsunterstützende und -begleitende Maßnahmen verfügen können, wie das Bildungsministerium nun ankündigte.

Deutlich mehr Wumms wird allerdings das „Startchancen-Programm“ entwickeln, auf dessen Eckpunkte sich Bund und Länder unlängst geeinigt haben (News4teachers berichtete). Auch dieses läuft darauf hinaus, dass Schulen Geld bekommen, das sie zumindest teilweise nach Gusto zur Unterstützung ihrer Arbeit ausgeben können. Insgesamt 20 Milliarden Euro, verteilt auf zehn Jahre, werden damit ausgeschüttet. Gefördert werden sollen bundesweit 4.000 Schulen „mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler“, wie es im Koalitionsvertrag der Ampel heißt. Sie sollen mit Geld etwa für Investitionen in eine bessere und moderne Lernumgebung sowie auch für eine attraktivere Arbeitsumgebung für das Personal unterstützt werden. Dazu kommen dann eben Gelder zur freien Verfügung der Schulen – ein sogenanntes Chancenbudget.

„Die Mittel sollen bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen, die den Gegebenheiten vor Ort Rechnung tragen“

„Das Chancenbudget soll Spielräume für diejenigen eröffnen, die vor Ort Verantwortung tragen und das Miteinander an der Schule jeden Tag aufs Neue gestalten. Es geht um eine deutliche Stärkung der Schulautonomie. Die Mittel sollen bedarfsgerechte Lösungen ermöglichen, die den Gegebenheiten vor Ort Rechnung tragen“, so heißt es dazu beim Bundesbildungsministerium.

Und weiter: „Das Chancenbudget leistet einen Beitrag zur Schul- und Unterrichtsentwicklung. Es soll die pädagogischen und fachlichen Voraussetzungen sowie die entsprechenden Unterstützungsstrukturen der Programmschulen verbessern, um Bildungserfolge zu erhöhen.“

Ganz frei sind die Schulen dabei – zunächst – nicht. „Die zuständigen Stellen des Landes konkretisieren die übergreifenden Ziele in Abstimmung mit den jeweiligen Startchancen-Schulen und schließen darüber eine gesonderte Vereinbarung. Diese definieren den spezifischen, konzeptionellen Rahmen und die für die Verausgabung der Mittel notwendigen Bedingungen für einen wirksamen, zielorientierten und effizienten Mitteleinsatz. Hierbei wird unmittelbar Bezug auf die spezifischen Ausgangsbedingungen der jeweiligen Schule und des jeweiligen Sozialraums genommen“, so heißt es in der Vereinbarung. Ein Leitfaden soll einen Katalog geeigneter Maßnahmen enthalten, „die sich nach wissenschaftlichen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen aus den Ländern positiv auf die verschiedenen Zielebenen auswirken können. Der Leitfaden wird in Vorbereitung des Programms erarbeitet und konsentiert.“

Zwei Drittel des Chancenbudgets einer Startchancen-Schule sollen für die Umsetzung der im Leitfaden empfohlenen Maßnahmen genutzt werden. Ein Drittel steht den Schulen dann aber doch zur freien Verfügung.

Ziel sei es, dort zu unterstützen, wo die Herausforderungen am größten sind. „Das ist ein echter Paradigmenwechsel in der bildungspolitischen Förderlogik“, meint Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Es bedeute: weg von der Gießkanne. Das sei ein wichtiges Signal, das die Fördergelder zielgenau und an der Sache orientiert zum Einsatz bringe. News4teachers

„Startchancen-Programm“: Milliardenregen für Schulen in schwieriger Lage – VBE: Lehrer nicht durch Bürokratie überlasten!

 

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