„Startchancen-Programm“: Milliardenregen für Schulen in schwieriger Lage – VBE: Lehrer nicht durch Bürokratie überlasten!

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BERLIN. Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), hat das in diesser Woche zwischen Bund und Ländern vereinbarte „Startchancen-Programm“ gewürdigt. „Die Einigung war überfällig. Schon der Pisa-Schock zeigte eine hohe Ungleichheit und neuere Studien beweisen nach wie vor, dass Kinder aus ökonomisch schwächeren Haushalten nicht dieselben Bildungschancen haben wie Kinder, die aus ökonomisch bessergestellten Haushalten kommen.“ Wunder sind ihm zufolge von dem Programm aber nicht zu erwarten.

Viel Geld soll fließen, um Brennpunkt-Schulen zu unterstützen. Illustration: Shutterstock

4000 Schulen in Deutschland mit rund einer Million Schülerinnen und Schülern können in den kommenden Jahren mit spezieller staatlicher Förderung in Milliardenhöhe rechnen. Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich Bund und Länder auf «entscheidende Eckpunkte» für das von der Ampel-Regierung geplante Startchancen-Programm für Schulen in schwierigen Lagen verständigt (News4teachers berichtete).

Laut Hamburger Schulbehörde sieht die nach monatelangen zähen Verhandlungen erzielte Verständigung vor, dass der Bund den Ländern ab Sommer 2024 zehn Jahre lang jährlich zusätzlich eine Milliarde Euro zur Verfügung stellt. Die Länder sollen diese Bundesförderung mit bestehenden oder zusätzlichen Mitteln in gleichem Umfang ergänzen. Zehn Prozent aller Schulen und Schülerinnen und Schüler könnten so durch bessere schulische Sozialarbeit, zusätzliche pädagogische Fördermaßnahmen und eine bessere Ausstattung der Schulen unterstützt werden.

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Mit Blick darauf, welche Summen allerdings notwendig wären, um eine flächendeckende Förderung und Eröffnung von Bildungschancen zu ermöglichen, stellt der VBE-Chef fest: „Die Zerschlagung des gordischen Knotens muss warten. Gerade die Stadtstaaten werden nicht ausreichend Gelder erhalten, um ihre teilweise enormen Schieflagen mit Kraft angehen zu können. Die hinter den Erwartungen zurückbleibende Summe bleibt die Achillesferse des Programms.“ In den Stadtstaaten leben besonders viele Kinder in ärmeren Haushalten. So erhalten laut Bundesagentur für Arbeit fast 30 Prozent der Kinder in Bremen, ein Viertel der Kinder in Berlin und 20 Prozent der Kinder in Hamburg Sozialtransfers.

Das Startchancen-Programm soll in drei Säulen Schulen fördern. Ein Großteil soll dafür genutzt werden, die Schulinfrastruktur zu modernisieren und Lernlandschaften umzusetzen, allerdings nicht für die Sanierung maroder Schulbauten eingesetzt werden. Die KfW hatte den Sanierungsstau unlängst mit 45,6 Milliarden Euro beziffert (News4teachers berichtete).

Gerhard Brand dazu: „Es ist unbedingt einer Förderung wert, moderne Lernlandschaften zu gestalten. Und es ist richtig, dass die Gelder des Startchancen-Programms additiv verwendet werden sollen. Gleichzeitig muss endlich ein Ruck durch die Schullandschaft gehen. Es braucht ausreichend Investitionen in die notwendige Sanierung der Schulen. Wenn die Kinder sich den Toilettengang verkneifen oder Angst haben müssen, von losen Fenstern verletzt zu werden, bringt ihnen eine Couch auf dem Flur auch nicht viel.“

„Ohne Entlastung von anderen Aufgaben und die Unterstützung durch zum Beispiel Verwaltungsfachkräfte besteht das Risiko, dass das Startchancen-Programm zu einem Stopchancen-Programm wird“

Der Bundesvorsitzende sieht noch einige offene Fragen, was den Umfang der Mehrarbeit für die Schulleitungen und Lehrkräfte an den Schulen betrifft. In der Vereinbarung heißt es unter anderem, dass die Schulen datengestützt arbeiten und „sich zu individueller Diagnostik, adaptiver Förderung und datengestützter Schul- und Unterrichtsentwicklung“ bekennen.

Brand stellt fest: „Schulen, die vor solchen Problemlagen stehen, um mit Geld aus dem Startchancen-Programm gefördert zu werden, brauchen schnelle, schlanke und stabile Lösungen. Die Einführung datengestützter Prozesse kann aufwendig sein. Das darf nicht zu Mehrarbeit für die sowieso schon belasteten Kollegien führen. Ohne Entlastung von anderen Aufgaben und die Unterstützung durch zum Beispiel Verwaltungsfachkräfte besteht das Risiko, dass das Startchancen-Programm zu einem Stopchancen-Programm wird.“

Zudem hält er fest, dass es zwar richtig sei, Fortbildungen einzufordern, aber eben auch an der Schulrealität vorbeigeht: „Die Lehrkräfte würden sich freuen, Fortbildungen wahrnehmen zu können. Wenn aber das Kollegium so ausgedünnt ist, dass jeder Fortbildungstag die Schließung von Lerngruppen oder gar Schulen nach sich zieht, überlegt man es sich dreimal, ob das leist- und verantwortbar ist. Wenn nun Fortbildungen gefordert werden, zeigen die politischen Akteure nur, wie weit weg sie von der Schulrealität sind.“

In dem Papier wurde zudem festgelegt, dass die relevante Evaluierungskennziffer ist, ob es gelingt, bis zum Ende der Programmlaufzeit die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mindeststandards in Mathematik und Deutsch verfehlen, zu halbieren.

Der Bundesvorsitzende des VBE ist zurückhaltend: „Zehn Jahre sind eine lange Zeit, in der es möglich ist, Programme zum Wirken zu bringen. Die Vorstellung einer Halbierung ist aber überambitioniert. Denn wir werden es in zehn Jahren mit einer weiter steigenden Heterogenität der Schülerschaft zu tun haben. Die voranschreitende Inklusion, die stetig steigende Anzahl von Kindern mit emotional-sozialem Förderbedarf und die zu erwartende anhaltende Integration von Geflüchteten werden hierzu beitragen. Außerdem stehen wir vor einem sich noch verschärfenden Lehrkräftemangel. Die Frage wird insbesondere sein, wie wir es schaffen, die Menschen, die den Quer- oder Seiteneinstieg wählen, so auszubilden und im Beruf zu halten, dass die Bildungsqualität gehalten werden kann.“

Fazit von Brand: „Das Startchancen-Programm ist angelegt als additiv wirkende Investition. Das wäre in einem ausfinanzierten Bildungssystem eine löbliche Initiative. Wir stehen jedoch vor immensen Herausforderungen, überhaupt den Sanierungsstau in den Griff und ausreichend Personal in die Schulen zu bekommen. Zieldimensionen zu definieren ist zwar richtig, sollte die Möglichkeiten des Geldeinsatzes vor Ort aber nicht zu sehr einschränken. Was wir brauchen, ist ein Raum für Innovation: Etwas ausprobieren, auch wenn es vielleicht nicht immer funktioniert. Denn besondere Herausforderungen brauchen besondere Lösungen!“ News4teachers / mit Material der dpa

„Startchancen-Programm“: 4.000 Schulen mit einer Million Schüler erhalten Geld vom Bund

 

 

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