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Flüchtlingskinder als Verantwortliche für den Bildungsnotstand? Was Bob Blume Friedrich Merz ins Stammbuch schreibt

Ärgert sich: News4teacherst-Gastkolunmnist Bob Blume. Foto: Niko Neithardt

BERLIN. Populistisches Schattenboxen in der Schulpolitik: Die CDU-Granden Carsten Linnemann und Friedrich Merz kopieren die AfD, anstatt sich mit den Herausforderungen des Bildungssystems auseinanderzusetzen – meint News4teachers-Gastkommentator Bob Blume. Er ist unter anderem Buchautor („Zehn Dinge, die ich an Schule ändern würde“), Podcaster („Die Schule brennt“) und ein sowohl in den sozialen Medien wie im Fernsehen präsenter Bildungsinfluencer, kurz: der wohl bekannteste Lehrer in Deutschland.

Ärgert sich: News4teachers-Gastkolumnist Bob Blume. Fotos: Niko Neithardt

«Ein Banker, ein Hartz-IV-Empfänger und ein Asylbewerber sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen zwölf Kekse. Der Banker nimmt sich elf Kekse und sagt zum Hartz-IV-Empfänger: ‹Pass auf, der Asylant will deinen Keks.›»

So ungefähr geht ein Witz, den man als Blaupause für Populismus jeder Art nehmen könnte. In der vorliegenden Version ist die Punchline klar: Anstatt sich über das kapitalistische Gesellschaftsmodell Gedanken zu machen, lenkt man den Blick auf jene, die sich nicht wehren können. Victim-Blaming als Politikmodell.

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In Bezug auf Schulpolitik ist das deshalb relevant, weil Friedrich Merz, der Parteivorsitzende der sogenannten Christlich Demokratischen Union und sein Generalsekretär Carsten Linnemann eine Version dieses Witzes gerade zum bildungspolitischen Parteiprogramm erheben. In der Merzschen Version hört sich das dann so an: „Zu viele Schulen haben viel zu viele Kinder, die die deutsche Sprache nicht richtig beherrschen“. „Das überfordert aktuell unser Bildungssystem“, so Merz in einem Interview mit der Stuttgarter Nachrichten.

Das perfide an einer solchen Strategie der Verantwortungslosigkeit ist, dass sie verfängt. Denn wer würde widersprechen, dass es an Schulen eine lingua franca braucht, damit die kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet werden kann? Und in der Tat können Lehrkräfte ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, eine Klasse voller junger Menschen mit unterschiedlicher internationaler Geschichte ins Lernen zu bringen. Hat Merz also Recht?

Wer war denn jahrelang in Regierungsverantwortung und hat mit dafür gesorgt, dass das Bildungssystem so unterfinanziert ist, wie es ist?

Bei der Schlussfolgerung wird es klar: Auch deshalb müsse man illegale Migration begrenzen, so Merz. Auch deshalb? Die Schulpolitik wird also zum Vehikel für eine Aussage, die sich anhört, als hätte der CDU-Chef sie aus den 90-ern abgeholt. Bei der NPD. Dass man mit so einem Ansatz vor allem die tatsächlichen Rechtsausleger stärkt, hat vor einiger Zeit Jan Puhl im SPIEGEL analysiert, indem er den Erfolg Donald Tusks in Polen damit erklärte, dass er die populistischen Parteien einfach rechts liegen ließ. Tusk verweigerte sich dem Polarisierungswettbewerb und hat es geschafft, die Mitte zu mobilisieren.

Merz und Linnemann machen das Gegenteil davon. Sie spielen das gefährliche Spiel mit dem vorangegangen Witz, indem sie sich weder ihrer Verantwortung stellen noch ein politisches Angebot machen. Denn man könnte ja auch fragen, wer jahrelang in Regierungsverantwortung gewesen ist und mit dem goldenen Kalb der schwarzen Null dafür gesorgt hat, dass das Bildungssystem so unterfinanziert ist, wie es ist.

Hat nicht die viel gescholtene Angela Merkel 2008 auf dem Dresdner Bildungsgipfel von 2008 die Zielvereinbarung geäußert, dass 10 Prozent des deutschen Inlandsprodukts in Bildung investiert werden würden? Es ist eine rhetorische Frage, denn ja, das hat sie. Diese 10 Prozent wurden nie erreicht. Auch deshalb ist das Bildungssystem so krass unterfinanziert. Auch deshalb fehlen 45 Milliarden allein für die Schulgebäude. Auch deshalb fordern verschiedenste Parteien und Verbände 100 Milliarden. Nicht, weil das Geld einfach zu beschaffen wäre. Sondern weil es längst hätte da sein müssen.

Garnieren wir das Ganze mit falschen Prognosen der KMK, bestehendem Numerus Clausus für Studiengänge und einem totalen Chaos im Bildungsförderalismus, dann kommt man an die 11 Kekse, um die sich Merz und seine Handpuppe nicht kümmern. Nicht einmal im Ansatz.

Stattdessen sollen wir glauben, dass die bösen integrationsunwilligen Immigranten das Problem sind. Dass das Bildungssystem „überfordert“ sei – und zwar eben durch jene Immigranten -, ist nichts anderes als schäbiger Populismus. „Deutschland den Deutschen“ hieß es damals von der NPD. Weit ist der Weg nicht von dem einseitigen, aber durchschaubaren Versuch der politischen Spitze der Union.

Ein erster Schritt ist, das offenzulegen und dafür zu sorgen, dass dies nicht verfängt. Denn nochmal: Natürlich gibt es gerade eine Vielzahl von Problemen in den Schulen. Was man die Union fragen könnte, gerade weil sie in der Opposition ist und keine Verantwortung hat: Was denn ihre politischen Lösungsansätze sind, dem Bildungssystem wirklich zu helfen, anstatt es als billigen Strohmann für ihr perfides Schattenboxen zu nutzen. Als Opposition sollte man genügend Zeit haben, sich darüber Gedanken zu machen. News4teachers

CDU macht Flüchtlingskinder für den Bildungsnotstand verantwortlich – Merz: „Asylkrise ist auch eine Frage der Bildungspolitik“

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