An vielen Berliner Schulen fällt in den kommenden Tagen einmal mehr Unterricht wegen eines Warnstreiks aus. Die Bildungsgewerkschaft GEW hat Lehrkräfte, Sozialpädagogen und Schulpsychologen aufgerufen, vom heutigen Dienstag an für drei Tage die Arbeit niederzulegen. Sie will damit ihrer Forderung nach kleineren Klassen Nachdruck verleihen.
Die GEW verlangt schon seit zwei Jahren einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz, mit dem Klassengrößen und weitere personelle Unterstützung geregelt wird. Auf diese Weise könnten gesündere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte und andere Schulbeschäftigte und gleichzeitig eine höhere Unterrichtsqualität erreicht werden, argumentiert sie. Der Streikaufruf ist laut GEW bereits der 15. seit Oktober 2021.
Der Senat sieht keine Möglichkeit zur Umsetzung der GEW-Forderung. Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) nannten den Ausstand am Montag «unverantwortlich» und verwiesen zum wiederholten Male auf den Lehrermangel, in dessen Folge kleinere Klassen «faktisch nicht möglich» seien.
«Wir können nicht tatenlos zusehen, wie alles noch schlechter wird an den Schulen. Das sind wir auch künftigen Schülergenerationen schuldig»
Zudem wiesen sie darauf hin, sei Berlin – wie alle anderen Bundesländer außer Hessen – der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) angehört. Ohne deren Zustimmung könne Berlin keine Tarifverhandlungen über die Klassengröße aufnehmen, und die TdL lehne solche Verhandlungen ab. Ein Berliner Alleingang sei nicht möglich, ohne den Rausschmiss aus der TdL zu riskieren. Gleichwohl wolle man bei der TdL noch einmal eruieren, ob eine Bereitschaft bestehe, den Mitgliedsländern künftig einen entsprechenden tarifrechtlichen Handlungsspielraum zu eröffnen.
Die GEW lässt dieses Argument nicht gelten. «Nur an der Blockadehaltung des Arbeitgeberverbandes TdL kann es nicht liegen, dass der Senat keine Maßnahmen ergreift», erklärte die Leiterin des Vorstandsbereichs Beamten-, Angestellten- und Tarifpolitik in der GEW Berlin, Anne Albers, im Zusammenhang mit dem neuen Streikaufruf. «Das Land Berlin könnte ganz ohne Erlaubnis der TdL kleinere Klassen via Schulgesetz regeln und dafür auch mehr Lehrkräfte ausbilden.» Kleinere Klassen seien also möglich und sinnvoll. Eine verlässliche Regelung biete aber nur ein Tarifvertrag.
Über 1000 Lehrkräfte hätten im vergangenen Schuljahr den Dienst quittiert, so die GEW. «Mit besseren Arbeitsbedingungen in kleineren Klassen wären sicherlich einige geblieben.»
GEW-Geschäftsführer Markus Hanisch bat Eltern und Schüler um Verständnis für möglichen Unterrichtsausfall und andere Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit dem Ausstand. «Die Belastung für die Eltern und für die Schülerinnen und Schüler ist uns bewusst», sagte er. «Wir können aber nicht tatenlos zusehen, wie alles noch schlechter wird an den Schulen. Das sind wir auch künftigen Schülergenerationen schuldig.»
Günther-Wünsch erklärte, die Versorgung der Berliner Schülerinnen und Schüler mit gutem und verlässlichem Unterricht auf Höhe der Zeit erfordere eine gemeinsame Kraftanstrengung. «Der angekündigte Streik verschärft die Situation – zumal sich die Zielsetzung des Streiks außerhalb der Handlungsmöglichkeiten des Senats und vor allem außerhalb realistischer Umsetzung bewegt.» Sie rief die GEW auf, ihre Streikankündigung nochmals zu überdenken.
Davon kann keine Rede sein. Zum Auftakt am Dienstag trafen sich Teilnehmer des Warnstreiks laut GEW zu Aktionen in den Bezirken. Ein Sprecher verwies auf Streikcafés, Streikposten, Versammlungen und mehrere Demonstrationen etwa in Neukölln und Treptow-Köpenick. «Insgesamt ist die Stimmung gut und kämpferisch», sagte er. Am Mittwoch soll demnach eine zentrale Streikdemo am Alexanderplatz starten, am Donnerstag ist eine zentrale Streikversammlung der Gewerkschaft im Mauerpark geplant.
Momentan arbeiten nach Angaben der Bildungsverwaltung an Berlins öffentlichen Schulen 41.480 Menschen als pädagogisches Personal, darunter gut 34.500 Lehrkräfte und knapp 5400 Erzieherinnen und Erzieher. Eine ganze Reihe der Lehrerinnen und Lehrer sind Beamte und dürfen nicht streiken. An den bisherigen Warnstreiks der GEW für kleinere Klassen beteiligten sich jeweils einige Tausend Lehrkräfte, Unterricht fiel teilweise aus. Die letzte, ebenfalls dreitägige Arbeitsniederlegung fand im Juni statt. News4teachers / mit Material der dpa
3.000 Lehrkräfte streiken in Berlin für kleinere Klassen und bessere Arbeitsbedingungen
