
Aus einer nicht repräsentativen Umfrage der Gewerkschaft, an der sich vom 25. bis 29. September landesweit 1008 Schulen beteiligt hatten, geht hervor, dass die Lage vor allem an den Grundschulen und den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren besonders angespannt sei.
Demnach gab nur rund ein Drittel der befragten Grundschulen an, 100 Prozent der Lehrerstellen besetzt zu haben. Gut jeder zweiten Grundschule fehlen dagegen bis zu zehn Prozent Lehrkräfte, jede zehnte Schule hat noch größere Lücken. Immerhin: Die Lage ist etwas besser als im vergangenen Schuljahr. Damals hatte der Umfrage zufolge jede fünfte Grundschule mit Versorgungslücken von mehr als zehn Prozent zu kämpfen. An den Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschulen haben nur rund 16 Prozent der befragten Schulen keine leeren Plätze in den Lehrerzimmern.
Das hat der Umfrage zufolge Auswirkungen auf den Unterricht: Mehr als jede dritte Grundschule muss Klassen zusammenlegen, ebenso viele Schulen müssen Unterricht ausfallen lassen. Zudem müssen die Lehrerinnen und Lehrer bereits an jeder zweiten Grundschule Mehrarbeit leisten, sogenannte MAU-Stunden. Diese dürften, so Brand, erst angeordnet werden, wenn alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft seien, etwa die Krankheitsreserve oder die Aufstockung von Teilzeitkräften. «Wenn nun bereits zum Schulstart jede zweite Grundschulleitung nicht auf die Anordnung von Mehrarbeit verzichten kann, wird klar, wie prekär die Lage ist», sagte Brand.
Nach Angaben des Kultusministeriums waren wenige Tage vor Beginn des neuen Schuljahres noch 565 Lehrerstellen unbesetzt – weniger als zu Beginn des Schuljahres 2022/2023. Damals hatten rund 890 Lehrerinnen und Lehrer gefehlt. Aktuelle Zahlen liegen dem Ministerium derzeit nicht vor, diese würden gerade erhoben.
«Dass es das Land in dem hochsensiblen Gebiet der Sonderpädagogik nicht annähernd schafft, die Schulen mit ausreichend Personal zu versorgen, gleicht einer Bankrotterklärung – auch für die Inklusion»
Besonders angespannt ist die Situation der VBE-Umfrage zufolge an den Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren (SBBZ), wie die Förderschulen in Baden-Württemberg heißen. Dort sind die Personallücken am größten. Von 133 befragten Schulen gaben lediglich 3 an, 100 Prozent der Stellen besetzt zu haben. Mehr als 70 Prozent müssen dagegen mit Lücken von mehr als 10 Prozent umgehen, jedem dritten SBBZ fehlen sogar mehr als 20 Prozent der Lehrkräfte. Diese Zahlen seien erschütternd, sagte Brand. «Dass es das Land in dem hochsensiblen Gebiet der Sonderpädagogik nicht annähernd schafft, die Schulen mit ausreichend Personal zu versorgen, gleicht einer Bankrotterklärung – auch für die Inklusion.» Hintergrund: Die SBBZ sollen Regelschulen bei der Förderung von Kindern mit Behinderungen beraten und unterstützen.
Kritisch sieht der VBE den vermehrten Einsatz von Lehrkräften ohne ein Lehramtsstudium, sogenannten Seiteneinsteigern. Diese helfen der Umfrage zufolge an jeder vierten Haupt-, Real- und Gemeinschaftsschule aus. An den SBBZ muss fast jede zweite Schule auf solche Lehrkräfte zurückgreifen. Das sei, vor allem an den SBBZ, nicht akzeptabel, sagte Brand. Dort brauche es spezialisiertes und gut geschultes Personal. «Die jeweilige Art und Schwere der Beeinträchtigung der einzelnen Schülerinnen und Schüler muss im Unterricht eine medizinische, soziale und pädagogische Berücksichtigung finden. Dies können nur voll ausgebildete Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen leisten», sagte Brand.
«Der Aufbau multiprofessioneller Teams an den Schulen sollte jetzt zügig vorangetrieben werden, denn wir brauchen die Lehrkräfte im Unterricht»
Vor allem bei der Sonderpädagogik müssen aus Sicht des VBE die Studienplätze schnell weiter ausgebaut werden. Zudem fordert der Verband den Wegfall des Numerus Clausus für Lehramtsstudiengänge. Zudem brauche es einen schnellen Ausbau sogenannter multiprofessioneller Teams, also etwa den Einsatz von Schulsozialarbeitern, Psychologen oder Verwaltungsfachkräften.
Dafür bekommt der VBE Unterstützung vom Verband Unternehmer Baden-Württemberg. «Der Aufbau multiprofessioneller Teams an den Schulen sollte jetzt zügig vorangetrieben werden, denn wir brauchen die Lehrkräfte im Unterricht», sagte Stefan Küpper, Geschäftsführer Politik, Bildung und Arbeitsmarkt. Aus Sicht der Unternehmer sollte die Landesregierung die Investitionsschwerpunkte im Bildungssystem auf die Grundschulen legen. «Hier wird das Fundament für den gesamten Bildungswerdegang gelegt – und hier sind die festgestellten Qualitätsdefizite besonders schwerwiegend», sagte Küpper. News4teachers / mit Material der dpa