BERLIN. Die schulische Inklusion ist in Deutschland prakisch zum Stillstand gekommen, was die Vereinten Nationen unlängst im Rahmen einer Staatenprüfung zur UN-Behindertenrechtskonvention „mit Sorge“ festgestellt haben (News4teachers berichtete). Montessori Deutschland sieht im Umgang mit Kindern mit Behinderungen ein weiteres Symptom dafür, „wie schwerwiegend die Folgen finanzieller wie auch struktureller Probleme im Bildungsbereich sind“. Der Verband fordert, die Rahmenbedingungen deutlich zu verbessern – und freie Schulen als Partner bei anstehenden Reformen zu sehen.
„Haben Förderschulen 14 Jahre, nachdem der Bundestag Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich unter anderem verpflichtet hat, ‚ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen‘ zu entwickeln, im jetzigen Umfang noch ihre Berechtigung? Diese Frage wird nach den Ergebnissen des Gutachtens durch das Institut für Menschenrechte und der darauffolgenden Rüge durch die UN weiterhin diskutiert. Fest steht: Flächendeckendes inklusives Lernen – und das bedeutet auch soziales Lernen – kann nicht stattfinden, wenn ein Teil der Kinder ausgeschlossen wird“ – sagt Jörg Boysen, Vorsitzender des Verbands Montessori Deutschland.
Er betont aber auch: „Andererseits ist die schulische Inklusion nicht damit getan, Kinder mit (identifiziertem) Förderbedarf auf Regelschulen zu verteilen, ohne deren systemische Strukturen grundlegend zu verändern. Dazu gehören Anpassungen der Regelschulpädagogik, Änderungen an hergebrachten Organisationsstrukturen, entsprechend ausgebildete Fachkräfte, die pauschale Leistungsbewertung durch Noten, und vieles mehr.“
In der Inklusionsdebatte werde vor allem eines immer wieder ausgeklammert: nämlich die Frage nach den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen. Eigentlich seien diese in dem geltenden überstaatlichen und staatlichen Recht für die Grundwerte der Kinderrechtskonvention und der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen sowie unseres Grundgesetzes verankert, nur in unserer Gesellschaft mit dem staatlichen Bildungssystem nicht konsequent abgebildet.
„Wir sollten jetzt gemeinsam handeln und unser Bildungssystem so ausrichten, dass es wirklich allen Kindern und Jugendlichen gerecht wird”
Boysen: “Dazu bedarf es einer Haltung und der bedingungslosen Zuwendung jedem Kind und seinem Entwicklungsweg gegenüber. Ein Umdenken von uns Erwachsenen im Blick auf Lernen und Entwicklung ist notwendig. Dieses pädagogische Konzept, das gemeinsames Lernen und individuelle Entfaltung zugleich ermöglicht, und zwar ohne Druck und möglichst ohne Noten, birgt unserer Erfahrung nach sehr guten Voraussetzungen für eine gelingende inklusive Bildung. Und ‚Demokratie braucht Inklusion‘, wie es der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen erklärt.“
„Dazu braucht es aber unter anderem die bei den aktuellen Bildungsprotesten geforderten finanziellen und personellen Möglichkeiten“, so der Bundesvorsitzende weiter. „Wir sollten jetzt gemeinsam handeln und unser Bildungssystem so ausrichten, dass es wirklich allen Kindern und Jugendlichen gerecht wird.” Montessori Deutschland bietet deshalb den Bildungsverantwortlichen auf jahrzehntelange Erfahrungen beruhende Expertise an. „Hierbei sollten Schulen in freier Trägerschaft, an denen Montessori-Pädagogik vielfach ungesetzt wird, in der deutschen Bildungslandschaft nicht als Konkurrenz zu staatlichen Einrichtungen, sondern vielmehr als Partner und Bereicherung für Bildungsgestaltung/-vielfalt angenommen werden.“
Boysen betont: „Wir als Montessori Deutschland sehen uns für eine Bildungswende in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung – schon allein bedingt durch die Grundlagen der Montessori-Pädagogik, die den Menschen immer in Wechselbeziehung zu allem, was Leben ausmacht und gestaltet, sieht.” An den Einrichtungen, die sich in Montessori Deutschland zusammengeschlossen haben – von den Krippen, Kinderhäusern bis hin zu den Schulen der Sekundarstufe – liege von je her das Augenmerk der Pädagoginnen und Pädagogen auf der Individualität eines jeden Kindes.
„Ihre Aufgabe ist es, eine Umgebung zu gestalten, in der Kinder und Jugendliche selbsttätig und selbstbestimmt entsprechend ihrer Entwicklungsbedürfnisse lernen und ihr Potenzial entfalten können, denn alle Kinder und Jugendlichen haben ein Recht darauf. Diese heranwachsenden Menschen in ihrer Entwicklung individuelle zu betrachten, insbesondere auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Fähigkeiten einzugehen, ist ein wichtiger Beitrag zur Umsetzung der Inklusion”, meint der Bundesvorsitzende. News4teachers