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Städte (aka Schulträger) fordern einen „Bildungsaufbruch“ – „enormer Nachholbedarf“

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DÜSSELDORF. Die Städte in Nordrhein-Westfalen sorgen sich um ihre Schulen. Die Herausforderungen für die Lehrer würden größer, die Leistungen der Schüler schlechter. Vor allem in sozial schwachen Stadtteilen würden fehlende Bildungsmöglichkeiten zum Problem.

Es braucht einen “Wumms”. Foto: Shutterstsck

Die Städte in Nordrhein-Westfalen fordern vom Land einen «Bildungsaufbruch» bei den Schulen. «Jede neue Bildungsstudie zeigt, dass wir enormen Nachholbedarf haben – bei Bildungsgerechtigkeit, Wissens- und Lernkompetenzen oder Digitalisierung», mahnte Städtetagspräsident Thomas Kufen (CDU) am Donnerstag bei einem Bildungskongress des Verbands in Gelsenkirchen. Es müsse mehr Geld in die Schulen fließen, vor allem aber müsse zielgerichteter investiert werden – unter anderem in eine qualifizierte Ganztagsbetreuung und die Schulsozialarbeit. Dabei müssten Brennpunktschulen besonders berücksichtigt werden.

Den Städten fehlten vom Land bislang konkrete Rahmenbedingungen für wichtige Projekte, sagte die Oberbürgermeisterin von Gelsenkirchen, Karin Welge (SPD). Bei Themen wie der Digitalisierung von Schulen oder bei dem ab 2026 geltenden Anspruch auf eine Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder fehle es an Unterstützung vom Land. «Wertvolle Zeit verstreicht. Das darf so nicht weitergehen», kritisierte Welge.

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«Bildungserfolg muss in jedem Stadtquartier möglich sein, sonst ist der Zusammenhalt in unseren Städten gefährdet»

Bei dem Kongress legte der Städtetag eine «Gelsenkirchener Erklärung» mit Forderungen an die Landespolitik vor. Vor allem die Unterschiede zwischen den Bildungsangeboten in verschiedenen Städten und verschiedenen Stadtteilen kritisieren die Kommunen darin. «Bildungserfolg muss in jedem Stadtquartier möglich sein, sonst ist der Zusammenhalt in unseren Städten gefährdet», mahnt die Erklärung. «Die Zukunftschancen unserer Kinder dürfen nicht davon abhängen, an welchem Ort sie leben und wo sie aufwachsen. Noch immer verlassen zu viele junge Menschen die Schule ohne Abschluss. Es ist notwendig, diesen gesellschaftlichen Skandal stärker in die bildungspolitische Aufmerksamkeit zu rücken. »

Weiter heißt es: «Jeder Mensch hat ein Recht auf Bildung. Damit einher gehen die Chancen junger Menschen für die Gestaltung ihres eigenen Lebens. Eine demokratische Gesellschaft gründet darauf, dass alle Menschen mit ihren Potentialen gesehen werden und die Chance erhalten, ihre individuellen Möglichkeiten zu entfalten. Die Ergebnisse des aktuellen Bildungsberichtes des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB, News4teachers berichtete) verdeutlichen, dass dies gegenwärtig nicht gelingt. Sie bestätigen den negativen Trend der letzten Jahre, den auch andere Bildungsstudien bereits belegt haben. Die Ergebnisse sind alarmierend. Das Land ist in der Pflicht zu handeln.»

Konkret fordert der Städtetag von der schwarz-grünen Landesregierung, die Schulen in sozial schwachen Städten und Stadtteilen besonders zu unterstützen. Nur mit einer gezielten Förderung von Schulen, die mit besonderen sozialen Herausforderungen konfrontiert seien, könne es «gleiche Bildungschancen für Kinder in unterschiedlichen Sozialräumen» geben, betonte der Städtetag. Gute Schulbildung liege auch im egoistischen Interesse des Landes. «Der Bildungserfolg junger Menschen in NRW entscheidet darüber, wie erfolgreich NRW im nationalen und internationalen Standortwettbewerb sein kann», schreiben die Kommunen in ihrer Erklärung.

«Die Zeit drängt. Wir brauchen bis zum Ende der Legislaturperiode greifbare Ergebnisse, die die Schulfinanzierung nachhaltig verbessern»

Deshalb sei es auch wichtig, dass die Landesregierung beim Umbau des Bildungssystems unter anderem auch die Opposition einbinde. Nur so sei sichergestellt, dass die Reformen nicht schon bei der nächsten Landtagswahl wieder zur Disposition stünden.

Die oppositionelle SPD im Düsseldorfer Landtag zeigte sich dafür bereit. «Die Herausforderungen sind so groß, dass wir längst einen parteiübergreifenden Konsens benötigen. Wir brauchen einen New Deal, bei dem alle Bildungspartner der gesamtstaatlichen Verantwortungsgemeinschaft mit am Tisch sitzen», sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott. Konkret müsse die Landesregierung dafür sorgen, dass jüngere Lehrer über moderne Arbeitszeitkonten kurzfristig mehr arbeiten könnten, forderte Ott. Für Lehrer an Schulen mit einem schwierigen sozialen Umfeld solle es eine Leistungsvergütung geben.

Allzu viel Zeit dürfe sich die Landesregierung nicht lassen, forderte Städtetagspräsident Kufen. «Die Zeit drängt. Wir brauchen bis zum Ende der Legislaturperiode greifbare Ergebnisse, die die Schulfinanzierung nachhaltig verbessern.» News4teachers / mit Material der dpa

Die Forderungen

Der Städtetag NRW fordert das Land auf, die Städte in ihrem Engagement stärker als bisher zu unterstützen und mit ihnen in den folgenden Themenfeldern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten (im Wortlaut):

  1. Gute Bildung 2030: NRW braucht ein zwischen Land und Kommunen geeintes Bild, was „Gute Bildung 2030“ beinhaltet und welche Anstrengungen wir unternehmen müsse, um das Ziel zu erreichen. Die anstehenden Herausforderungen müssen in einem dialogischen Prozess auf Augenhöhe benannt, priorisiert und notwendige Handlungsschritte eingeleitet werden. Dieser Prozess muss breit getragen und über die zeitlichen Grenzen der Legislatur mit allen demokratischen Parteien in NRW vereinbart werden. Gute Bildung braucht Zeit, Ressourcen, Professionalität und Kontinuität.
  2. Ungleiches muss ungleich behandelt werden: Der Bildungserfolg von Kindern hängt auch in NRW zu stark von ihrer Herkunft ab. Die Landesregierung muss auf der Basis eines qualifizierten Bildungsmonitorings das Instrument des schulscharfen Sozialindex stärken und gleiche Bildungschancen für Kinder in unterschiedlichen Sozialräumen ermöglichen. Ein aussagekräftiger Sozialindex muss als Steuerungsinstrument für die Verteilung von Bildungsressourcen ausgebaut und genutzt werden. Bildung nach Kassenlage der Kommunen kann in NRW nicht gewollt sein.
  3. Mehr Zeit für Kinder: Wir fordern die Landesregierung auf, in einem Arbeitsprozess mit den Kommunen die Chance zu nutzen, den Ganztag ab 2026 als Bildungs- und Betreuungsangebot zu qualifizieren. Der rhythmisierte Ganztag muss in einer Neukonzeption im ganzen Land ermöglicht werden. Dabei sind die Bedarfe benachteiligter Sozialräume besonders in den Blick zu nehmen. Die Verzahnung von kulturellen, sozialen, sport- und bewegungsfördernden Angeboten muss integraler Bestandteil eines Konzepts zur ganztägigen Förderung ab 2026 sein, das im Schulgesetz zu verankern ist. Die Umsetzung des Rechtsanspruches auf einen Platz im Ganztag darf nicht an den Rahmenbedingungen scheitern. Die Landesregierung muss umgehend mit den Städten realistische Standards für die bauliche Gestaltung und den Einsatz von Fachkräften im Ganztag vereinbaren, um eine Umsetzung der Ziele zu ermöglichen.
  4. Schule 2.0: Die Digitalisierung von Bildung stellt eine neue und dauerhafte Aufgabe dar. Sowohl Schulträger als auch Schulen benötigen eine verbindliche Roadmap, die alle Fragen von Qualifizierung, Lernmanagement bis zu technischen Fragestellungen beachtet. Veränderte Anforderungen an den gebauten pädagogischen Raum, an die technische Ausstattung von Schulen und, entscheidend, an die Lernkultur in Schulen müssen berücksichtigt werden. Das Land muss die verlässliche und zukunftsgerichtete Weiterentwicklung des digitalen Lehrens und Lernens mit Fortbildungsangeboten für seine Lehrkräfte sicherstellen.
  5. Gemeinsame neue Wege: Die Schulträgeraufgaben müssen neu betrachtet werden. Es ist notwendig, sie vor dem Hintergrund veränderter Aufgabenstellungen des schulischen Alltags wie der Digitalisierung, der ganztägigen Förderung, Schulsozialarbeit, Inklusion und Integration neu zu bewerten und auszufinanzieren. Dies betrifft auch den wachsenden Bedarf an Schulraum. Die Städte brauchen Planungssicherheit. Notwendig ist eine grundständige, verlässliche und auskömmliche Schulfinanzierung als Alternative zu befristeten Förderprogrammen.

Quelle: www.staedtetag-nrw.de/presse/pressemeldungen/2023/bildungskongress-staedtetag-nrw-digitalisierung-ganztagsausbau-reform-schulfinanzierung

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