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Der meistgelesene Artikel 2023: Mathematik-Professor geht mit Grundschulen ins Gericht

Der folgende Artikel erschien ursprünglich am 3. Juni – und war mit 372.462 Leserinnen und Lesern (Stand 28. Dezember) der meistgelesene Beitrag auf News4teachers im Jahr 2023.

PADERBORN. Der Paderborner Mathematik-Professor Bernhard Krötz, der mit einem polemischen Video zur mathematischen und naturwissenschaftlichen Bildung deutscher Abiturientinnen und Abiturienten bundesweit für Furore sorgte, hat nachgelegt: In seinem neuesten Youtube-Beitrag nimmt er die Grundschulen in den Fokus. Der Ton wird zunehmend schriller. Von einer „Horrorschau“ und von „Intelligenzgranaten“ ist die Rede.

Wird an den Grundschulen falsch unterrichtet? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Sind deutsche Schülerinnen und Schüler – Abiturienten – im internationalen Vergleich noch konkurrenzfähig? In Mathematik und den Naturwissenschaften nicht – meint jedenfalls der Paderborner Mathematik-Professor Bernhard Krötz, der sich auf Youtube die indische Zentralprüfung für die Hochschulen in Naturwissenschaften vornahm und erklärte, die würde praktisch kein deutscher Schulabgänger bestehen. Er spricht von „mathematischen Analphabeten“, die größtenteils von den Gymnasien kämen.

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Auch Lehrkräfte bekamen in dem Video, das von fast 240.000 Menschen angeschaut wurde, ihr Fett weg. Mit Blick auf eine Matheprüfung, der sich 1971 Realschüler in Baden-Württemberg unterziehen mussten, meinte er: An ihr würden heute sogar die allermeisten Sekundarstufe-I-Lehrerinnen und Lehrer scheitern. „Im besten Falle würden fünf Prozent unserer derzeitigen Realschullehrer diese Prüfung verstehen“, befand er.

Jetzt hat Krötz mit einem neuen Video nachgelegt, in dem er die Grundschulen in den Fokus nimmt – und mit Polemik überschüttet. Er erzählt „von einer Sonderpädagogin aus Nordrhein-Westfalen, die sich bei uns zu Wort gemeldet und von ihren Erfahrungen mit lernbehinderten Kindern in der Grundschule berichtet hat“. Demnach könnten deren Zöglinge durch repetitives Üben am Ende der Grundschulzeit „besser rechnen als die Normalos“ – behauptet Krötz, ohne dafür einen Beleg zu liefern. Und er schlussfolgert: „Es geht nahezu alles schief in Sachen Grundausbildung Mathematik im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Und in anderen Bundesländern wird es nicht viel besser aussehen.“

Er berichtet von seinen persönlichen Erfahrungen als Vater von zwei Kindern, die altersmäßig zehn Jahre auseinander lägen. „Bei der Großen war es noch weniger problematisch. Die Grundschule hat das geleistet, was ich von dir von ihr erwartet hatte. Bei dem Kleinen, seine Grundschulzeit liegt etwa vier Jahre zurück, war das nicht mehr der Fall. Ich habe damals die Unterlagen zur Mathematik gesichtet und ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich abends zu meiner Frau sagte, das wird nicht gut gehen. So kannst du niemanden das Rechnen beibringen.“ Wie immer (sic!) habe er recht behalten. Allerdings hätte er „deutlich früher intervenieren und dieser Horrorschau ein Ende bereiten müssen. Das habe ich nicht gemacht“. Angebliches Resultat nach vier Jahren Grundschulzeit: „Die schulisch bedingten Rechendefizite mussten dann von uns mit großen Mühen ausgeglichen werden.“

„Da frage ich mich natürlich, wie diese Intelligenzgranaten einen künstlich generierten von einem genuinen Text unterscheiden sollen“

Dann wird Krötz politisch: „Mein Rat an die Eltern: Wenn Sie hochwertige Bildung haben wollen, dann seien Sie bitte nicht so naiv und verlassen sich darauf, dass der Staat das leistet – das tut er nämlich nicht mehr.“

Seriöse Belege (die es für problematische Entwicklungen ja durchaus gäbe – wie etwa die jüngste IQB-Studie)? Der Mathematik-Professor liefert Anekdoten – wie die von dem Leiter eines Lernzentrums für Mathematik an einer Hochschule („Wir verraten nicht welche“), der in einem Anfängerkurs mit 46 Teilnehmenden einen Test schreiben ließ, in dem er die Aufgabe stellte, die Brüche 1/2 und 1/3 miteinander zu addieren. 43 der Studierenden hätten Zähler und Nenner zusammengezählt und wären auf ein Ergebnis von 0,4 gekommen. „Es hätte doch irgendwie auffallen müssen, dass das nicht richtig sein kann“, meint Krötz. „Das tat es nicht. Mit der Reflexionskompetenz scheint es anscheinend nicht so gut bestellt zu sein.“

Schlenker zur Debatte um Künstliche Intelligenz: „Da frage ich mich natürlich, wie diese Intelligenzgranaten einen künstlich generierten von einem genuinen Text unterscheiden sollen.“

Was hat das mit der Grundschule zu tun? Für den Mathe-Professor fangen da die Missstände an (weil dort offenbar alles falsch ist: die Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte, die Eltern, sogar die Einrichtung der Klassenräume). Krötz zitiert minutenlang aus einem Brief, den ihm ein Vertretungslehrer an einer Grundschule „aus dem Raum Hannover“ – nach eigenem Bekunden kein ausgebildeter Lehrer – geschickt hat. Wo Krötz die Kritik nicht polemisch genug ist, heizt er sie noch durch eigene Kommentare an. Zitate aus dem Schreiben:

Krötz meint dazu: Die Kinder seien „sehr apathisch, nicht lebendig im Kopf“. Sie seien nicht in der Lage, den Rechenweg einer Aufgabe zu erklären. „Sie antworten stets nur mit dem Ergebnis, können das aber nicht erklären, vielleicht weil sie nie dazu aufgefordert worden sind. Ein moderner Lehrer tut nämlich so etwas nicht. Er fordert Kinder nicht mehr auf. Er ist nur ein ‚facilitator‘ (Moderator, d. Red.), das ist Usus heutzutage.“ Rechenhinweise an den Wänden? Die gebe es nur, damit die Schule einmal im Jahr, „wenn die Eltern zu Besuch kommen“, einen guten Eindruck machen könne.

“Mit der Implementierung des Elternwillens in den modernen Schulgesetzen ist der Gipfel der staatlichen Unvernunft beschrieben“

Das Fazit des Mathe-Professors: „Wer die Jugend so weit vom logischen Denken abbringt, der hat nichts Gutes vor. Leider murrt die Lehrerschaft nur hinter vorgehaltener Hand. Der Beamtentitel sorgt für Schweigen.“ Damit ist Deutschlands Bildung offenbar dem Untergang geweiht, denn auch von Elternseite erwartet Krötz nichts Gutes – im Gegenteil: „Ein Staat, der es ernst meint mit hochwertiger Bildung, der macht den Bock nicht zum Gärtner – aber genau das hat unser Staat getan und zwar über alle Landesregierungen hinweg: Mit der Implementierung des Elternwillens in den modernen Schulgesetzen (gemeint ist offenbar die Mitbestimmung, d. Red.) ist der Gipfel der staatlichen Unvernunft beschrieben.“

Über die Bedingungen an den Grundschulen, wie etwa dem Lehrkräftemangel, verliert Krötz in seinem Video kein Wort. News4teachers

Auch auf der Facebook-Seite von News4teachers wird der Beitrag heiß diskutiert.

„Mathematische Analphabeten“: Wie ein Mathe-Professor auf Youtube mit Abiturienten (und Lehrkräften) abrechnet

 

 

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