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Studie: Freie Grundschulwahl der Eltern zementiert soziale Ungleichheit

DORTMUND. Kinder mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem oder ethnisch-kulturellem Hintergrund sind in Schulen oft stärker voneinander getrennt als in ihren Wohnvierteln. Die Schulwahl der Eltern spielt dabei eine zentrale Rolle, stellen Dortmunder Forscher fest.

In Brennpunktvierteln wie hier in Berlin ist die Schülerschaft meistens homogen – arme Kinder bleiben unter sich. Foto: Shutterstock

In den vergangenen Wochen konnten Eltern in Nordrhein-Westfalen ihre Kinder als zukünftige Erstklässlerinnen und Erstklässler für das nächste Schuljahr anmelden. Grundsätzlich haben Eltern dabei die Wahl, auf welche Schule sie ihre Kinder schicken. Forscherinnen und Forscher des Dortmunder Instituts für Landes- und Stadtentwicklungsforschung um die Geografin Isabel Ramos Lobato haben nun die Auswirkungen der elterlichen Schulwahl auf die Zusammensetzung der Grundschulen untersucht.

Für ihre Studie nutzte Ramos Lobato gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen Andreas Wettlaufer, Andreas Farwick und Heike Hanhörster beispielhaft Daten der Schulverwaltungs- und Einwohnermeldestatistik einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen (die im Einverständnis aller Akteurinnen und Akteure ungenannt bleiben soll). Zur Messung der sozio-ökonomischen Segregation diente den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Indikator der Lernmittelbefreiung. Diese erhielten überwiegend Familien, die Sozialleistungen beziehen oder andere gravierende finanzielle Belastungen vorweisen. Die ethnisch-kulturelle Segregation erfassten sie anhand des Migrationshintergrunds und der Religionszugehörigkeit.

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„Kinder mit unterschiedlichem sozio-ökonomischem oder ethnisch-kulturellem Hintergrund sind in Grundschulen oft stärker voneinander getrennt als in ihren Wohnvierteln“, erläutert die Wissenschaftlerin eines der zentralen Ergebnisse. Die Schulwahl der Eltern spiele dabei eine zentrale Rolle. „Selbst wenn privilegiertere Familien in eher gemischten Stadtvierteln leben, wählen sie für ihre Kinder häufig eine Schule außerhalb der Nachbarschaft“, so Ramos Lobato.

Die wahrgenommene Zusammensetzung der Schule habe einen entscheidenden Einfluss auf das Wahlverhalten der Eltern, so die Geografin. Für Eltern mit höherem Einkommen und Bildungshintergrund gilt laut Ramos Lobato, dass sie den Ruf einer Schule umso schlechter einschätzten, je höher der Anteil der Kinder mit Lernmittelbefreiung war. Proportional häufig mieden sie diese Schulen. „Eltern mit niedrigerem Einkommen und Bildungshintergrund legen bei der Schulwahl größeren Wert auf Unterstützungsangebote“, erläutert die Wissenschaftlerin.

Die soziale Entmischung in der Grundschule könne auch die Aufstiegschancen der Kinder beeinflussen. So weisen Schulen mit besonders vielen sozial benachteiligten Kindern im Schnitt deutlich schlechtere Bildungsergebnisse auf. „Die Schulsegregation ist damit nicht nur ein Spiegel sozialer und räumlicher Ungleichheit, sondert trägt auch dazu bei, diese zu zementieren“, so die Wissenschaftlerin.

Ansatzpunkte für gemischtere Schulen sieht sie etwa in der besseren Ausstattung von benachteiligten Schulen und in transparenten, schulübergreifenden Aufnahmeprozessen. „Um die soziale Entmischung zu vermeiden, bedarf es zusätzlicher finanzieller Unterstützung bestimmter Schulen sowie klarer und verbindlicher Kriterien bei der Aufnahme der Kinder“, so Ramos Lobato.

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