Marktdesign-Studie: Eltern und Schülern die Schulwahl besser selbst überlassen

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MANNHEIM. Bei der Schulplatzvergabe kommen meist Algorithmen zum Einsatz, die stark auf schulseitige Vorgaben abzielen. Mechanismen, die die Wünsche von Eltern und Kindern vorrangig behandeln, wären nicht nur wesentlich gerechter, sondern auch effizienter, stellt eine aktuelle Studie fest.

Welche Schule darf’s denn sein? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Wenn in Deutschland die Zuordnung von Kindern und Jugendlichen auf Schulen ansteht, werden auch hierzulande Algorithmen verwendet, um Schulplätze zu verteilen. Die dafür bisher häufig genutzten Mechanismen schneiden hinsichtlich Effizienz und Gleichheit schlecht ab, zeigt eine aktuelle Studie. Ein Ansatz, der die Wünsche von Eltern (sowie Schülerinnen und Schülern) vorrangig berücksichtigt, eigne sich im Vergleich deutlich besser, um Schulplätze an Schülerinnen und Schüler zu vergeben, stellen Thilo Klein (ZEW Mannheim) und Josué Ortega (Queen’s University Belfast) fest.

Bei der Zuordnung von Schulplätzen komme am häufigsten der Gale–Shapley Algorithmus (Mechanismus mit verzögerter Annahme -„deferred acceptance“ (DA)) oder der Top-Trading-Cycles-Mechanismus (TTC) zum Einsatz. Diese Mechanismen gleichen die Wünsche von Kindern und Eltern mit den Vergabekriterien der Schulen ab und verteilen dann mithilfe von festgelegten Regeln die Schulplätze. Diese Mechanismen seien wenig effizient und oftmals auch ungerecht.

Deutlich besser schneide laut Klein und Ortega ein rangminimierender Mechanismus (RM) ab: „Mit dem rangminimierenden Mechanismus landen Schülerinnen und Schüler auf einer Schule, die sie viel lieber besuchen würden als die Schule, die sie durch die beiden gängigen Algorithmen zugeteilt bekämen“, stellt Thilo Klein, fest, Professor an der Hochschule Pforzheim und im ZEW-Forschungsbereich „Marktdesign“ tätig. So erhielten die Schülerinnen und Schüler durchschnittlich einen Platz auf der Schule mit dem Rang 3 auf ihrer persönlichen Rangliste bevorzugter Schulprogramme, bei den anderen Mechanismen wäre es nur eine Schule auf Rang 9 oder 12.

Mehr Effizienz durch RM-Mechanismus mit Wünschen der Kinder und Eltern

Ihre theoretischen Ergebnisse prüften Klein und Ortega empirisch am Beispiel Ungarns, einem Land, in dem die Schulplatzvergabe in der Praxis mittels Deferred Acceptance-Mechanismus vorgenommen wird. Für die Analyse verwendeten sie Daten zur Zulassung von Schülerinnen und Schülern zu weiterführenden Schulen aus dem Jahr 2015. Insgesamt berücksichtigen sie die Wünsche von 10.131 Schülerinnen und Schülern und Vergabekriterien von 244 Schulprogrammen in Budapest. Die Schülerinnen und Schüler gaben die Reihenfolge an, in der ein Besuch der Schulen für sie infrage kam. Wurde auf diese Daten der RM-Mechanismus angewandt, so zeigte sich, dass Schülerinnen und Schülern im Durchschnitt eine Schule zugewiesen worden wäre, die sie wesentlich stärker bevorzugten, als es in der Praxis mit dem DA-Mechanismus der Fall war.

Mehr Gleichheit bei Schülerinnen und Schülern

Des Weiteren entstehe laut Klein und Ortega durch den RM-Mechanismus mehr Gleichheit, da der rangminimierende Mechanismus weniger als 2 Prozent der Schülerschaft einer Schule mit Rang 10 oder schlechter zugeteilt hätte. TTC und DA hingegen ordneten mit 16 und 41 Prozent einen weitaus größeren Teil einer solchen Schule zu. „Es wäre also deutlich effizienter und gerechter, die Wünsche von Eltern und Kindern wie im RM-Mechanismus vorrangig zu behandeln und die Schulvorlieben nur nachrangig zu berücksichtigen“, betont Marktdesign-Experte Thilo Klein. In der Praxis könne das erreicht werden, indem Schulen anstelle von feinmaschigen Vergabekriterien (wie der Wegstrecke zur Schule oder der Durchschnittsnote mit Nachkommastellen) auf grobmaschige Kriterien (wie das Einzugsgebiet der Schule oder ganzzahlige Noten) setzen. Die dadurch entstehenden Maschenweiten in den Vorlieben der Schulen lassen mehr Spielraum, um die Wünsche der Eltern zu berücksichtigen. (zab, pm)

Schlappe für Schulverwaltung vor Gericht – Schulplätze wurden rechtswidrig vergeben

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13 Kommentare
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polly
6 Monate zuvor

Was soll denn bitte der Unterschied zwischen den Kriterien „Wegstrecke zur Schule“ und „Einzugsgebiet der Schule“ sein? Und der prinzipielle Interessenkonflikt „Elternwunsch“ vs. „Sprengelprinzip“ sowie „Schulpolitik als Sozialpolitik“ wird im Artikel noch nicht einmal angesprochen.

arrow
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Unter „Wegstrecke“ würde ich eine Entfernung zur Schule, bzw. ggf. umständliche, langwierige Fahrerei mit verschiedenen Verkehrsmitteln, Umsteige-, Wartezeit verstehen.

Unter „Einzugsgebiet“ die Frage, ob im Schulsprengel ein „Asi“-Wohngebiet liegt, oder eine Villengegend mit lauter verwöhnten Kinderchen und ständigen Anwaltsbemühungen der Eltern oder vielleicht auch der bohemeartige Lebensstil eines Künstlerviertels rüberschwappt – wenn ich mich der gängigen Klischees hier mal so ungehemmt bedienen darf….

polly
6 Monate zuvor
Antwortet  arrow

Für Grundschüler gibt es ja das schöne Prinzip „kurze Beine, kurze Wege“, die sollen ohnehin nicht mit langen Busfahrten und Umsteigen zur Schule kommen. Es geht wohl mehr um die weiterführenden Schulen. Aber im Artikel wird doch ausdrücklich auf die Wünsche der Eltern Bezug genommen. Und Sie meinen, der im Artikel propagierte Algorithmus solle „verwöhnte Kinderchen“, zu erwartende „Anwaltsbemühungen“ oder den „bohemeartigen Lebensstil“ berücksichtigen? Wie soll das praktisch gehen? Ich sehe im Artikel nichts dergleichen. Da ist von individuellen Wünschen die Rede.

Tamara Klemm
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

„verwöhnte Kinderchen“, zu erwartende „Anwaltsbemühungen“, „bohemeartiger Lebensstil“?
Hier blitzt aber ganz schön viel vom Menschenbild durch!

Lisa
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Eine Wegstrecke würde ich in Metern/ Kilometern und ein Einzugsgebiet mit Flächenmaßen angeben.

Gelbe Tulpe
6 Monate zuvor

Logisch, Marktwirtschaft ist ja auch effizienter als Planwirtschaft.

Lera
6 Monate zuvor

Die Entfernung zur Schule ist ein Kriterium, das wenigstens einigen glücklichen Schulen mit exklusiver Umgebung (hohe Mieten, teure Grundstücke) noch eine relativ leistungsorientierte Schülerschaft beschert.

Muss demnach natürlich sofort weg im Namen der heiligen Heterogenität („Unsere tägliche Zumutung gib uns heute … und führe uns nicht hin zur Leistung, sondern erlöse uns von der Bildung…“).

DerechteNorden
6 Monate zuvor
Antwortet  Lera

Ich finde es auch gesellschaftlich total hilfreich, dass es nur einige glückliche Schulen gibt, besonders, wenn alle anderen gar nicht glücklich sind. Das ist nur fair.
Soziale Heterogenität schadet nicht, denn sie würde helfen, mehr kluge Menschen dazu befähigen, der Gesellschaft zu dienen, oder nicht?
Hilft es Deutschland denn, dass es immer weniger Menschen gibt, die ihren kognitiven Fähigkeiten gemäß aktiv sein können?
Wenn nur die mit Geld ihren z.T. mittelmäßigen Nachwuchs in Positionen bringen können, dann ist nicht sinnvoll.
Und zuletzt: Homogenität als solche ist nicht per se positiv, denn an Brennpunktschulen gibt es ja auch Homogenität, oder nicht?

Lera
6 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

„Ich finde es auch gesellschaftlich total hilfreich, dass es nur einige glückliche Schulen gibt, besonders, wenn alle anderen gar nicht glücklich sind. Das ist nur fair.“

Besser einige als gar keine mehr.

„Soziale Heterogenität schadet nicht, denn sie würde helfen, mehr kluge Menschen dazu befähigen, der Gesellschaft zu dienen, oder nicht?“

Nee, erfahrungsgemäß so gar nicht.

„Hilft es Deutschland denn, dass es immer weniger Menschen gibt, die ihren kognitiven Fähigkeiten gemäß aktiv sein können?“

Absolut nicht, daher ja meine Forderung nach mehr Exklusivität – Probleme draußen, Bildung drinnen.

„Wenn nur die mit Geld ihren z.T. mittelmäßigen Nachwuchs in Positionen bringen können, dann ist nicht sinnvoll.“

Stimmt, aber wenn gar keiner mehr in Ruhe lernen kann, ist auch niemandem
geholfen.

„Und zuletzt: Homogenität als solche ist nicht per se positiv, denn an Brennpunktschulen gibt es ja auch Homogenität, oder nicht?“

Homogen asozial ist nicht per se positiv, das ist korrekt.

Blau
6 Monate zuvor
Antwortet  Lera

Also ich bin mit Gymnasialempfehlung an eine der beste Gesamtschulen Deutschlands gegangen. Der Leistungsabstand zwischen mir und meinen MitschülerInnen war gigantisch. Ich wurde daher ausgeschlossen, dauerhaft sehr gute Noten waren nichts Erstrebenswertes. Ich fing an mich für meine Noten zu schämen. Trotzdem hielt ich die Leistung durch. Selbst in der Oberstufe war meine Leistung noch herausragend. In der Sekundarstufe 1 wurde viel Unterrichtszeit für Erziehung verwendet, die ich nicht nötig hatte. Viel Zeit wurde verwendet, um Dinge nochmals zu erklären, die ich längst verstanden hatte.
Mein Sohn, ähnlich begabt wie ich, besucht nun ein Gymnasium. Er hat in den 2 Jahren dort in vielen Fächern mehr und auf einem höheren Niveau gelernt als ich in der gesamten Sekundarstufe 1. Mich beschleicht das Gefühl, dass viel meines Potenzials verschwendet bzw. nicht ausgeschöpft wurde.
Meine Gesamtschule von damals gibt es immernoch, nur ist die Heterogenität dort heute noch größer durch die Schließung der Hauptschulen. Dort zu unterrichten ist schwierig, es gibt Bestrebungen äußere Differenzierung dort abzuschaffen. Dabei finden die Schülerinnen auf beiden Niveaus es toll, endlich mal Unterricht zu bekommen, der zu ihrem Leistungsvermögen passt. Das gibt Selbstvertrauen und oft auch bessere Noten für alle.
Vielleicht kann es klappen mit einer Schulform für alle, wenn es keine Gymnasien mehr gibt, keine Privatschulen und alle Leistungsniveaus gleichmäßig auf die Schulen verteilt werden. Und wenn sich die Unterrichtskultur verändert, die Klassengrößen verkleinert und die Arbeitszeit der Lehrkräfte verringert wird.

Sandra
6 Monate zuvor

Dann wird eine der Schulfunktionen nach Fend die Selektion – Allokation ja gar nicht mehr benötigt. Super!

Freiya
6 Monate zuvor
Antwortet  Sandra

Yeah… wir benennen einfach alle Schulen in „Gemeinschaftsschule“ um. Oder doch besser „Gymnasium“???

Leute, man fasst sich an den Kopf!

Finagle
6 Monate zuvor

Ich bin verwirrt. Ich denke Noten sind ungerecht. Und die sollen nun eine gerechtere Verteilung sorgen. Ich hätte jetzt erwartet, dass konsequenterweise die Noten gänzlich ignoeriert würden. Immerhin scheint doch „gerecht“ hier als definiert zu sein, was dem Schüler/in-Wunsch entspricht und effizient… hmm.. dem, was dem schneller nachkommt?