BERLIN. Hochrangige AfD-Politiker sollen an einem geheimen Treffen mit Neonazis teilgenommen haben, bei dem die Abschiebung von Millionen Menschen aus Deutschland geplant wurde – konkret: Migrantinnen und Migranten und ihre (vermeintlichen) Unterstützer. Dies berichtet das Recherche-Netzwerk „Correctiv“. Dabei sollen die Lebensbedingungen für die Betroffenen so verschlechtert werden, dass sie auch „freiwillig“ das Land verlassen. Der Bericht passt zu Ideen, die AfD-Politikerinnen und -Politiker in der Vergangenheit für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ersonnen haben.
In einem Einladungsschreiben zu dem Geheimtreffen nahe Potsdam, das Correctiv vorliegt, heißt es: Bei der Veranstaltung werde ein „Strategiekonzept im Sinne eines Masterplans“ vorgestellt. Teilnehmer sollen den Journalistinnen und Journalisten zufolge erläutert haben, wie sie eine Strategie für die Umsiedlung von Millionen Menschen gemeinsam in die Tat umsetzen wollen, sollte die AfD in Regierungsverantwortung kommen.
Es sei von „maßgeschneiderten Gesetzen“ die Rede gewesen, die man erlassen wolle, um einen „hohen Anpassungsdruck“ auf Menschen mit Zuwanderungsgeschichte – unabhängig davon, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht – zu erzeugen. Außerdem sei von einem „Musterstaat“ in Nordafrika gesprochen worden, in dem bis zu zwei Millionen Menschen leben könnten, auch Menschen, die sich in Deutschland für Geflüchtete einsetzten. Betroffen von diesen Plänen wäre insgesamt gut ein Viertel der Bevölkerung in Deutschland.
Sachsen-Anhalts AfD-Co-Fraktionschef Ulrich Siegmund soll bei dem Treffen gesagt haben, man müsse in seinem Bundesland dafür sorgen, dass es „für dieses Klientel möglichst unattraktiv werde“, dort zu leben. Von dem Recherchenetzwerk mit seiner Aussage konfrontiert, betonte Siegmund, er sei als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Abgeordneter bei dem Treffen gewesen. In seiner Antwort über eine Anwaltskanzlei lässt Siegmund offen, wie er dem Konzept der „Remigration“ gegenübersteht. Er schreibt lediglich, dass er Menschen „nicht gesetzeswidrig ausweisen“ wolle.
An dem Treffen sollen unter anderem auch Roland Hartwig, rechte Hand der AfD-Parteichefin Alice Weidel, und die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy teilgenommen haben. Sie soll erklärt haben, sie verfolge das skizzierte Ziel schon länger und habe bei ihrem Parteieintritt selbst schon ein „Remigrationskonzept mitgebracht“.
Der Bericht fügt sich in Vorschläge aus Reihen der AfD, wie im Schulsystem mit Kindern aus Einwandererfamilien verfahren werden solle. So sprach sich der bayerische AfD-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl in Bayern, Martin Böhm, öffentlich für einen getrennten Unterricht an Grund- und Mittelschulen von Kindern mit Deutsch als Muttersprache und den „anderen Kindern“ aus, die nicht oder nicht so gut Deutsch sprechen. Letztere sollten „in ganz besonderen Klassen weitergebildet“ werden – „keinesfalls mit Kindern, die die Sprache perfekt beherrschen. Weil immer wenn Sie zwei Flüssigkeiten zusammenschütten, dann erhalten Sie irgendwo eine Mischung.“ Und man könne nicht tolerieren, dass Kinder, die hier geboren seien, Schulen besuchen müssten, in denen ihnen Bildung, die sie verdient hätten, aus Rücksicht auf andere nicht zukomme.
Zuvor hatte die AfD-Fraktion im Brandenburgischen Landtag den Antrag gestellt, eine Obergrenze für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in Klassen einzuführen. Danach sollten maximal zehn Prozent der Schülerinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien stammen dürfen – was mit den übrigen geschehen soll, blieb offen. Nach dem AfD-Vorschlag sollen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zudem nur in eine reguläre Klasse kommen dürfen, wenn sie ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen. „Zum Erreichen dieses Ziels sind alle Kinder und Jugendlichen ohne entsprechendes Sprachniveau ausnahmslos in speziell einzurichtenden Vorbereitungsgruppen zu beschulen“, so forderte die Fraktion.
„Die AfD hat in ihrer Programmatik als Gesamtpartei eine rassistische national völkische Ausrichtung fest verankert“
Das Institut für Menschenrechte hatte unlängst ein staatsrechtliches Gutachten veröffentlicht, das die Verbreitung rassistischen Gedankenguts in der AfD deutlich macht – und das Argumente für ein Verbotsverfahren liefert. „Bereits der Programmatik der Partei lässt sich ein politisches Konzept entnehmen, das auf die Missachtung der in Artikel 1 Absatz 1 GG verbrieften Garantien abzielt. Die AfD hat in ihrer Programmatik als Gesamtpartei eine rassistische national völkische Ausrichtung fest verankert, die sich damit nicht etwa allein auf Mitglieder von Teilorganisationen wie dem (ehemaligen) ‚Flügel‘ beschränkt. Der Programmatik liegt ein national völkisch verstandener Volksbegriff zugrunde, der Menschen nach rassistischen Kategorien in ihrer Wertigkeit unterscheidet und damit vom Volksbegriff des Grundgesetzes abweicht und mit Artikel 1 Absatz 1 GG nicht zu vereinbaren ist. Dabei verfolgt die Partei das Ziel einer Einheit von Staat und Volk nach ihren national völkischen Vorstellungen.“
Weiter heißt es darin: „Die AfD erkennt demzufolge nicht alle Deutschen als solche an. Menschen, die trotz deutscher Staatsangehörigkeit aus Sicht der AfD nicht als Deutsche gelten, verfügen nach Ansicht der Partei auch über keine Grund und Menschenrechte. Die AfD strebt vielmehr an, allein willkürlich bestimmen zu können, wer in Deutschland lebt und wer nicht, was Deportationen deutscher Staatsangehöriger und damit die Anwendung grund- und menschenrechtswidriger Gewalt einschließt.“ News4teachers
- Hier geht es zu dem “Correctiv”-Bericht.
- Hier geht es zum Gutachten des Instituts für Menschenrechte.
- Die Fotos zum Beitrag wurden von den Arolsen Archives zur Verfügung gestellt, die nach weiteren Fotos von Deportationen aus der NS-Zeit sucht. Informationen dazu: https://arolsen-archives.org/news/neue-initiative-lastseen-suche-nach-bildern-der-ns-deportationen/
