Nach Hetzjagd-Aufrufen: Lehrkräfte, die gegen Rechtsextreme aufbegehrten, verlassen die Schule – die AfD triumphiert

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BURG IM SPREEWALD. In einem Brief schildern zwei Lehrkräfte rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule im Spreewald. Sie befürchten daher, attackiert zu werden. Jetzt wollen die Pädagogen nicht mehr an der Schule unterrichten. Im Netz und mit Aufklebern, die im Umfeld der Schule auftauchten, war zur Jagd auf die beiden aufgerufen worden. Die AfD triumphiert.

Im Netz kursiert dieses Foto, das Schüler der Schule zeigen soll. Foto: Screenshot

Rund drei Monate nach dem Schreiben eines Brandbriefs über rechtsextreme Vorfälle (News4teachers berichtete) wollen die beiden Lehrer ihre Schule in Burg im Spreewald verlassen. Der Lehrer Max Teske bestätigte entsprechende Medienberichte, nach denen er und seine Kollegin Laura Nickel auch wegen Anfeindungen aus der rechten Szene gehen wollen.

So tauchte ein Instagram-Account auf, in dem zur Jagd auf die beiden Lehrkräfte aufgerufen wurde. Zudem hingen am Mittwoch im Bereich um die Schule in Burg rund 30 Aufkleber. Nach übereinstimmenden Medienberichten waren darauf die Gesichter der beiden Lehrer zu sehen mit dem Aufruf, dass sie nach Berlin («’pisst euch») verschwinden sollten. Die Polizei teilte dazu mit, dass der Staatsschutz aufgrund der dargestellten Abbildungen Ermittlungen wegen des Tatverdachts der Beleidigung, des Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz, Sachbeschädigung sowie wegen illegalen Plakatierens aufgenommen habe.

«Wir haben uns in jeder Hinsicht vor die Kolleginnen und Kollegen gestellt»

«Das hätte sich auch nach den Sommerferien nicht beruhigt», sagte Teske gegenüber der Märkischen Allgemeinen Zeitung. Am Mittwochmorgen hatte er sich in einem Brief an die Eltern seiner 7. Klasse verabschiedet. Der Brief wurde schnell verbreitet.

Nickel und Teske hatten im April rechtsextreme Vorfälle an ihrer Schule öffentlich gemacht und damit eine bundesweite Debatte ausgelöst. Die Lehrkräfte schilderten damals in einem anonymen Schreiben, sie seien an der Schule im Spreewald täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Beide sollen in diesem Jahr den «Preis für Zivilcourage gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Rassismus» bekommen.

Im Juni hatte Teske gesagt, die Situation an der Schule habe sich auch nach Bekanntwerden von rechtsextremen Vorfällen nicht verändert. Das Kollegium sei tief gespalten, Lehrkräfte grüßten ihn und seine Kollegin zum Teil nicht mehr. Zudem erzählte Teske, dass sie wegen ihres Engagements auch mit Übergriffen rechneten.

Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD) verwies auf die Unterstützung des Landes für die Lehrkräfte und die Schule in Burg. Seine Kenntnis sei, dass Versetzungsanträge gestellt wurden, sagte er. Er kommentiere aber keine einzelnen Personalangelegenheiten. «Wir haben uns in jeder Hinsicht vor die Kolleginnen und Kollegen gestellt», sagte Freiberg. Das Land habe sich über das Staatliche Schulamt und zwei Schulräte seit dem Bekanntwerden der Vorfälle um die Schule gekümmert.

«Nichts, ganz einfach nichts kommt. Ich finde das höchst fatal»

Teske hatte allerdings noch vor gut zwei Wochen das Land kritisiert. «Nichts, ganz einfach nichts kommt», sagte er. «Ich finde das höchst fatal.» Auch ein Gespräch mit dem Brandenburger Bildungsminister stehe noch immer aus.

Die Schulämter in Brandenburg meldeten seit der Debatte um die rechtsextremen Vorfälle in Burg mehr solcher Fälle. Die meisten neuen Vorkommnisse gab es laut Bildungsministerium in Südbrandenburg im Bereich des Staatlichen Schulamts Cottbus.

Die AfD triumphiert. «Bürgerliches Engagement wirkt: Linksradikaler Denunziant verlässt #Burger Schule“, so hetzt der Cottbuser AfD-Vorsitzende Jean-Pascal Hohm auf Twitter. «Zusammen mit einer Genossin denunzierte er Schüler (zunächst anonym) bei der Presse. Es folgte eine Hetzkampagne gegen die Lausitz. Nun verlässt der ‚Lehrer‘ – nach Eltern-Protest – die Schule.» Heute legte er nach: «Es gibt kein Rechtsextremismus-Problem an Brandenburgs Schulen.»

Hohm selbst war 2019 laut einem Bericht des «Tagesspiegel» in einem Gutachten des Bundesverfassungsschutzes mehrmals namentlich genannt worden, weil er offenbar Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen wie der Identitären Bewegung unterhielt. News4teachers / mit Material der dpa

Rechtsextremismus an Schulen zieht Kreise – immer mehr Fälle werden bekannt

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Realist
9 Monate zuvor

Interessant wäre zu wissen, in welcher Form die beiden Lehrkräfte die Schule verlassen. Wurden sie versetzt? Auf eigenen Wunsch? Das geht aus dem Text nicht eindeutig hervor.

Oder haben sie gekündigt? Das wäre dann ein eklatantes Versagen des Bildungsministeriums (Fürsorgepflicht!). Private Arbeitgeber würde man bei einem derartigen Versagen hinsichtlich der Pflicht, ihre Angestellten vor Übergriffen oder Anfeidungen zu schützen, vor einem Arbeitsgericht zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilen.

Pälzer
9 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ich freue mich, dass in diesem Fall das Land so schnell den Versetzungsantrag bewilligt. Bei uns und in den „normalen“ Fällen muss man ja oft viele Jahre warten.

Frank Sigerson
9 Monate zuvor
Antwortet  Pälzer

Klar ging das schnell. Die waren bestimmt froh, dass sie die beiden „Querulanten“ los geworden sind.

DerechteNorden
9 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Auf spiegel.de stand, dass sie versetzt werden wollten. Hier trifft ja die Härtefallregel zu.

AvL
9 Monate zuvor

Wehret den Anfängen !

Petra Klemmenschitz- nicht mitgemeint.
9 Monate zuvor
Antwortet  AvL

Na das hat ja hier schon mal nicht geklappt…

Unverzagte
6 Monate zuvor
Antwortet  AvL

Vonwegen Anfängen, leider sind wir mittendrin…

DerechteNorden
9 Monate zuvor

Die AfD scheint nicht zu verstehen, dass es für sie nichts zu triumphieren gibt. Die besagte Schule hat ihren Ruf weg und die Rechten haben wieder einmal bewiesen, dass sie vor nichts zurückschrecken.

Petra Klemmenschitz- nicht mitgemeint.
9 Monate zuvor
Antwortet  DerechteNorden

Die AfD versteht genau. Ihre Claquere jubeln, die Einheimischen werden bockig, rotten sich mit zusammen, weil sie sich „von denen“ (Wessis, Berliner, Links-grüne, Versiffte, Altparteien…) nichts sagen lassen. Bei der Wahl wird sich das ausgehen für die Blauen. Und die Posten warten schon.

Küstenfuchs
9 Monate zuvor

Natürlich jubelt die AfD. Und die Dummen jubeln und stellen sich einfach nicht die Frage, welche Firma so bescheuert sein muss, in so einem Moloch Arbeitsplätze zu schaffen. Da will doch kein gut ausgebildeter Arbeitgeber hin bzw. bleiben.

Natürlich kann man dann wieder bequem gegen „die da oben“ oder die „Systemlinge“ wettern und merkt gar nicht, dass man längst selbst Schuld ist an den schlechteren Löhnen im Vergleich zum Westen. Das Ganze ist also letztlich nur ein weiterer Schritt in Richtung Verdummung und Verarmung des Ostens.

AvL
9 Monate zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Dto

vhh
9 Monate zuvor

Ist ‚linksradikaler Denunziant‘ eigentlich noch Meinungsfreiheit oder schon Beleidigung, weil durch nichts belegbar? 2019 musste der rechtsradikale Gernegroß als Beisitzer im Vorstand Cottbus zurücktreten, heute grüßt er schon wieder als Vorsitzender. Seine Tiraden und wohl auch seine Position haben sich nicht geändert, da muss sich wohl seine Partei nach rechts bewegt haben. ‚Vor die Lehrkräfte stellen‘ ist ja schön, aber konkrete Maßnahmen an dieser Schule? Personal, Projekte? Wenn es das gäbe, hätte es der Minister erwähnt, aber wieder einmal Reaktion statt Aktion. Prima Werbung um neue Lehrkräfte, aber diese blühende, innovative Industrieregion braucht weder die noch neue Unternehmen.

Walter Hasenbrot
9 Monate zuvor

Das ist ein Armutszeugnis für die gesamte Schule: Schulleitung, Kollegium, Eltern und SchülerInnen.

Kein Wunder, dass immer mehr Leute einen weiten Bogen um die „neuen“ Bundesländer machen.

Früher habe ich dort gelegentlich Urlaub gemacht. Auch damals haben mich die NPD Plakate schon gestört.

Heute würden mich keine 10 Pferde mehr in den Osten bringen.

Das einzig Gute: Die NPD Plakate sind verschwunden. Die Schattenseite: Dafür hängen dort jetzt AfD-Plakate. Auch nicht besser!

Realist
9 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Das ist ein Armutszeugnis für die gesamte Schule: Schulleitung, Kollegium, Eltern und SchülerInnen.“

Vor allem auch ein Armutszeugnis für das Bildungsminsiterium und die Landesregierung. Eine Schule vor Ort kann nicht alle gesellschaftlichen Probleme lösen, auch wenn das manche gerne so hätten, um selber nichts tun zu müssen!

Walter Hasenbrot
9 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Die Eltern und Schüler sowie KollegInnen und Schulleitung sind Teil des Problems, weil sie sich nicht vor die mutigen Kollegen gestellt haben und nichts oder zu wenig unternommen haben, um klarzumachen, dass Rechtsextremismus ein No Go ist.

Im Gegenteil, die beiden KollegInnen wurden ja sogar von anderen LehrerInnen angefeindet.

DerechteNorden
9 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Diese Schule hat aber so gar nichts getan. Man konnte ja lesen, wie die Schule mit der Problematik umgegangen ist.

OttoderKleine
9 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Ja, das Schulministerium tat anfangs erstaunlich ahnungslos, auch die vorherige Schulministerin Frau Ernst hat sich wohl nie geäußert. Auch bekam ich nicht das Gefühl, über die ganze Sache objektiv informiert zu werden. Jede Seite hat das für sich ausgeschlachtet und der anderen Seite die Schuld gegeben. Es könnten auch andere Konflikte eine Rolle gespielt haben (vielleicht auch soziale?).
Vielleicht können uns Psychologen erklären, was es wirklich bedeuten mag, wenn 14-Jährige auf dem Schulhof den Hitlergruß rufen. Ob die überhaupt wissen, wer Hitler war und was der genau gemacht hat? Ob die vielleicht nur pubertären Protest um des Protestes willen verkünden wollen? Oder ob die ernsthaft dafür sind, neue Konzentrationslager zu bauen? Hat man eigentlich dort den National-sozialismus zum schulischen Thema gemacht? Und die Lehrer haben den dann positiv dargestellt? Das ist schwer zu glauben.

OMG
9 Monate zuvor
Antwortet  OttoderKleine

„anfangs erstaunlich ahnungslos“.
Bitte zwei Wörter streichen, um die Kompetenz des Ministeriums auf den Punkt zu bringen.
Auch wenn es weit weg ist: Der Fremdschämfaktor ist immens

Walter Hasenbrot
9 Monate zuvor
Antwortet  OttoderKleine

Da kommt schon wieder einer, der Rechtsextremismus verharmlosen will.

Ich kenne keinen 14-Jährigen, der nicht weiß, was der Hitlergruß bedeutet und wer Hitler war

Bauklötzchen*
9 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

Ein Armutszeugnis sind allerdings auch die pauschalen Urteile hier im Forum.

Der „Osten“ (Meinen Sie damit eigentlich Teile Brandenburgs, Mecklenburg-Vorpommerns, Sachsens oder „verosten“ Sie einfach alles jenseits der in Ihrem Kopf nach wie vor existenten Demarkationslinie?) sei dementsprechend komplett braun- bzw. blauversifft.
Da wir uns ja hier in einem Bildungsforum befinden (obwohl ich daran in den letzten Monaten mehr und mehr zweifle), sollte doch eine gewisse Contenance gewahrt bleiben. Bitte bemühen Sie sich wenigstens ein kleines Bisschen um Differenzierung.

Wir wollen ja mal nicht vergessen, woher der größte Teil des Führungskaders der AfD herkommt, gell? Oder wo die von Ihnen (zu Recht) so verabscheute NPD gegründet wurde.
Wenn Sie hier im tiefsten Hunsrück rumfragen, wohin meine Mitbürger bei der nächsten Wahl ihr Kreuzchen setzen wollen, würden Sie das Würgen bekommen. Ich wurde sogar gefragt, wie hoch die Chancen stehen, dass „Die Heimat“ auf der Liste steht. Auch hier strecken Schüler den rechten Arm gen Himmel, auch hier werden Hakenkreuze gemalt. Auch hier gilt Rassismus als salonfähig.
Nur weil unsere Gesellschaft immer mit dem Finger auf andere zeigen will, muss man das nicht mit dem eigenen auf 16 Millionen Menschen pauschal genauso machen.
Radikalisierung als Reaktion auf tiefe Ängste ist kein „ostdeutsches“ Phänomen, da reicht ein Blick über den eigenen Tellerrand.

Walter Hasenbrot
9 Monate zuvor
Antwortet  Bauklötzchen*

Ich habe nicht verallgemeinert.

Im Osten sind rechtsextreme Einstellungen nun einmal sehr verbreitet, auch wenn die Mehrheit sie ablehnt.

Das reicht erstens für mich aus, dass ich mich im Osten nicht wohlfühle. Und zweitens ist der Widerstand der Zivilgesellschaft gegen die rechtsextreme AfD viel zu schwach.

Andreas Wieck
8 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

die AfD ist nicht rechtsextrem, sie wird von linken Kräften nur so verortet!

Unverzagte
6 Monate zuvor
Antwortet  Andreas Wieck

Ist Ihnen der Verfassungsschutz unbekannt?

Mika
9 Monate zuvor
Antwortet  Bauklötzchen*

Vielen Dank @bauklötzchen für diesen Kommentar.

Andreas Wieck
8 Monate zuvor
Antwortet  Walter Hasenbrot

woran machen Sie das fest? Die AfD ist bürgerlich und nicht so rechts wie die NPD, nicht wahr?

Rainer Zufall
9 Monate zuvor

Die Diskussion, die Fotos, die Anfeindungen und der jetzige Jubel zeigen, welche Bildungspolitik bei der AfD zu erwarten ist.

RSDWeng
9 Monate zuvor

Gegen rechte Umtriebe in der Schülerschaft helfen nur wirksame Sanktionen der schärfsten Art, die die jeweiligen Landesgesetze und Schulordnungen hergeben, und eine Schulaufsicht, die kompromisslos hinter ihren Lehrkräften steht.
Alles andere ist pädagogische Traumtänzerei – leider. Ich spreche aus Erfahrung.

Georg
9 Monate zuvor
Antwortet  RSDWeng

Kennen Sie das Schulgesetz? Sehr lange gibt es außer einem Dududu keine Möglichkeiten. Das gilt übrigens für jede Art von Untrieben, egal ob politisch, sozial, kulturell, sonstwas.

RSDWeng
9 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Herr Georg,
es kommt natürlich auf das jeweilige Bundesland an. Ich kenne das für mich zutreffende Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz sehr genau und es ist sehr gut geeignet, Schüler von der Schule zu verweisen. In meiner aktiven Zeit als Schulleiter musste ich leider diese Maßnahme mehrmals ergreifen.

Corinna
8 Monate zuvor

Woran erinnern mich diese ekelhaften Aussagen bloß…ich Frage mich, ob einer dieser AfD`ler selber ein besonderes Kind hat? Ich Frage mich, was nach dem Verweis dieser Kinder aus den normalen Schulen kommt? Wegsperren? In Heime stecken?
Gott steh uns bei, dass diese Partei wirklich an die Macht kommt!!! Mir wird Angst und Bange, denn diese Aussage zeigt ganz genau, dass wir mit diesen „Menschen“ einen Rückschritt um viele Jahrzehnte machen!!!! Diese Partei macht alles, wofür Menschen die letzten Jahrzehnte gekämpft haben zu Nichte!!!

Axel Meininghaus
7 Monate zuvor

FRAGE: Antisemitismus, radikale Gesinnung „bekämpfen“- gibt irgendwelche Erfolge dieses „Kampfes“, der so seit Jahren medial so genannt wird??
Dieser vermeintliche „Kampf“ mit den Waffen der „Sanktion“ und „Strafverfolgung“ – was schafft der? Steigende Fallzahlen. Einsicht?
Dass ein „KAMPF“ zu führen sei, ist offensichtlich ein Irrweg. Was kann so schreckliches Geschehen wie Auschwitz je zu einer „Heilung“ in allen Nachgeborenen wandeln? Nur wenn es gelingt, echtes MITGEFÜHL erwecken und dieses zu leben. Nicht dieses „Wir sind die Guten und wehe, wenn Ihr…!“
Mitgefühl mit den Opfern UND -besonders schwierig: mit den Tätern, die so schreckliche Schuld auf sich und auf alle Menschheit geladen haben!