
Die Lehrkräfte Max Teske und Laura Nickel hatten im April einen Brandbrief verfasst, in dem sie die Zustände an der Grund- und Oberschule Mina Witkojc beschrieben. «Wir wenden uns an die Öffentlichkeit, da wir in unserem Arbeitsalltag als Schulpersonal an einer Schule im Spree-Neiße-Kreis täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert werden und nicht mehr länger den Mund halten wollen», heißt es in dem Schreiben.
Als Beispiele werden darin unter anderem die verfassungsfeindliche Verbreitung von rechtsextremen Symbolen, Schriften, Musiktiteln und Gewalt an der Schule genannt. Schulmobiliar werde mit Hakenkreuzen beschmiert, im Unterricht werde rechtsextreme Musik gehört, in den Schulfluren demokratiefeindliche Parolen gerufen. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die beiden Lehrkräfte wurden von rechts angefeindet, bedroht und verließen schließlich die Schule (News4teachers berichtete).
Die damalige Schulleitung mochte kein echtes Problem erkennen. Angesprochen auf ein Gruppenfoto, auf dem Schülerinnen und Schüler ihre Arme zum Hitlergruß nach oben strecken, meinte sie, das seien nichts weiter als wichtigtuerische Draufgänger. Gegenüber der «Zeit» erklärte sie damals: «Diese Jungs sind Teenager, sie sind in der neunten Klasse und suchen ihren Platz. Sie wollen sich ausprobieren.» Im August wurde die Schulleitung abgelöst – «auf eigenen Wunsch», wie das Bildungsministerium verlautete.
«Nach meinem bisherigen Eindruck haben wir in jeder Klasse circa zehn Prozent Schülerinnen und Schüler, die demokratiefeindliche Gesinnungen pflegen»
Neu berufen wurde eine erfahrene Kraft: Der 63-jährige Markus Mandel war bisher stellvertretender Schulleiter an der Theodor-Fontane-Schule in Cottbus. Jetzt, nach vier Monaten im Amt, zieht er eine erste vorläufige Bilanz. Er sieht noch viel Arbeit in der Einrichtung. «Nach meinem bisherigen Eindruck haben wir in jeder Klasse circa zehn Prozent Schülerinnen und Schüler, die demokratiefeindliche Gesinnungen pflegen», sagt Mandel in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Zeit».
Das belege auch die Studie «Jugend in Brandenburg» der Universität Potsdam. Die Analyse, für die auch 75 Schülerinnen und Schüler aus der Burger Schule befragt wurden, habe gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit rechtsextremen Einstellungen dort häufiger vertreten gewesen seien, als im Durchschnitt Brandenburgs, erklärt der Schuldirektor.
Mandel beschreibt, dass er das Lehrerkollegium zu seinem Start an der Schule zum Teil stark zerstritten vorgefunden habe. Und in einigen Klassen hätten sich Lager zwischen linken und rechten Anschauungen gebildet, so dass dort kaum noch unterrichtet werden konnte. Die verfeindeten Lehrkräfte hätten inzwischen «eine Art friedliche Koexistenz» vereinbart, die Spannungen seien weniger geworden, schätzte der Schulleiter ein, der von einer «befriedeten» Einrichtung spricht. In vielen Klassen gelinge es, wieder miteinander zu reden. Allerdings: Manche Lehrkräfte benutzten immer noch unterschiedliche Lehrerzimmer, damit sie sich nicht begegnen müssten.
Wie stark rassistische und rechtsextreme Meinungen in der Schülerschaft wirklich vertreten sind, wie lange es diese Tendenzen an der Schule schon gebe und warum darauf nur unzureichend reagiert wurde – dazu verschafft sich der Direktor nach eigener Aussage gerade einen Überblick. «Wenn ich mir die Akten anschaue, fällt auf, dass es vor dem Brandbrief kaum offiziell registrierte rechtsextreme Vorfälle gab. Da stellt sich schon die Frage, warum die keiner gemeldet hat.»
«Die Schule wird als Dienstleister betrachtet. Der Lehrer hat sich zu rechtfertigen, wenn das Kind eine schlechte Note bekommt»
Zudem sei bekannt , dass Schülerinnen und Schüler zu Hause von ihren Eltern «zum Teil krude Thesen» zu hören bekämen. Mandel: «Wir haben es generell mit einer aggressiveren Elternschaft zu tun. Die Schule wird als Dienstleister betrachtet. Der Lehrer hat sich zu rechtfertigen, wenn das Kind eine schlechte Note bekommt. Der Einfluss der Familien ist gerade in den ländlichen Regionen recht groß. Da hat noch Gewicht, was Vater und Großvater sagen. Das glaubt man dann und plappert es einfach weiter. Den gewaltigsten Einfluss haben aber die sozialen Medien, viele Kinder und Jugendliche hinterfragen nicht, was sie auf TikTok sehen, können zwischen Wahrheit und Fake-News nicht unterscheiden.»
Nun werde ein Demokratiekonzept für die Schule erarbeitet. Es solle dafür sorgen, dass die politische Bildung fächerübergreifend einen größeren Stellenwert bekomme, so Mandel. Erste Aktionen dazu wurden dazu bereits angestoßen. So hätten im September alle zehnten Klassen die Gedenkstätte des KZ-Außenlagers Lieberose, Jamlitz, besucht. Sechst- und Siebtklässler hätten mit einem schwarzen Rapper einen Song erarbeitet, beschrieb der Schulleiter. Überdies sei ein Seminar mit einer Aussteiger-Initiative aus der rechten Szene durchgeführt worden. Mit den neunten Klassen sei in diesem Jahr eine Fahrt ins Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz geplant.
Die Behörden haben die Schule weiter im Blick. «Wir wissen seit ein paar Tagen, dass das Schulamt die Schule im neuen Jahr auf den Kopf stellen wird», sagt Mandel. «Alles, was wir hier machen, wird einer Bewertung unterzogen.» Das werde nicht nur angenehm fürs Kollegium. News4teachers / mit Material der dpa